Der Flüchtlingsstrom nach Deutschland und die sofort zu regelnden Problemlagen sind aktuell das alles überstrahlende Thema. Dabei geht oft die Unterscheidung zwischen den Menschen, die unser Asyl brauchen, und der gezielten Einwanderung, die sich an den Bedürfnissen des Arbeitsmarktes orientiert, verloren. – Ein Standpunkt von INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr.
24. September 2015
Deutschland hilft. Noch ist nicht absehbar, wie viele Flüchtlinge in den kommenden Monaten und Jahren nach Deutschland kommen werden, aber schon jetzt ist klar, dass viele von ihnen länger bleiben wollen oder müssen. Dieser unerwartete Zustrom hat dazu geführt, dass sich die Debatte zur gezielten Einwanderung mit der Frage des Umgangs mit den Asylbewerbern mischt. Es handelt sich jedoch um zwei unterschiedliche Herausforderungen, die deshalb unterschiedlich angepackt und gelöst werden müssen. Bundespräsident Richard von Weizsäcker hatte es auf den Punkt gebracht: Asylrecht gilt für die, „die uns brauchen“.
Einwanderungsrecht gilt für die, „die wir brauchen“. Das Asylrecht ist ein universales Grundrecht. Ohne Wenn und Aber. Aus der humanitären Aufgabe, Asyl zu gewähren, leitet sich aber auch die gesellschaftliche Verantwortung ab, die Menschen, die bleiben, zu integrieren. Für deren erfolgreiche Integration ist entscheidend, dass wir ihnen Spracherwerb, Ausbildung und Arbeit ermöglichen. Und das möglichst früh. Andernfalls entstehen während des Asylverfahrens lange Unterbrechungen im Erwerbsleben oder im Bildungsweg der meist jungen Menschen. Das würde die Ankunft in unserer Gesellschaft unnötig verzögern und die Integration in den Arbeitsmarkt erschweren.
Wichtig sind passgenaue Qualifizierungsangebote und die Möglichkeit, eine Erwerbstätigkeit aufzunehmen. Auch der Zugang zu Bildungsangeboten spielt eine bedeutende Rolle, da viele der jungen Flüchtlinge ihren Bildungsweg noch nicht abgeschlossen haben. Daher sollte eine mögliche Abschiebung grundsätzlich bis zum Abschluss der jeweiligen Ausbildungsphase ausgesetzt werden. Zudem sollte bereits nach drei Monaten auf eine Prüfung, ob auch ein geeigneter inländischer oder sonst bevorzugt berechtigter Bewerber für einen Job zur Verfügung steht (Vorrangprüfung), verzichtet werden.
Es gibt unter den Einwanderern auch viele, die keinen Anspruch auf Asyl haben. Sie kommen aus Ländern, in denen weder (Bürger-)Krieg herrscht noch politische Verfolgung droht. Diese Menschen kommen, weil sie sich in Deutschland eine bessere Zukunft erhoffen. Der Wunsch ist verständlich und nachvollziehbar, aber es ist auch selbstverständlich, dass Deutschland nicht alle Menschen aufnehmen kann, die sich das wünschen. Dies ist explizit keine Frage des Asyl-, sondern des Einwanderungsrechts. Unsere Gesellschaft muss für sich klären – um es mit Richard von Weizsäcker zu sagen –, „wen wir brauchen“.
Die Engpässe bei den Fachkräften in einzelnen Branchen, die wir heute bereits erleben, sind nur ein Vorgeschmack auf den bevorstehenden demografischen Wandel. Und man braucht nur mathematische Grundkenntnisse, um sich auszurechnen, wie stark Deutschlands Sozialsystem belastet werden wird, wenn wir nicht schleunigst etwas unternehmen. Unser Land braucht für eine Zukunft mit gesichertem Wohlstand gezielte Einwanderung von gut ausgebildeten Fachkräften, jungen Akademikern und lernwilligen Auszubildenden.
Einwanderung leistet bereits heute einen wichtigen Beitrag zur Sicherung von Fachkräften in Deutschland. Allerdings kamen in den vergangenen Jahren die meisten Einwanderer aus Ländern der Europäischen Union. Diese Länder sind, wie Deutschland, vom demografischen Wandel betroffen, so dass sich diese Entwicklung nicht langfristig fortsetzen lässt. Deshalb wird Deutschland in Zukunft auf Einwanderung aus demografisch stabilen Drittstaaten außerhalb der EU angewiesen sein. Dazu braucht es im Rahmen der regulären Erwerbs- und Bildungsmigration klar geregelte Zugangswege nach Deutschland. Deutschland hat für Akademiker mit Jobangebot sehr gute rechtliche Regelungen. Es fehlt ähnliches für die berufliche Bildung und vor allem für Personen ohne konkretes Jobangebot. Hier ist die Politik gefordert. Bei der Suche nach den richtigen Lösungen sind Bund, Länder und Kommunen gut beraten, sich an den Prinzipien der Sozialen Marktwirtschaft zu orientieren. Die nach Deutschland kommenden Einwanderer sind auch Einwanderer in die Soziale Marktwirtschaft. Diese bildet den Rahmen für Wachstum und Wohlstand und schafft so die Voraussetzungen für eine gelingende Integration.
Wir müssen jetzt allen helfen, die unser Asyl brauchen. Und wir müssen uns langfristig um die gezielte Einwanderung derjenigen kümmern, die wir brauchen, um Wachstum und Wohlstand zu sichern. Sie helfen uns mit, denen zu helfen, die uns brauchen.