Soziale Marktwirtschaft
Freihandel

Sehnsucht nach TTIP

Donald Trump ist bekanntlich ein erklärter Gegner des Freihandels. Er sieht in der Globalisierung ein Nullsummenspiel, bei dem es darum gehe, das größte Kuchenstück abzubekommen. America first, lautet seine Devise. Mit so viel Naivität macht sich keiner gern gemein. Eine neue Chance für mehr Unterstützung für Freihandel. - Ein Standpunkt von Hubertus Pellengahr.

23. März 2018

Umfrage: Keine TTIP-MehrheitPosition FreihandelFaktensammlung Freihandel

Karl Marx war ein Befürworter des Freihandels, wenn auch nur aus taktischen Gründen. Er glaubte nicht an die wohlstandsfördernden Segnungen einer internationalen Arbeitsteilung, er konnte auch die Warenströme des 21. Jahrhunderts nicht vorhersehen, erst recht nicht, dass Deutschland einmal Exportweltmeister sein und mit seinen Importen allein in der Europäischen Union fünf Millionen Arbeitsplätze sichern würde. Nein, Karl Marx warb vor 170 Jahren in seiner „Rede über die Frage des Freihandels“ für den Freihandel, weil er davon ausging, dass dieser den Gegensatz zwischen Proletariat und Bourgeoisie auf die Spitze treiben, die Nationen zerstören und so die von ihm prophezeite soziale Revolution beschleunigen würde. Dass der Freihandel einmal den Kern eines der wichtigsten Friedens- und Wohlstandsprojekte bilden würde und dass Europas damals verfeindete Nationen über den Austausch von Waren und Dienstleistungen auch kulturell zusammenfinden werden, ahnte Marx nicht. Dass er seine Anti-Freihandels-Rede 1848 ausgerechnet in Brüssel gehalten hat, darf als kleine Ironie der Geschichte gewertet werden.

Donald Trump ist ein klarer Gegner des Freihandels. Schon in seiner Antrittsrede als frisch vereidigter Präsident der Vereinigten Staaten machte er das mit zwei Worten klar, die er sicherheitshalber ein paar mal wiederholte, damit auch wirklich jeder die Botschaft verstand:„America first“. Wer mit einer solchen Einstellung ans Werk geht, mag kurzfristig ein paar einfältige Wählerherzen begeistern, faire Handelsbeziehungen sind so aber nicht zu bekommen, erst recht kein Freihandelsabkommen mit der EU. Wie wertvoll ein Freihandelsabkommen zwischen der Europäischen Union und den USA wäre, bemerkten viele erst, als Trump bereits im Amt war. Die Chance, mit seinem Vorgänger Barack Obama vernünftige Kompromisse für die jeweiligen Interessen zu finden, war da bereits vertan. Jetzt ist die Lage zwar ernst, aber nicht hoffnungslos.

Angela Merkel ist eine klare Befürworterin des Freihandels und hat sich mehrfach dafür ausgesprochen, einen neuen Anlauf für das Freihandelsabkommen mit den USA zu machen. In der Zwischenzeit soll das Freihandelsabkommen mit Kanada – so ist es im Koalitionsvertrag vereinbart – zügig in Kraft gesetzt werden. Aus beiden kann und muss gelernt werden, nicht nur was den Umgang mit strittigen Inhalten angeht, sondern auch, wie man die gefundenen Kompromisse gegenüber der Öffentlichkeit darstellt.
Ein paar Punkte sollten dabei allen Beteiligten von Anfang an klar sein. Der ehemalige EU-Botschafter der USA, Antony Gardner, hat dies erfrischend klar formuliert.
 

  1. Es geht nur partnerschaftlich. Die Chance, etwas gemeinsam zu erreichen, ist mehr als ein verhandlungstaktisches Nullsummenspiel.
  2. Keine überzogenen Erwartungen auf einen schnellen Abschluss wecken.
  3. Statt den Gewinn durch Freihandel in Euro und Cent zu prognostizieren, sollte gezeigt werden, welche Erfolge bisherige Abkommen für die jeweiligen Partner hatten.
  4. Geschlossenheit und Einigkeit. Niemandem ist geholfen, wenn gemeinsame Verhandlungen durch markige Profilierungsversuche Einzelner hintertrieben werden.
  5. Besser kommunizieren. Gegen falsche Behauptungen und falsche Darstellungen helfen nur überprüfbare Fakten und verständliche Botschaften.
  6. Mehr Transparenz. Obwohl TTIP eines der transparentesten Abkommen mit klaren, demokratischen Verfahren war, müssen beim nächsten Versuch die einzelnen Schritte noch offener dargestellt werden. Diese Transparenz sollte dann auch von den Kritikern eingefordert werden.
  7. Alle mitnehmen und auch die Kritiker in den Dialog einbinden.
  8. Evolution statt Revolution versprechen. Auch die Vorteile des innereuropäischen Freihandels wurden erst nach und nach deutlich, dafür umso überzeugender.
  9. Erfolge feiern. Um sich Zeit auch für langwierige Verhandlungen zu schaffen, sind schnelle Teilerfolge am Anfang die beste Werbung.
  10. Ehrlichkeit. Globalisierung und Freihandel haben für manche auch negative Folgen. Statt Probleme zu ignorieren, müssen Lösungen für die Betroffenen gefunden werden. Andernfalls nutzen das nur die falschen Leute mit ihren falschen Lösungsvorschlägen.


Globalisierung findet statt. Sie lässt sich weder aufhalten noch zurückdrehen. Die Frage ist, wie wir Globalisierung gestalten wollen. Wenn wir wollen, dass sie weitgehend nach unseren Wertvorstellungen abläuft, müssen wir uns engagieren, müssen für unsere Ziele werben und dabei beharrlich, aber verständnisvoll mit unseren Partnern diskutieren und debattieren. Wir sollten selbstbewusst und stolz auf unsere europäischen Freihandelserfolge sein. Ob man mit denen heute vielleicht sogar Karl Marx vom Freihandel überzeugen könnte?

 

Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der INSM.