Bildung
Bildung

Brain Drain stoppen - Brain Gain forcieren

Die Statements von Dieter Lenzen und Detlef Müller-Böling.

31. Mai 2006

Statement von Prof. Dr. Dieter Lenzen, FU Berlin: "Das Segment der Leistungselite ist zu klein"

"Meine besondere Sorge gilt dem in Deutschland zu kleinen Segment der Leistungselite. Das bezieht sich nicht nur auf Professorinnen und Professoren. Begabte Leistungselite gibt es auch in den Unternehmen. Diese Elite ist geschrumpft im Laufe der Zeit.

Das beginnt bei den Abiturientenzahlen bis zu den Zahlen erfolgreicher Hochschulabsolventen. Umgekehrt gibt es einen zu großen Anteil leistungsschwacher - also nicht ausbildungsfähiger - Bildungsteilnehmer. Deren Anteil beträgt in Deutschland rund 20 Prozent, der OECD-Schnitt liegt bei nur 5 Prozent. Dazu kommen 25 Prozent sekundärer Analphabeten. Das ist die Basis auf der wir operieren müssen, um eine Leistungselite herauszuarbeiten.

Ich glaube, wir haben die Chance ein Re-Gaining zu betreiben, wenn man strategisch geschickt vorgeht. Was ich in letzter Zeit bei den Berufungen an meiner Universität beobachte, ist, dass es durchaus gelingt exzellente Kolleginnen und Kollegen zurück zu gewinnen. Allerdings bewegen diese sich in dem Alterssegment zwischen 40 und 50 Jahren. Das heißt, junge Kollegen, die mit 30 Jahren das deutsche System verlassen haben, sind nach zehn bis zwanzig Jahren durchaus bereit zurückzukommen. Die Motivlage ist dabei ganz unterschiedlich, Fakt ist aber, dass sie die kreativste Zeit woanders verbringen."

Statement von Prof. Dr. Detlef Müller-Böling, CHE: "Proaktivere Berufungsverfahren sind Erfolgsfaktoren für Spitzenuniversitäten"

Wir müssen sehr viel zielgerichteter als bisher wissenschaftliche Karrieren fördern. Die Juniorprofessur sollte konsequent eingeführt, die Habilitation entweder ganz abgeschafft oder weiterentwickelt werden. Die Personalstrukturen an den Hochschulen müssen differenziert werden: Nicht mehr nur Professur oder Juniorprofessur sollte es geben, sondern auch Lecturer und ähnliche Positionen. Dadurch können wir die Lehre intensivieren und alternative Karrierewege einführen.

Wichtig ist auch eine Reform der Berufungsverfahren, deren Prozesse wettbewerblich, schneller, fair und proaktiv gestaltet werden müssen. Proaktivere Berufungsverfahren sind ein wesentlicher Punkt: Nicht nur darauf warten, was kommt, sondern danach suchen, was man auf einer Position braucht. Das sind Erfolgsfaktoren für Spitzenuniversitäten. Einschließlich anderer Faktoren wie dem Ausländerecht, usw.

Außerdem müssen die Potenziale von Frauen konsequent genutzt werden. Nach der leistungsorientierten Besoldung von Professuren sollte diese auch für andere Wissenschaftler gelten. Bedingung dafür ist ein Wissenschaftstarif. Und: Außeruniversitäre Forschung muss personell und organisatorisch stärker an- oder in die Universitäten eingebunden werden."