Im Hochschulbereich wächst Europa zusammen. 1999 beschlossen 48 Staaten den Bologna-Prozess, um ihr Hochschulsystem zu vereinheitlichen. Wichtigster Punkt in Deutschland war die Umstellung auf die internationalen Abschlüsse Bachelor und Master. Was hat uns der Bologna-Prozess insgesamt gebracht? Eine Bilanz in 10 Punkten.
27. Oktober 2015Publikation bestellen Faktensammlung herunterladenArgueliner Bologna Studie "Bildungsmonitor 2015"
Fakt 1: Die Zufriedenheit der Studierenden ist gestiegen
Fakt 2: Die Mobilität ist nicht gesunken
Fakt 3: Das Masterstudium ist ohne große Hürden möglich
Fakt 4: Die Bologna-Reform verlängert das Studium nicht
Fakt 5: Es gibt weniger Studienabbrecher
Fakt 6: Die Hochschulen sind durchlässiger geworden
Fakt 7: Die Arbeitgeber sind mit den Bachelorabsolventen zufrieden
Fakt 8: Die Bachelorabsolventen werden angemessen beschäftigt
Fakt 9: Der Bachelor ist häufig Karrieregrundlage
Fakt 10: Die Chancen auf lebenslanges Lernen sind gut
Quellenhinweis: alle Informationen sind der Studie „Bildungsmonitor 2015“ entnommen
Die meisten Studenten sind nach einer Umfrage der Arbeitsgruppe Hochschulforschung zufrieden: Rund 80 Prozent würden sich wieder für ein Studium und für ihr Fach entscheiden. Seit der Bologna-Reform ist die Zufriedenheit sogar gestiegen: 2001 sagten das erst 74 Prozent.
Zwar stimmte jeder zweite Student in der Umfrage zu, dass Leistung stark gefordert ist. Dabei bewerteten Bachelor- und Masterstudenten mit 43 und 45 Prozent den Leistungsanspruch aber deutlich geringer als Studenten anderer Abschlüsse wie Diplom und Staatsexamen: Hier fühlten sich 62 Prozent stark bis sehr stark beansprucht.
Fazit: Die Wahrnehmung, nach der Studenten unter höheren Belastungen leiden, ist kein spezielles Problem des Bologna-Systems, sondern unabhängig vom Studienabschluss und nur selten von Unzufriedenheit begleitet. Dennoch sollten Bedingungen wie die Betreuung der Studenten verbessert werden.
Auch nach der Bologna-Reform bleibt der Anteil studienbezogener Auslandsaufenthalte deutscher Studenten im Erststudium bis 2012 bei etwa 30 Prozent. Das europäische Bologna-Ziel erreicht Deutschland mühelos: 20 Prozent der Absolventen sollen bis 2020 einen studienbezogenen Auslandsaufenthalt von mindestens drei Monaten oder im Wert von 15 ECTS-Punkten vorweisen. In Deutschland können dies bereits 29 Prozent.
Die Zahl deutscher Teilnehmer am EU-Auslandsstudienprogramm Erasmus hat sich zwischen 1999 und 2013 mit 34.891 mehr als verdoppelt – der zweitbeste Wert unter den Erasmus-Ländern. 81 Prozent davon sind Bachelor- und Masterstudenten.
Fazit: Die Mobilität ist durch die Bologna-Reform nicht gesunken. Um sie weiter zu erhöhen, sollte die Anerkennung von Studienleistungen im Ausland verbessert werden. Handlungsbedarf besteht zudem bei der Finanzierung als größter Hürde für ein Auslandsstudium.
82 Prozent der Masterstudienanfänger nahmen ihr Studium laut dem HIS-Institut für Hochschulforschung im Wintersemester 2011/2012 innerhalb von fünf Monaten nach Abschluss des Erststudiums auf. 9 Prozent starteten innerhalb eines Jahres, weitere 9 Prozent noch später.
Zu hohe Zugangsvoraussetzungen für einen Masterplatz waren für nur 6 Prozent der Grund für die spätere Aufnahme. Häufiger war der Wunsch, Praxiserfahrung zu sammeln (25 Prozent). Auch unter den Bachelorabsolventen, die kein Masterstudium begannen, gaben nur 19 Prozent der Universitätsstudenten (Fachhochschule: 14 Prozent) Zugangshürden als Grund an.
Fazit: Die wenigsten Masterstudenten hatten Probleme beim Übergang. Die meisten konnten innerhalb weniger Monate beginnen und ihr Wunschfach an ihrer Wunschhochschule studieren. Offen ist aber, wie die stark gestiegene Zahl der Bachelorstudenten die Situation beeinflussen wird.
Nach der Bologna-Reform ist die mittlere Studiendauer in den Bachelorstudiengängen gesunken: Lag sie 2000 mit 8,2 Semestern noch deutlich über der Regelstudienzeit von etwa 6 Semestern, sank sie bis 2010 auf 6,5 Semester. Bis 2013 hat sie sich bei 7,1 Semestern eingependelt.
Im Vergleich zu Diplomstudenten studieren Masterstudenten an den Universitäten schneller: Die Absolventen des Jahrgangs 2012 brauchten nur 10,9 Semester. In den Diplomstudiengängen an den Universitäten lag die mittlere Studiendauer im gleichen Jahr bei 12,8 Prozent. An den Fachhochschulen ist die mittlere Gesamtstudiendauer in den Master- gegenüber den Diplomstudiengängen dagegen höher.
Fazit: Die Statistiken liefern keinen Beleg, dass die Bologna-Reform die Studiendauer verlängert. An den Universitäten ist der Master heute schneller erreicht als das Diplom vor der Reform. Auch die Bachelorstudenten liegen näher an der Regelstudienzeit.
Die Studienabbruchquote hat sich insgesamt zwischen 1999 und 2006 von 23 auf 21 Prozent verbessert. Unter den Bachelorstudenten lag sie 2006 bei 30 Prozent und sank bis 2012 auf 28 Prozent. Im gleichen Jahr brachen 27 Prozent der Diplom und Magisterstudenten an den Universitäten ab, an den Fachhochschulen 22 Prozent der Diplomstudenten.
Masterstudenten studierten deutlich häufiger bis zum Abschluss: An den Universitäten brachen 2012 nur 11 Prozent ab, an den Fachhochschulen 7 Prozent. In Naturwissenschaften und Mathematik verließen nur 5 Prozent die Uni vorher, an den Fachhochschulen 3 Prozent.
Fazit: Die Studienabbruchquote ist nach der Bologna-Reform nicht gestiegen. Allerdings zeigen die hohen Abbruchquoten der Bachelor Handlungsbedarf. Neben einer verbesserten Studienberatung sollten Anreize für Hochschulen und Studenten eingeführt werden, um erfolgreiche Studienabschlüsse zu fördern.
Die Kultusministerkonferenz beschloss mit der Bologna-Reform 2009 Regeln für einfachere Übergänge zwischen beruflicher und akademischer Bildung. So haben Meister oder vergleichbar beruflich Qualifizierte seitdem grundsätzlich freien Zugang zum Studium. Zwischen 2002 und 2013 stieg die Zahl der Studienanfänger ohne schulische Hochschulreife von 3.240 auf 13.215.
Die meisten dieser Studenten sind an Fernhochschulen oder Hochschulen mit einem gut ausgebauten E-Learning-System eingeschrieben. Fast 50 Prozent der Studienanfänger dieser Gruppe haben sich 2013 allein an der Fernuni Hagen immatrikuliert.
Fazit: Die Hochschulgesetzgebung und die Bedingungen an den Hochschulen haben in den vergangenen Jahren nach und nach den Übergang zwischen beruflicher und akademischer Bildung verbessert. An den Absolventenzahlen wird dies erst in Zukunft abzulesen sein.
Die Mehrheit der Unternehmen ist mit den Kompetenzen der Bachelorabsolventen zufrieden. In einer Umfrage aus dem Jahr 2010 bestätigten je nach Kriterium 65 bis 84 Prozent, dass Bachelorabsolventen die aus ihrer Sicht wichtigsten Fach-, Methoden- und Sozialkompetenzen mitbringen.
Bachelorabsolventen werden zudem genauso häufig und schnell eingestellt wie andere Absolventen: Daten aus dem Zeitraum 2009 bis 2014 zeigen, dass sie weder bei der Arbeitslosenquote zwischen 2 und 4 Prozent noch bei der Suchdauer von 2,4 bis 3,1 Monaten abweichen. Die Mehrheit erhielt laut IW-Personalpanel zwischen 30.000 und 40.00 Euro Einstiegsgehalt – Masterabsolventen bekamen trotz längerer Studienzeit maximal 10 Prozent mehr.
Fazit: Die Umfragen unter Arbeitgebern von Bachelorabsolventen lassen nicht auf Unzufriedenheit schließen. Im Gegenteil: Die geringe Arbeitslosenquote und das Niveau der Einstiegsgehälter zeigen, dass der Übergang in den Arbeitsmarkt gelingt.
Vor der Bologna-Reform fühlten sich mehr Hochschulabsolventen unter Wert beschäftigt als danach: So meinten 19,8 Prozent der 2004 im Sozio-ökonomischen Panel befragten Hochschulabsolventen, dass sie eine Tätigkeit ausüben, für die kein Hochschulabschluss erforderlich sei. Bis 2010 sank dieser Anteil leicht auf 18,9 Prozent.
Die Arbeitgeber trauen den Bachelor schon beim Berufseinstieg viel zu: 43 Prozent gaben 2014 an, ihnen die Gesamtverantwortung für ein Projekt zu geben, jeder siebte überließ ihnen Personalführung. Die Masterabsolventen erreichen die Projektleitung mit Personalführung in etwa jedem fünften Unternehmen.
Fazit: Die Einstiegspositionen von Bachelorabsolventen sind nicht unverhältnismäßig schlechter als die der Masterabsolventen. Doch auch wenn sich nach der Bologna-Reform weniger Absolventen unterwertig beschäftigt fühlen, sieht sich knapp ein Fünftel nach wie vor nicht adäquat eingesetzt.
Der Bachelorabschluss schafft eine gute Basis für einen Karrierestart. Mehr als 80 Prozent der Arbeitgeber gaben in Befragungen an, dass den Bachelorabsolventen Positionen vom Projektleiter bis zum Fachgebiets- und Abteilungsleiter offenstünden. Bei knapp zwei Dritteln waren Bachelorabsolventen 2014 Abteilungsleiter, 2010 waren es erst 40 Prozent.
Das Gehalt entwickelt sich mit der Karriere: Rund 28 Prozent zahlten den Bachelorabsolventen technischer Fachrichtungen 2014 ein Einstiegsgehalt von 40.000 Euro und mehr. Nach drei bis fünf Jahren Berufserfahrung zahlten genauso viele mehr als 50.000 Euro. Für Wirtschaftswissenschaftler gilt ein ähnlicher Verlauf.
Fazit: Die Daten zu Karrierepositionen und Gehaltsentwicklung zeigen, dass die Bachelorabsolventen in der privaten Wirtschaft gute Entwicklungschancen haben. Weitere Untersuchungen werden zeigen, wie ihre Karriereentwicklung im Vergleich zu der der Masterkollegen verläuft.
Unternehmen bieten Bachelorabsolventen mit internen und externen Kursen vielfältige Weiterbildungsmöglichkeiten an. Gleichzeitig ermöglicht fast die Hälfte der 2014 befragten Unternehmen eine individuelle Weiterbildung über Teilzeitmodelle. Rund 48 Prozent unterstützen ein berufsbegleitendes Masterstudium. Jährlich zahlen Unternehmen laut einer Studie rund 326 Millionen Euro für die akademische Weiterbildung ihrer Mitarbeiter.
An den Hochschulen sind aktuell 20 Prozent aller Master- und 15 Prozent aller Bachelorstudiengänge neben dem Beruf studierbar. 55 Prozent sind allerdings Teilzeitstudiengänge, in denen feste Seminarzeiten und Anwesenheitspflichten bestehen.
Fazit: Unternehmen unterstützen das lebenslange Lernen. Die Vereinbarkeit mit dem Beruf ist aber besonders an Hochschulen ausbaufähig: Ein Fernstudium oder eines für beruflich Qualifizierte ohne Hochschulreife ist bisher nur in wenigen Studiengängen möglich.