Dieter Lenzen im Rheinischen Merkur: Man könnte diese schon lange Defizitliste fortführen, klar wird aber auch schon jetzt: Es bleibt nur sehr kurze Zeit, all diese Probleme zu beseitigen. Alles, was in den nächsten fünf bis sieben Jahren nicht verändert wird, ist für die Situation im Jahr 2020 verloren. Was tun?
31. Mai 2006
Mit der Prognos AG und 80 Experten habe ich im Auftrag der Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft mit "Bildung neu denken. Das Zukunftsprojekt" einen Maßnahmenplan erarbeitet, der folgende dringende Empfehlungen enthält:
Wir brauchen einen flexibleren Um- und Aufstieg in unserem Bildungssystem. Das geht durch eine Modularisierung von Bildungsinhalten, die bedarfsgerechtes Lernen ermöglichen, statt Lebensläufe ein für alle Mal festzulegen. Ein System vieler kleiner Abschlüsse tritt so anstelle des einen großen Abschlusses, der womöglich in Zukunft am Arbeitsmarkt nicht mehr gefragt ist.
Kinder müssen mit dem Lernen früher anfangen - am besten schon ab vier Jahren. In der Neuropsychologie ist es inzwischen unumstritten, dass es zwei große Lernfenster gibt. Das eine schließt sich etwa mit fünfeinhalb Lebensjahren, das andere liegt in der Pubertät. Wenn wir diese frühen Entwicklungssprünge optimal nutzen, kann ein Kind die Schulzeit sehr viel schneller durchlaufen als eines, das wir vielleicht erst mit fünf oder sechs Jahren einschulen, wenn diese erste optimale Lernphase schon fast vorüber ist. Da sich Kinder aber unterschiedlich schnell entwickeln, müssen wir auch zu altersheterogenen Gruppen kommen, in denen gemeinsam gelernt wird.
Vor allem aber brauchen wir in diesem Land ein Umdenken, müssen begreifen, dass der Staat allein die Bildungslücke nicht schließen können wird. Jeder ist aufgerufen, selbst in die eigene Bildung zu investieren - als Bestandteil der eigenen Daseinsvorsorge. Frei nach Kennedys Motto: Frage nicht, was der Staat für dich tun kann, sondern...
Der Erziehungswissenschaftler Professor Dr. Dieter Lenzen ist Präsident der Freien Universität Berlin.