Klimaschutz
Hubertus Pellengahr 18. Juli 2019
Standpunkt zu Klimapolitik

Deckel drauf!

Die INSM steht dazu, den CO2-Ausstoß gemäß dem Klimaschutzabkommen von Paris deutlich zu senken. Damit die Ziele tatsächlich und effizient erreicht werden, schlagen wir die Ausweitung des Emissionshandels vor.


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Ähnlich wie derzeit über CO2-Ausstoß und Klimawandel, wurde vor gut 40 Jahren über FCKW und das Ozonloch debattiert. Für die Jüngeren: FCKW (Fluorchlorkohlen­wasserstoffe) sind sehr stabile Gase die lange als Treibmittel in Spraydosen oder als Kältemittel in Kühlschränken genutzt wurden. Diese Gase greifen die uns vor schädlicher Sonnenstrahlung schützende Ozonschicht an. Als man erkannte, wie gefährlich FCKW für Mensch und Umwelt sind, war das Ziel schnell klar: der weltweite Ausstoß an FCKW muss schnellstmöglich reduziert werden. Es wurden jährlich sinkende Höchstmengen bis hin zu einem Produktions- und Verwendungsstopp vereinbart. In einem Abkommen einigten sich erst einige, später erstmals alle Staaten der Welt auf dieses Ziel. Niemand kam auf die Idee, den Ausstoß der FCKW mithilfe einer FCKW-Steuer zu reduzieren.

Deutschland hat sich verpflichtet, bis 2030 seinen CO2-Ausstoß auf 563 Millionen Tonnen pro Jahr zu reduzieren. Das entspricht 45 Prozent der CO2-Menge, die Deutschland im Jahr 1990 freigesetzt hat. Bis 2050 soll Deutschland dann „klimaneutral“ sein. Das Ziel: die grüne Null. Der Sachverständigenrat, besser bekannt als die fünf Wirtschaftsweisen, hat in einem Gutachten Wege zu diesem Ziel untersucht.

Aus Sicht der INSM muss klar sein, dass die Rettung des Weltklimas nicht mit einem Zusammenbruch der deutschen Wirtschaft erkauft werden darf – was angesichts von knapp zwei Prozent, die Deutschland zum weltweiten CO2-Ausstoß beiträgt, auch nicht helfen würde. Eins muss dabei allen klar sein: ein Wechsel in ein CO2-armes oder sogar CO2-freies Zeitalter ist nicht zum Nulltarif zu haben. CO2 wird daher künftig einen Preis haben müssen. Die Frage ist nur: wie hoch muss der Preis sein? Einigen Diskussionsteilnehmern scheint der Preis gar nicht hoch genug sein zu können. Sie träumen davon, mit einem möglichst hohen CO2-Preis Autofahren und Fliegen zum Luxus und den Kauf von eigentlich unrentablen Photovoltaik- oder Biogasanlagen zu einem lohnenden Investment zu machen. Gute Klimapolitik darf aber nicht zulasten der Landbevölkerung, auf Kosten der Pendler und gegen die Beschäftigten in der Automobilindustrie gehen. Mit Marktwirtschaft und Wettbewerb bleiben die Kosten so niedrig wie möglich. Genau solche Innovationen haben Deutschland zum Exportweltmeister gemacht und können Deutschland auch zu einem Exportweltmeister von Klimaschutztechnologie machen.

Aber was ist der „richtige“ CO2-Preis? Die simple Antwort: einen richtigen Preis gibt es nicht. Der Preis von CO2 hängt immer davon ab, wer ihn mit welchem Ziel bestimmt. Diskutiert werden momentan zwei Wege: Entweder legt der Staat den CO2-Preis mithilfe einer Steuer fest. Industrie und Verbraucher passen dann ihr Verhalten an, der CO2-Ausstoß sinkt – vermutlich. Sinkt er nicht genug, muss die Steuer erhöht werden, sinkt er stärker als geplant … – nein, die Wahrscheinlichkeit, dass dann die Steuer gesenkt würde, kann getrost mit Null angesetzt werden. Der unbestreitbare Vorteil einer CO2-Steuer ist, dass sie zumindest national vergleichsweise schnell eingeführt werden könnte. Allerdings weiß niemand so richtig, wie sie sich auswirkt und welche ungewünschten Nebenwirkungen zu erwarten sind. Deshalb müsste die CO2-Steuer permanent angepasst werden. Aber die Politik hätte kurzfristig (oder auch nur kurzsichtig) Handlungsfähigkeit bewiesen. In Wahlkampfzeiten (also immer) ein nicht zu unterschätzender Antrieb. Allerdings: Die Ausweitung einer deutschen CO2-Steuer auf eine europäische CO2-Steuer ist äußerst unwahrscheinlich. In Steuerfragen gilt in der EU das Einstimmigkeitsprinzip: Länder, die nicht ganz so ehrgeizige Klimaschutzziele verfolgen, haben ein Vetorecht. Nur wenn es uns gelingt, mit unserem System zur CO2-Bepreisung ein nachahmenswertes Vorbild zu werden, können wir über die eigenen Landesgrenzen hinaus etwas erreichen. Wer Fridays for Future ernst nimmt, darf sich nicht mit klimapolitischen Inseln der Selbstzufriedenen zufriedengeben, sondern muss den Willen und die Kraft für eine globale Klimapolitik aufbringen.

Die andere und aus Sicht der INSM erfolgversprechendere Variante ist daher ein CO2-Deckel. Der Staat legt für die kommenden Jahre eine jährlich sinkende CO2-Menge fest und bestimmt so, wie viel CO2 höchstens freigesetzt werden darf. Für den Energiesektor und besonders energieintensive Industrien (z.B. Stahl- und Zementproduktion) sind solche Höchstmengen bereits erfolgreich festgelegt. Für jede Tonne CO2, die beispielsweise in einem Kohlekraftwerk freigesetzt wird, braucht es ein entsprechendes Zertifikat. Diese Zertifikate sind handelbar. Wenn ein Stahlproduzent einen Weg findet, durch neue Technologien weniger CO2 bei der Produktion einer Tonne Stahl freizusetzen, muss er weniger Zertifikate kaufen oder kann Zertifikate, die er bereits hat, an andere verkaufen. Die Investition in eine klimafreundliche Produktion lohnt sich dann auch finanziell. Der Preis für ein solches CO2-Zertifikat richtet sich danach, wie viele Zertifikate vorhanden sind und wie viele von den Marktteilnehmern gebraucht werden. Angebot und Nachfrage. Das fördert Innovationen und regt den Wettbewerb um die besten Ideen zur CO2-Einsparung an. Was bisher gut im Energiesektor funktioniert hat, könnte man auch für den Verkehrs- und Wärmesektor übernehmen. Am besten global oder zumindest europäisch, anfänglich vielleicht auch nur in der „Gruppe der Willigen“. Jede Reise fängt mit einem ersten Schritt an.

Als mittel- und langfristige Lösung empfehlen die Wirtschaftsweisen einen CO2-Deckel, der alle Bereiche umfasst, in denen CO2 freigesetzt wird. Da es für den Energie- und Industriesektor bereits einen Deckel gibt, braucht es eine Übergangslösung für die Bereiche, die bisher noch nicht vom Emissionshandel erfasst werden. Dazu bieten sich nach Meinung der Forscher sowohl ein separater CO2-Deckel als auch eine CO2-Steuer an. Eine CO2-Steuer wäre etwas schneller umsetzbar, mit einem separaten Emissionshandel würde das Ziel (CO2-Reduzierung) aber sicherer erreicht.

Die Bundesregierung muss jetzt entscheiden, welchen Weg sie einschlägt. Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft plädiert klar für den CO2-Deckel mit Emissionshandel. Er vermeidet unnötige Kosten, fördert Innovationen und erreicht mit der höchsten Sicherheit das angestrebte Klimaschutzziel. Bis zum Inkrafttreten eines solchen CO2-Deckels dauert es vielleicht etwas länger, als man für die Einführung einer neuen Steuer bräuchte, das Ergebnis wäre aber solide und nachhaltig. Und: Wirtschaft, Verwaltung und vor allem die Verbraucher hätten eine Chance, sich auf die Änderungen vorzubereiten. Der Blick in die Vergangenheit macht zudem Hoffnung, dass sich schnell viele Gleichgesinnte finden lassen. 1985 unterzeichneten 21 Staaten das „Wiener Übereinkommen“ mit Maßnahmen zum Schutz der Ozonschicht. Schon zwei Jahre später folgte das „Montrealer Protokoll“, das zum Produktionsstopp von FCKW führte und als erstes Vertragswerk von allen 197 Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen ratifiziert wurde.

Erste Schritte zur Vorbereitung eines europäischen CO2-Deckels sollte die Bundesregierung umgehend einleiten. Je schneller sie agiert, desto planbarer und effizienter können sich Verwaltung, Wirtschaft und Verbraucher auf den künftigen CO2-Preis und seine Folgen einstellen.