Steuern & Finanzen
Standpunkt

Schäubles Chance

Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble hat die einmalige Chance, sich selbst ein Denkmal zu setzen. Er könnte in die Geschichte eingehen als der Kassenwart, der erstmals nach über 40 Jahren die Verschuldung des Bundes stoppt und keine neuen Kredite mehr aufnimmt. Mit den Eckpunkten zum Bundeshaushalt 2013 hätten dafür die Grundlagen geschaffen werden können. Im Jahr 2014 wäre die schwarze Null erreichbar gewesen. Voraussetzung: Den Rotstift so ansetzen, wie es im Sparpaket des Jahres 2010 längst verabredet war, nämlich bei den Sozialausgaben, den Militärausgaben und durch Einsparungen bei der Verwaltung.

2. April 2012

Bisher hat die Bundesregierung zwar erstaunliche Fortschritte bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte gemacht. Die Erfolge waren aber hauptsächlich der konjunkturellen Erholung und einer günstigen Zinsentwicklung für öffentliche Anleihen geschuldet. Beide Punkte werden in naher Zukunft nicht mehr ganz so positiv ausfallen. Die Konjunkturerwartungen trüben sich ein.

Wirklich gespart, also Ausgaben gedrosselt, hat Schäuble bisher kaum. Das 2010 mühsam erarbeitete Sparpaket ist noch nicht einmal zur Hälfte umgesetzt. Wenn er mit dem Sparen jetzt Ernst macht, erwirbt er für sich und die Regierung die bei Wählern, europäischen Partnern und Finanzmärkten verloren gegangene Glaubwürdigkeit zurück. Dass er damit lediglich längst Versprochenes nachgeholt hätte, würde schnell in Vergessenheit geraten.

Kann aber der Staat konsequent sparen, ohne das wirtschaftliche Wachstum aufs Spiel zu setzen? Das ist nicht einfach - aber machbar. Denn, werden die richtigen, also konsumtive Ausgaben gekürzt, gehen davon zumindest mittelfristig positive Impulse für ein nachhaltiges Wirtschaftswachstum aus. Noch profitiert Deutschland von einer vergleichsweise robusten Konjunktur. Daher sollte die Bundesregierung entschlossen handeln, die Richtschnur für die europäischen Partner vorgeben und die Schuldenbremse so schnell wie möglich einhalten. Eine erneute Verletzung der Stabilitätskriterien würde hingegen das im Fiskalpakt erneuerte Stabilitätsverspechen endgültig beerdigen.

Deutsche Sparsamkeit wird den Euro alleine aber sicher nicht retten. Hier sind alle Schuldensünder gefragt. Dabei ist einleuchtend, dass die Einschnitte in den öffentlichen Haushalten Griechenlands, Spaniens, Portugals und Italiens nicht kurzfristig Wachstum stimulieren. Andererseits bietet sich keine sinnvolle Alternative: Wenn der Schuldenstand der öffentlichen Hand bedrohlich wächst, verlieren Anleger das Vertrauen in die Kreditwürdigkeit des Staates – wie man an Griechenland seht. In dieser Situation ist vorsichtiger Rückzug per Konsolidierung die einzige Chance, die Handlungsfähigkeit mittelfristig zurückzugewinnen. Ohnehin sind die Wachstumseffekte eines sogenannten Deficit Spending nur kurzfristiger Natur.

Für eine beständige Entschuldung ist Wirtschaftswachstum notwendig, deshalb darf die Konsolidierungsstrategie das Wachstum möglichst nicht beeinträchtigen. Die fiskalpolitischen Werkzeuge müssen klug gewählt werden. Steuererhöhungen sind aber die schlechteste Option, denn sie dämpfen dauerhaft die private Nachfrage (auch bei Kapitalertrags- und Vermögenssteuer). Die langfristig wirksamste und somit nachhaltigste Strategie besteht aus Ausgabenkürzungen gepaart mit der Förderung der öffentlichen und privaten Investitionsnachfrage. Diese Strategie verfolgten in den 1990er Jahren Schweden, die Niederlande und Kanada. Also jene Staaten, die ihre öffentlichen Haushalte erfolgreich konsolidierten und dabei erstaunliche Wachstumsratenerzielten.

Ein in Aufschwungsphasen ausgeglichener - besser noch überschüssiger - Haushalt ist die einzige Chance, finanzpolitischen Handlungsspielraum zurückzugewinnen. Produzenten und Konsumenten bekämen Sicherheit und Vertrauen und das wirkt sich positiv auf die Wirtschaftsaktivität aus. Die Bundesregierung sollte heute ein eindeutiges Signal geben und das 2010 beschlossene Sparpaket im Bundeshaushalt 2013 endlich umsetzen und so Geschichte für die Zukunft des Landes schreiben.

Der Autor Hubertus Pellengahr ist Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).