Die Starken stützen die Schwachen. Das ist eines der Grundprinzipien der Sozialen Marktwirtschaft. Durch Steuern und staatliche Transfers werden Ungleichheiten zwischen Besserverdienenden und Schlechterverdienenden ausgeglichen. Diese Faktensammlung zeigt: Umverteilung in Deutschland funktioniert, Ungleichheit wird überschätzt.
11. Dezember 2017
Fakt 1: Umverteilung in Deutschland funktioniert
Fakt 2: Ungleichheit wird stärker ausgeglichen als in anderen Ländern
Fakt 3: Die Ungleichheit nimmt nicht weiter zu
Fakt 4: Die Einkommensungleichheit in Deutschland ist relativ niedrig
Fakt 5: Ost und West nähern sich beim Verdienst an
Fakt 6: Ausgaben für soziale Sicherung wachsen stetig
Fakt 7: In Deutschland gibt es weniger Armut als im EU-Durchschnitt
Fakt 8: Ungleichheit und Armutsrisiko werden überschätzt
Fakt 9: Die globale Ungleichheit sinkt
Fakt 10: Die Mittelschicht ist stabil
Fakt 11: Starke Schultern tragen einen Großteil der Steuerlast
Die Unterschiede zwischen Gutverdienern und Menschen mit vergleichsweise niedrigem Einkommen sind in keinem großen Industrieland so gering wie in Deutschland. Das liegt an der umfangreichen Umverteilung durch Steuern und staatliche Transfers. Sie stellt Menschen am unteren Ende der Einkommensverteilung deutlich besser. Die Hauptlast tragen dafür die finanziell Starken in der Gesellschaft: Sie finanzieren nicht nur Sozialleistungen, sondern ermöglichen auch den für alle gleichen Zugang zu Bildung und öffentlicher Infrastruktur.
Armut ist in Deutschland dementsprechend ein geringeres Problem als in anderen EU-Ländern: Die Armutsgefährdungsquote liegt unter dem Durchschnitt. Unter erheblicher materieller Entbehrung leidet nur eine vergleichsweise kleine Gruppe.
Die wirtschaftlich gute Lage von Unternehmen und die Flexibilität am Arbeitsmarkt helfen, die Ungleichheit weiter zu senken: Der Anstieg der Beschäftigungszahlen war in den vergangenen Jahren einer der wichtigsten Gründe für eine Angleichung der Einkommensverhältnisse in der Gesamtbevölkerung.
Eine höhere Belastung von Unternehmen und Gutverdienern birgt die Gefahr, die positive Entwicklung durch unnötige Hürden und sinkende Leistungsanreize auszubremsen. Denn eine gesunde und dynamische Wirtschaft ist die Grundvoraussetzung dafür, dass alle am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben können.
Deutschland betreibt eine umfangreiche Umverteilung und reduziert damit die Einkommensungleichheit erheblich. Das geschieht über das progressive Steuersystem und staatliche Transfers. Auf Haushaltsebene sinkt die Ungleichheit bei den Nettoeinkommen dadurch um mehr als ein Drittel im Vergleich zur Ungleichheit der Bruttoeinkommen.
Die Umverteilung erfolgt auch über die kostenlose Bereitstellung öffentlicher Leistungen. Allein durch die Berücksichtigung von Bildungs- und Gesundheitsausgaben sinkt die reale Nettoungleichheit der Haushalte um 13 Prozent.
Deutschland verteilt mehr Ressourcen von einkommensstarken zu einkommensschwachen Menschen um als die meisten anderen Staaten. Die staatlichen Eingriffe reduzieren die Ungleichheit so stark wie in kaum einem anderen Land in Europa.
Abzulesen ist das am sogenannten Gini-Koeffizienten, einem statistischen Maß für die Ungleichheit zwischen 0 und 1 – der Wert 0 steht dabei für absolute Gleichheit. Bei den Markteinkommen erreicht Deutschland einen Koeffizienten von 0,5. Die staatliche Umverteilung reduziert diesen Wert um 0,21 auf 0,29. Damit ist Deutschland eines der EU-Länder mit der höchsten Umverteilungswirkung von Renten, Sozialtransfers und sonstigen Abgaben.
Die Einkommensungleichheit in Deutschland hat sich stabilisiert. Nach einer Zunahme zur Jahrtausendwende ist die Ungleichheit der Nettoeinkommen, also die Summe aller Erwerbs- und Kapitaleinkommen nach staatlichen Abgaben zuzüglich Renten und Sozialtransfers, im Vergleich zu 2005 nahezu unverändert.
Grund für die Entwicklung sind die Reformen am Arbeitsmarkt und die gute Konjunktur: In der Folge stieg die Zahl der Beschäftigten um vier Millionen. Dadurch gibt es immer weniger Menschen, die gar kein Arbeitseinkommen erzielen.
Der Abstand zwischen den Menschen mit hohem und vergleichsweise niedrigem Einkommen ist in keiner anderen großen Industrienation so gering wie in Deutschland. Laut OECD liegt die Ungleichheit bei den verfügbaren Einkommen der Gesamtbevölkerung in Deutschland auf dem niedrigsten Stand aller G-7-Staaten.
Bei der Vermögensverteilung gilt die Ungleichheit in Deutschland als relativ hoch. Die internationalen Vergleiche klammern Renten- und Pensionsansprüche jedoch in der Regel aus. Bezieht man diese mit ein, relativiert sich die Vermögensungleichheit in Deutschland erheblich.
Die Einkommensungleichheit zwischen Ost- und Westdeutschland geht zunehmend zurück. Noch 1991 verdienten Menschen in den neuen Bundesländern im Schnitt weniger als halb so viel wie die Einwohner im Westen. Seither kommt es zu einer stetigen Angleichung. Inzwischen liegen die durchschnittlichen Bruttomonatsverdienste im Osten bei fast 80 Prozent des Westniveaus, wobei die Kaufkraft aufgrund der geringeren Lebenshaltungskosten in Ostdeutschland noch ausgeglichener ist.
Eine Angleichung ist auch auf Ebene der gesamtdeutschen Kreise und Städte zu beobachten: So wuchs die Wirtschaft in den zehn Kreisen mit dem niedrigsten Bruttoinlandsprodukt je Erwerbstätigen seit dem Jahr 2000 um durchschnittlich 3,2 Prozent pro Jahr. In den zehn reichsten Kreisen kam es zu Zuwächsen von im Schnitt jährlich einem Prozent.
Mehr als jeder vierte in Deutschland erwirtschaftete Euro fließt in Sozialleistungen wie z. B. Grundsicherung, Gesundheitsversorgung oder Familienbeihilfen. Damit liegt Deutschland klar über dem Durchschnitt der OECD-Staaten, der zuletzt auf ein historisches Hoch von 21 Prozent des Bruttoinlandsproduktes anstieg.
Die Pro-Kopf-Ausgaben für die soziale Sicherung wachsen hierzulande seit Jahren – zuletzt lagen sie bei mehr als 10.000 Euro im Jahr. Sie kommen besonders Menschen mit relativ niedrigem Einkommen zugute.
Wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, gilt in der EU als armutsgefährdet. In Deutschland ist der Anteil der Menschen, die in diese Kategorie fallen, mit 16,7 Prozent geringer als im EU-Schnitt von 17,3 Prozent.
Allerdings bliebe dieser Wert auch gleich, würden sich alle Einkommen auf einen Schlag verdoppeln. Aussagekräftiger ist daher ein Blick auf konkrete Einschränkungen. Unter die Definition von erheblicher materieller Entbehrung fallen Menschen, die sich von neun grundlegenden Ausgaben – wie zum Beispiel das Heizen oder ein Telefon – mindestens vier nicht leisten können. In Deutschland trifft das auf 3,9 Prozent der Bevölkerung zu. Im EU-Schnitt ist der Anteil doppelt so hoch.
Laut Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung nehmen 44 Prozent der Befragten an, dass der Anteil der Armen in den vergangenen fünf Jahren stark gestiegen ist. Rund ein Drittel glaubt, dass dies auch für den Anteil der Reichen zutrifft. Wie der Bericht feststellt, stimmt dies nicht mit der Realität überein. Weder die Armutsrisikoquote noch der Anteil der Bundesbürger, die unter erheblichen materiellen Entbehrungen leiden, sind demnach stark gestiegen. Auch der Anteil der Bundesbürger mit sehr hohen Einkommen blieb weitgehend stabil.
Auch bei der Frage, wer von Armut am stärksten betroffen ist, liegen die meisten Menschen falsch: Der Großteil der Befragten vermutet, dass Ruheständler besonders schlecht dastehen. Tatsächlich ist die Armutsgefährdungsquote jüngerer Altersgruppen teilweise deutlich höher.
Die Wohnfläche pro Bürger ist in den vergangenen Jahren deutlich gewachsen. Seit der Jahrtausendwende stehen jedem Einwohner Deutschlands durchschnittlich fast sieben Quadratmeter mehr Raum zum Wohnen zur Verfügung. Aktuell sind es mehr als 46 Quadratmeter pro Kopf.
Die Menschen können zudem ihre Wohnkosten besser schultern als früher. Nach Zahlen des Statistischen Bundesamtes geben aktuell 14 Prozent an, dass die Wohnkosten sie wirtschaftlich stark belasten. Im Jahr 2008 waren es noch 24 Prozent.
Rund jeder zweite Deutsche zählt zur Mittelschicht im engeren Sinn. Darunter versteht man Menschen mit einem Nettoverdienst zwischen 80 und 150 Prozent des mittleren Einkommens. Unter Alleinstehenden fallen Menschen mit einem monatlichen Nettoeinkommen zwischen 1.410 und 2.640 Euro in diese Gruppe.
Der Anteil ist seit einem vorübergehenden Höhepunkt im Zuge des ostdeutschen Aufholprozesses in den 1990er Jahren stabil geblieben. Warnungen vor einer Erosion der Mittelschicht sind daher nicht zutreffend. Das gilt auch für die Mittelschicht im weiteren Sinn – also jene Menschen, die zwischen 60 und 250 Prozent des Medianeinkommens erzielen. Ihr Anteil blieb seit mehr als einem Jahrzehnt bei rund 80 Prozent.
In Deutschland sorgt das progressive Steuersystem dafür, dass starke Schultern mehr tragen. So verfügen die einkommensstärksten zehn Prozent der Bevölkerung über rund ein Drittel aller Einkünfte, sie bezahlen aber mehr als die Hälfte des Einkommensteueraufkommens.
Auf die untere Hälfte in der Einkommensverteilung entfallen rund 16 Prozent der Einkünfte. Diese Bevölkerungsgruppe entrichtet weniger als sechs Prozent des Einkommensteueraufkommens. Für eine noch stärkere Verschärfung der Progression gibt es also keinen Bedarf.
Datensammlung zur Steuerpolitik,
Bundesfinanzministerium, 2017
Der fünfte Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung,
Bundesministerium für Arbeit und Soziales, 2017
Faktencheck Gerechtigkeit und Verteilung: eine empirische Überprüfung wichtiger Stereotype, Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2016
Ist Ungleichheit schlecht für das Wirtschaftswachstum?,
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2016
Die Mittelschicht in Deutschland,
Institut der deutschen Wirtschaft Köln, 2017
Entwicklung der Einkommensungleichheit,
Stiftung Familienunternehmen, 2016