Die Forderung nach einer paritätischen Finanzierung der Krankenversicherung ist nicht nur eine politische Nebelkerze, sie würde auch dem Wettbewerb der Krankenkassen um niedrigere Beiträge schaden. Die Leidtragenden wären die Versicherten. - Ein Standpunkt von Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM).
11. Januar 2016
Dass die seit dem Jahresanfang erhöhten Zusatzbeiträge der Krankenkassen allein von den Versicherten zu bezahlen sind, findet SPD-Generalsekretärin Katarina Barley „ungerecht“. Auch Bundessozialministerin Andrea Nahles stört sich daran, dass die Arbeitgeber lediglich die Hälfte (7,3 Prozent) des allgemeinen Beitragssatzes (14,6 Prozent) zahlen müssen. Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) sagte kürzlich, es könne nicht sein, dass allein die Arbeitnehmer bei der Erhöhung der Krankenkassenbeiträge die Zeche zahlen sollen, das belaste einseitig die Leistungsträger der Gesellschaft.
In die gleiche Richtung argumentiert auch die gesundheitspolitische Sprecherin der SPD-Fraktion, Hilde Mattheis. Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Thorsten Schäfer-Gümbel wittert sogar ein Wahlkampfthema für seine Partei, aber auch der Vorsitzende des Arbeitnehmerflügels der CDU, Karl-Josef Laumann, spricht sich dafür aus, die Arbeitgeber mittelfristig wieder zur Hälfte an den gesamten Beiträgen zu beteiligen.
Auf den ersten Blick scheinen es die Anhänger der paritätischen Finanzierung gut zu meinen mit den Versicherten. Sie wollen die Arbeitnehmer entlasten, indem sie die Arbeitgeber stärker belasten. Das klingt schön klassenkämpferisch, mehr aber auch nicht. Es handelt sich um eine politische Nebelkerze. Langfristig macht es für die Arbeitnehmer unterm Strich nämlich keinen Unterschied, welchen Anteil sie zahlen und welchen ihre Arbeitgeber. Denn der Arbeitgeberanteil zur Krankenversicherung ist nur ein buchhalterischer Posten. Die Arbeitnehmer müssen mit ihrer Arbeitsleistung ihren gesamten Bruttolohn und die Lohnzusatzkosten erwirtschaften. Von einem Arbeitgeber- und einem Arbeitnehmeranteil zu sprechen, suggeriert eine Kostenteilung, die de facto gar nicht existiert.
Es wäre daher sowohl transparenter, also auch sachlich korrekter, wenn der „Arbeitgeberanteil“ dem Bruttolohn zugeschlagen wird, der Arbeitgeber anschließend den Gesamtbeitrag einbehält und an die Kasse überweist. Bei privatversicherten Angestellten ist diese Rechnung nicht nur übliche und bewährte Praxis, hier trägt der Angestellte zudem selber Sorge dafür, dass die monatlich fällige Prämie rechtzeitig an die Versicherungsgesellschaft überwiesen wird.
„Zurück zur Parität“ – wie es jetzt viele fordern – führt eben genau nur dort hin: einfach zurück – das ist die falsche Richtung. Ein von Arbeitnehmern und Arbeitgebern jeweils hälftig finanzierter Beitragssatz senkt die Gesundheitskosten um keinen einzigen Cent. Da die Bundesregierung derzeit keine Ambitionen zeigt, den Anstieg der Gesundheitskosten zu bremsen, darf sie nicht auch noch den Wettbewerb zwischen den Kassen bremsen, indem das einzige Preissignal im System, der Zusatzbeitragssatz, auch noch durch eine paritätische Aufteilung verwässert wird.
Wettbewerb gedeiht am besten durch mehr Transparenz. Nur wenn die (Preis)Unterschiede zwischen den einzelnen Kassen klar und einfach erkennbar sind, animiert das die Versicherten sich nach effizient wirtschaftenden Anbietern umzuschauen, um sich dann für die Kasse zu entscheiden, welche die von ihnen gewünschten Leistungen zu einem möglichst günstigen Preis anbietet. Denn eines darf nicht vergessen werden: Etwa 95 Prozent der Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen sind sogenannte Regelleistungen und damit identisch. Die derzeit hohen Beitragsunterschiede von bis zu 1,7 Prozentpunkten lassen sich somit nur zu einem kleinen Teil mit Leistungsunterschieden begründen.
Damit sich möglichst viele Versicherte kostenbewusst verhalten, ist es wichtig, dass sie die Preisunterschiede auch als solche vollständig erkennen können. Werden die steigenden Finanzierungskosten in einen Arbeitgeber- und einen Arbeitnehmeranteil aufgeteilt, wird das Preissignal optisch halbiert. Das verringert den Wettbewerbsdruck. Und genau deshalb sind kassenindividuelle Zusatzbeitrage sinnvoll: Je klarer die Versicherten die Angebotsunterschiede erkennen können, desto mehr sind die Kassen gefordert, sich im Wettbewerb attraktiv zu positionieren, also Strategien für eine kostengünstige Versorgung zu entwickeln.
Das hilft am Ende allen: gesundheitsbewusste und kostenbewusste Versicherte werden belohnt, innovative Kassen bekommen mehr Mitglieder und Arbeitgeber können mit verlässlichen Lohnnebenkosten kalkulieren. Statt den Wettbewerb zu behindern, sollte sich die Politik darauf konzentrieren, etwaige Fehlsteuerungen im Rahmen des Risikostrukturausgleichs zu korrigieren, damit die auftretenden Preisunterschiede tatsächlich die Effizienzunterschiede spiegeln und nicht auf anderen Zufälligkeiten basieren. Niedrigere Krankenkassenbeiträge gibt es nur mit echtem Wettbewerb.
Wer es mit den gesetzlich Versicherten nicht nur gut meint, sondern für sie auch etwas gut machen will, sollte nicht über vermeintlich gerechte oder ungerechte Arbeitgeberanteile diskutieren, sondern darüber, ab welchem Stichtag der Arbeitgeberanteil der Krankenversicherung steuerfrei an die Arbeitnehmer ausgezahlt werden soll. Mein Vorschlag: lieber heute als morgen.