Soziale Marktwirtschaft
Zum Gedenken an Otto Graf Lambsdorff

Ordnungspolitik „Jenseits von Angebot und Nachfrage“

 „Deutschland verliert mit Otto Graf Lambsdorff einen seiner profiliertesten Ordnungspolitiker, aber auch einen leidenschaftlichen Verfechter der Menschenrechte“. Mit diesen Worten würdigte der Vorstandsvorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung (FNSt), Wolfgang Gerhardt, das Leben und Wirken des am 5. Dezember 2009 in Bonn verstorbenen ehemaligen Bundeswirtschaftsministers. Lambsdorff, der 82 Jahre alt wurde, gehörte in den Jahren 1974 bis 1988 der Bundesregierung an. Nach dieser Zeit war er fünf Jahre Vorsitzender der FDP. Seit 2000 unterstützte Lambsdorff in vielfältiger Weise die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.

2. Dezember 2009

Hintergrund zum Wendepapier von 1982

Otto Graf Lambsdorff Der FDP-Ehrenvorsitzende Otto Graf Lambsdorff bei der Festveranstaltung anlässlich seines 80. Geburtstages am 29.01.2007 im Schloss Charlottenburg in Berlin.

In Erinnerung an das so genannte Wendepapier aus dem Jahre 1982 schrieb Horst Werner vom Liberalen Institut der FNSt: „Nur an der Oberfläche seiner „Vorwärtsstrategie zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ vom 9. September 1982 ging es Lambsdorff um Wirtschaftspolitik. Denn Lambsdorff, wie seine Mitarbeiter am Wendepapier, der spätere Bundesbankpräsident Tietmeyer und sein Staatssekretär Schlecht, ist Ordnungspolitiker. Mit Wilhelm Röpke und den anderen neoliberalen Vätern der Sozialen Marktwirtschaft geht es auch im Wendepapier um die Werte „Jenseits von Angebot und Nachfrage“, der Titel von Lambsdorffs Lieblingsbuch.“

Auch 27 Jahre nach der Veröffentlichung seines Konzeptes „für die Politik zur Überwindung der Wachstumsschwäche und zur Bekämpfung der Arbeitslosigkeit“ sind viele Themen und Herausforderungen noch immer aktuell: Damals wie heute steht Deutschland vor dem Problemen einer ausufernden Staatsverschuldung. Lambsdorff hatte schon 1982 einen strukturellen Umbau der Sozialsysteme, den Abbau von Subventionen und eine Entlastung der mittleren Einkommensbezieher gefordert. 

Kurzvita von Otto Graf Lambsdorff

* 1929 in Aachen

1972 - 1998 Mitglied des Bundestages
1977 - 1984 Bundesminister für Wirtschaft
1977 - 1979 und
1995 - 2006 Vorstandsvorsitzender der Friedrich-Naumann-Stiftung
1988 - 1993 Bundesvorsitzender der FDP
1991 - 1994 Präsident der Liberalen Internationale
1999 - 2001 Bundesbeauftragter des Bundeskanzlers für die Stiftungsinitiative deutscher Unternehmer zur Entschädigung ehemaliger NS-Zwangsarbeiter

† 5. Dezember 2009 in Bonn  

Zitate von Otto Graf Lambsdorff

Zur Staatsverschuldung (2.11.2009): Der Staat hat nicht das Recht, anders als seine Bürger zu wirtschaften. Es ist seine Pflicht als Sachverwalter des Allgemeinwohls, bei einer Krise auch Ausgaben zu senken. Sonst wirtschaftet er nicht für die Bürger, sondern gegen sie.

Zur Krisentauglichkeit der Marktwirtschaft (23.2.2009): Die soziale Marktwirtschaft ist ein Konzept gegen die Krise, sie ist aus einer solchen erwachsen. Sie ist kein Schönwettermodell, wie viele Apologeten des Staatsinterventionismus behaupten. Das Gegenteil ist der Fall: Nur mit Respekt sowohl vor dem freien Markt und dem freien Unternehmertum als auch vor dem staatlichen Gebot des sozialen Ausgleichs lässt sich erfolgreich Wirtschaftspolitik betreiben.

Zur Gier (1.12.2008): Individuelles Zockertum ist jedem unbenommen, aber es darf nicht sein, dass der Staat diesen Zockern bei Verlusten unter die Arme greift: Der Markt kann Gier belohnen, der Staat darf es nicht.

Zum Freihandel (26.5.2004): Sieht man sich in historischer Perspektive die Gesamtbilanz derer an, die jedes Mal prophezeiten, dass Handelsliberalisierungen die Armen noch mehr verarmen ließen, so findet man schnell ein Massengrab falscher Vorhersagen. Tatsächlich war der klassische Liberalismus, unter dem der Freihandel so blühte, die erfolgreichste wirtschaftspolitische Strategie der Weltgeschichte. Im 19. Jahrhundert hat sie dem Gespenst der Hungersnöte in Europa ein Ende bereitet. Der Freihandel war nicht Ursache, sondern die Antwort auf das Elend.

Zur Globalisierung (6.7.2002): Die Globalisierung ist kein Nullsummenspiel. Sie ist auch keine anonyme Gesetzmäßigkeit. Globalisierung schafft Wissen. Globalisierung schafft Arbeitsplätze. Globalisierung führt zu mehr individueller Freiheit. Globalisierung schafft größere Wahlmöglichkeiten für den Verbraucher. Globalisierung fördert das gegenseitige Verstehen über politische und geografische Grenzen hinweg.

Zur Gerechtigkeit (18.9.1999): Soziale Gerechtigkeit lässt sich nicht an der Höhe der öffentlichen Ausgaben messen. Unsozial sind öffentliche Verschwendung, das Setzen von Fehlanreizen und Leistungsversprechen zulasten unbeteiligter Dritter. Sozial gerecht ist es vielmehr, das Vertrauen in die Mündigkeit und Selbstverantwortungsfähigkeit des Menschen mit der Bereitschaft zu solidarischer Hilfe bei Bedürftigkeit und unverschuldeter Notlage zu verknüpfen.

Zur Rolle des Staates (18.11.1998): Um keine Missverständnisse aufkommen zu lassen: Liberale wollen nicht den schwachen Staat. Es geht um den handlungs- und durchsetzungsfähigen Staat. Dies gilt insbesondere für die Durchsetzung des Rechts. Die soziale Marktwirtschaft funktioniert nur, wenn Eigentum geschützt und Verträge eingehalten werden.