Soziales
10 Fakten zu Armut & Teilhabe

Arbeit und Bildung sind die besten Mittel gegen Armut

Die Teilhabechancen haben sich in den letzten zehn Jahren in Deutschland verbessert. Doch erfüllt sich das Aufstiegsversprechen in der Sozialen Marktwirtschaft für alle? Wer arbeitslos oder alleinerziehend ist oder einen Migrationshintergrund hat, ist häufiger armutsgefährdet als die übrige Bevölkerung. Hier gilt es anzusetzen, um Armut gezielt zu bekämpfen und Teilhabe und Aufstiegschancen auszubauen.

14. Oktober 2019

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Fakt 1: Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut.

Fakt 2: Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit.

Fakt 3: Für Armut gibt es Risikofaktoren.

Fakt 4: Ost und West sind nah bei einander.

Fakt 5: Junge Menschen sind häufiger armutsgefährdet.

Fakt 6: Personen ohne Migrationshintergrund sind weiterhin kaum armutsgefährdet.

Fakt 7: Wie der Vater so der Sohn?

Fakt 8: Die Einkommensleiter geht nach oben und unten.

Fakt 9: Weniger materielle Entbehrungen.

Fakt 10: Armut im Ländervergleich.

 

In der öffentlichen Debatte wird das Ausmaß von Armut in Deutschland oft falsch eingeschätzt und meist mit Niedrigeinkommen gleichgesetzt. Diese Fehldarstellung verunsichert die Bevölkerung unnötig, ist zu eng gefasst und lässt positive Entwicklungen außer Acht. Richtig ist, dass die Vorstellungen, was Armut ausmacht, sehr unterschiedlich sind. Umfragen zeigen, dass ein Drittel der Deutschen Armut als Abhängigkeit von Wohlfahrtsverbänden oder staatlichen Sozialleistungen definiert. Fast genauso viele sehen eine Person dann als arm an, wenn deren finanzielle Mittel so begrenzt sind, dass sie nicht im angemessenen Umfang am gesellschaftlichen Leben teilhaben kann. Knapp ein Fünftel bezeichnet Personen als arm, deren Geld zum Leben unterhalb der Armutsgefährdungsgrenze liegt.

Diese Faktensammlung zeigt, dass sich die Teilhabechancen in den vergangenen zehn Jahren in Deutschland verbessert haben. Das hat potenziell entstehende Armut verhindert und bestehende Armut reduziert. Dennoch: Arbeitslose, Alleinerziehende und Menschen mit Migrationshintergrund haben ein größeres Armutsrisiko. Darum gilt: Teilhabe und Aufstiegschancen müssen gezielt für diese Gruppen ausgebaut werden.

Arbeit ist das beste Mittel gegen Armut.

Während von den Erwerbstätigen in Deutschland – auch den geringfügig Beschäftigten – 10 Prozent armutsgefährdet sind, sind es von den Arbeitslosen 64 Prozent. Armutsgefährdet heißt hier, dass das Nettomonatseinkommen eines Singles unter 1.100 Euro liegt.*

Welche herausragende Rolle die Erwerbstätigkeit bei der Bekämpfung von Armut hat, zeigt die Tatsache, dass sich rund 70 Prozent der Personen, die armutsgefährdet sind, schon nach zwei Jahren daraus befreien können – wenn sie einer Vollzeit- beschäftigung nachgehen. Nach fünf Jahren sind sogar 96 Prozent der Vollzeitkräfte nicht mehr armutsgefährdet. Dagegen sind 88 Prozent der Teilzeiterwerbstätigen und drei Viertel der Arbeitslosen von Armut nicht mehr bedroht.

* Relativ armutsgefährdet ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens hat, was 2016 rund 1.100 Euro waren.

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel; IW, 2019

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Bildung schützt vor Arbeitslosigkeit.

Bildung ist die Basis für ein selbstbestimmtes Leben. Sie fördert soziale Integration und wirtschaftliche Entfaltungsmöglichkeiten eines Menschen. Der Lohn der Bildung zeigt sich in vielen Bereichen. Menschen mit höherem Bildungsabschluss leben gesünder und länger, sind häufiger politisch aktiv und sozial engagiert. Gebildete Menschen haben auch ein deutlich niedrigeres Armuts- und Arbeitslosigkeitsrisiko. Im Jahr 2017 betrug die Arbeitslosenquote in Deutschland nach europäischer Definition 3,8 Prozent – bei Menschen ohne Schulabschluss waren es 9,5 Prozent und in der Gruppe mit Universitätsabschluss lediglich 2 Prozent. Diese Unterschiede schlagen sich auch in den Armutsrisiken nieder. Im Jahr 2018 lag das Armutsrisiko von Menschen ohne Schul- und Berufsabschluss gut fünfmal so hoch wie das von jenen, die ihren Meister oder ihren Hochschulabschluss gemacht haben.

Quellen: Statistisches Bundesamt; IW, 2019

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Für Armut gibt es Risikofaktoren.

In einer entwickelten Volkswirtschaft wie Deutschland ist Armut in der Regel relativ. Besonders betroffen sind Gruppen mit bestimmten Risikofaktoren: arbeitslos, alleinerziehend, mit Migrationshintergrund. Schaut man sich die Menschen an, die als relativ kaufkraftarm gelten, dann weisen über 60 Prozent von ihnen mindestens einen dieser drei Risikofaktoren auf.

In Deutschland sind gut 8 Prozent der Menschen alleinerziehend, doch 31 Prozent von ihnen sind kaufkraftbereinigt armutsgefährdet. Von den 64,8 Prozent Bundesbürgern, die keinen Risikofaktor aufweisen, sind 9,7 Prozent kaufkraftarm.

Quellen: Forschungsdatenzentrum (Mikrozensus 2016); IW, 2019

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Ost und West sind nah beieinander.

In Ostdeutschland verdienen die Menschen weniger als die in Westdeutschland. Und in den neuen Ländern mit Berlin haben gut 18 Prozent der Einwohner weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung, in den alten Ländern 15 Prozent. Berücksichtigt man jedoch die regional unterschiedlichen Preisniveaus, schaut also auf die relative Kaufkraftarmut, verschwindet der Unterschied zwischen Ost und West fast komplett.

Stattdessen zeigt sich ein deutlicher Stadt-Land-Unterschied. Dass es in den Städten fast 7 Prozentpunkte mehr Kaufkraftarme gibt als auf dem Land, erklärt sich so: Die Einkommen der Städter sind ungleichmäßiger verteilt als auf dem Land, weil in den Städten mehr Menschen leben, die alleinerziehend oder arbeitslos sind oder einen Migrationshintergrund haben. Hinzu kommt, dass Mieten und weitere Kosten in den Städten teurer sind.

Quellen: Forschungsdatenzentrum (Mikrozensus 2016); IW, 2019

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Junge Menschen sind häufiger armutsgefährdet.

Jeder zweite Deutsche hat Angst vor Altersarmut. Problematisch ist Altersarmut deshalb, weil ältere Menschen einer Hilfsbedürftigkeit kaum aus eigener Kraft entkommen können. Jüngere dagegen haben eher die Möglichkeit, ihr Blatt zum Besseren zu wenden. Denn Jugendliche und junge Erwachsene haben häufig vorübergehend (während der Ausbildung oder des Studiums) weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung – aber Aussicht auf Besserung ihrer finanziellen Situation. Betrachtet man die Fakten, sind ältere Menschen in Deutschland weniger armutsgefährdet als jüngere Jahrgänge. Von den 18- bis 24-Jährigen waren 2016 fast 29 Prozent armutsgefährdet, von den mindestens 65-Jährigen dagegen 12 Prozent.

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel; Statistisches Bundesamt; IW, 2019

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Personen ohne Migrationshintergrund sind weiterhin kaum armutsgefährdet.

Die Armutsgefährdungsquote ist vor allem ein Maß für die Ungleichheit der Einkommen – denn armutsgefährdet ist, wer weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens zur Verfügung hat, egal wie hoch das mittlere Einkommen auch sein mag.

In Deutschland schwankte die Armutsgefährdungsquote bis 1999 nur geringfügig, zwischen 1999 und 2005 stieg sie an, dann bewegte sie sich auf einem einigermaßen stabilen Niveau. Seit 2012 aber steigt das Risiko wieder an – und das hat in erster Linie mit der Zunahme der Zuwanderung zu tun. Denn Menschen, die kürzlich zugewandert sind, sind besonders häufig von Armut bedroht. Bei Personen ohne Migrationshintergrund hat sich das Armutsrisiko seit 2005 kaum verändert.

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel; IW, 2019.

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Wie der Vater so der Sohn?

Wie stark hängen die Einkommen der Eltern mit den Einkommen ihrer Kinder zusammen? Der Wissenschaftler Miles Corak kommt zu dem Ergebnis, dass in Deutschland 32 Prozent der Einkommensungleichheit von Söhnen durch die Einkommensungleichheit der Väter erklärt werden. Damit landet die Bundesrepublik im internationalen Mittelfeld. Grundsätzlich gilt dieser Zusammenhang auch für Mütter und Töchter, weil Frauen aber andere Erwerbsverläufe haben als Männer, sind die geschlechterspezifischen Daten nicht miteinander zu vergleichen. Im Gegensatz zu anderen Studien hat Corak bei seinen Berechnungen die Selbstständigen berücksichtigt – sie machen zwar nur 10 Prozent aller Erwerbstätigen aus, dazu zählen aber insbesondere freie Berufe wie Ärzte und Rechtsanwälte. Wenn Selbstständige außer Acht gelassen werden, wird die Mobilität zwischen Generationen nur unzureichend betrachtet.

Quelle: Corak, 2017

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Die Einkommensleiter geht nach oben und unten.

Wie stehen die Chancen, sich nach oben zu arbeiten? Die Frage der sozialen Mobilität lässt sich beantworten, wenn man die Menschen in vier Einkommensgruppen einteilt und dann schaut, ob sie in einem bestimmten Zeitraum die Einkommensleiter auf- oder abgestiegen sind.

Zwischen den Jahren 1991 und 2015 kann Deutschland eine durchlässige Einkommensverteilung attestiert werden. Von den Menschen, die 1991 in der untersten Einkommensgruppe waren, haben es vier von fünf Personen geschafft, bis 2015 in eine höhere Gruppe aufzusteigen. Andererseits stiegen 45 Prozent von der obersten in eine niedrigere Einkommensgruppe ab – auch das gehört in einer durchlässigen Gesellschaft dazu.

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel; IW, 2019

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Weniger materielle Entbehrungen.

Die EU definiert eine „materielle Entbehrung“ so, dass ein Haushalt aus finanziellen Gründen in mindestens drei von neun vordefinierten Kategorien (unter anderem Urlaub) verzichten muss.

Zwar ist unbestritten, dass sich armutsgefährdete Menschen aufgrund ihrer finanziellen Lage nicht alles leisten können – insgesamt aber ist das Problem der materiellen Entbehrung in Deutschland spürbar kleiner geworden: Der Anteil der Menschen, die in drei der neun Kategorien Verzicht üben müssen, ist von 2007 bis 2017 um ein Drittel auf 9,1 Prozent gesunken. In der EU ist der Anteil der Bevölkerung mit materieller Entbehrung in 7 von 28 Ländern geringer als in Deutschland. Damit gibt es nur wenige EU-Staaten, die besser abschneiden als Deutschland.

Quellen: Eurostat, 2017; IW, 2019

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Armut im Ländervergleich.

Armut bedeutet nicht immer ein geringes Einkommen, sondern hat meist auch andere Dimensionen. Der internationale „Index multidimensionaler Armut“ zählt deshalb auch materielle und soziale Entbehrung, Unterbeschäftigung, ein niedriges Bildungsniveau, starke Beeinträchtigungen im Bereich Wohnen und Wohnumfeld sowie gesundheitliche Einschränkungen dazu.

Fasst man diese sechs Armutsfaktoren zusammen, dann landet Deutschland im europäischen Vergleich auf Platz sieben von 30 Ländern. Norwegen und die Schweiz führen das Länderranking an. Über alle Dimensionen gerechnet sind die Deutschen im Schnitt rund ein Drittel weniger von Mangellagen betroffen als im EU-Durchschnitt insgesamt. Zudem hat sich der deutsche Wert seit 2008 um 11 Prozent verbessert – die Teilhabechancen haben sich also in Deutschland erhöht.

Quellen: Eurostat, 2018; IW, 2019

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