11 Fakten zu Hartz IV

Fördern und Fordern als Erfolgsrezept

Hartz IV hat dazu beigetragen, Deutschland vom Problem der Massenarbeitslosigkeit zu befreien. Dennoch häufen sich derzeit Vorschläge, Hartz IV abzuschaffen oder so zu verändern, dass von „Fördern und Fordern“ nicht mehr viel übrig bleibt. Unsere Faktensammlung versucht vor diesem Hintergrund die oftmals emotional geführte Hartz IV Debatte zu versachlichen.

6. Februar 2019

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Vor 15 Jahren waren in Deutschland mehr als vier Millionen Menschen arbeitslos – Tendenz steigend. Die Zeit für tiefgreifende Reformen war reif – und wurde genutzt. Als Vorlage für das Ende 2003 beschlossene Reformpaket der rot-grünen Bundesregierung dienten die Vorschläge einer Regierungskommission, deren Vorsitzender der damalige VW-Personalvorstand Peter Hartz war. Nach ihm wurden in Presse und Öffentlichkeit die einzelnen Maßnahmenpakete benannt und in der Reihenfolge ihrer Verabschiedung durchgezählt. Die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende ist heute daher besser bekannt als „Hartz IV“. Das Prinzip dabei heißt Fördern und Fordern: Arbeitslose werden bei der Arbeitsuche unterstützt, das Bemühen um Arbeit wird aber mit Nachdruck auch durch Sanktionieren eingefordert.

Derzeit häufen sich Vorschläge, Hartz IV abzuschaffen oder so zu verändern, dass von „Fördern und Fordern“ nicht mehr viel übrig bleibt. Dieses Prinzip aufzugeben, wäre aber grundfalsch. Hartz IV hat dazu beigetragen, Deutschland vom Problem der Massenarbeitslosigkeit zu befreien. Es funktioniert nicht zuletzt dank der Sanktionen, verringert die Arbeitslosigkeit und senkt damit das Armutsrisiko. Deshalb sollte Hartz IV entgegen den derzeit diskutierten Vorschlägen mit den Elementen „Fördern und Fordern“ beibehalten werden. Aber es gibt Reformbedarf: Arbeit muss sich stärker als bisher lohnen.

Sozial ist, was Arbeit schafft.

Im Januar 2005, als Hartz IV – die neue Grundsicherung für Arbeitsuchende – eingeführt wurde, sprangen die Arbeitslosenzahlen erstmals über die 5-Millionen-Marke. Doch das mit Hartz IV etablierte Prinzip des Förderns und Forderns begann relativ schnell zu wirken. Schon 2006 zählte Deutschland im Schnitt fast 400.000 Arbeitslose weniger als im Jahr zuvor. Gleichzeitig stieg die Zahl der Erwerbstätigen.

Wie nachhaltig die Reformen den Arbeitsmarkt ku- riert haben, zeigte sich auch 2009: Selbst die globale Finanz- und Wirtschaftskrise bremste den Aufschwung am hiesigen Arbeitsmarkt lediglich leicht aus. Im Jahr 2018 schließlich zählte Deutschland fast 45 Millionen Erwerbstätige – 5 Millionen mehr als 2005 – und es waren nicht einmal mehr halb so viele Menschen arbeitslos registriert wie damals.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2018

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Auch die Zahl der Langzeitarbeitslosen sinkt.

Selbst die Zahl der Langzeitarbeitslosen hat abgenommen. Als langzeitarbeitslos gilt, wer seit mehr als zwölf Monaten ununterbrochen arbeitslos ist. Das Problem daran: Je länger die Betroffenen nicht am Arbeitsleben teilhaben, umso schwerer wird es für sie, eine neue Stelle zu finden. Deshalb ist es nicht hoch genug einzuschätzen, dass Deutschland 2018 nur noch gut 800.000 Langzeitarbeitslose zählte – und damit halb so viele wie in den Jahren 2005 und 2006. Dennoch brauchen Langzeitarbeitslose besondere Aufmerksamkeit durch intensive Betreuung in den Jobcentern. Ihnen ist jedoch nicht damit geholfen, die mit dem Hartz-IV-Bezug verbundenen Pflichten aufzuweichen, sondern eher mit dem Gegenteil: Die individuelle Betreuung sollte intensiviert und zielgerichtete Weiterbildungen genutzt werden.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2018

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Die Jugendarbeitslosigkeit hat sich halbiert.

Auch junge Menschen profitieren von der guten Arbeitsmarktsituation. Anders als etwa in Südeuropa starten Jugendliche in Deutschland mit guten Berufsperspektiven in ihre Ausbildungs- und Studienzeit: Nirgendwo in Europa ist die Jugendarbeitslosigkeit so niedrig wie hierzulande.

Der Arbeitsmarkt sah für Jugendliche in Deutschland jedoch nicht immer so rosig aus. In den Jahren 2004 bis 2006 lag die hiesige Erwerbslosenquote der unter 25-Jährigen bei weit über 13 Prozent. An der positiven Entwicklung hatten die Hartz-Reformen einen großen Anteil. Ebenfalls dazu beigetragen hat die duale Berufsausbildung, die Nachwuchskräfte frühzeitig in Kontakt mit Arbeitgebern bringt.

Zum Schaubild:

*Erwerbslose nach Definition der International Labour Organization (ILO), die den internationalen Vergleich ermöglicht. Als erwerbslos gilt demnach, wer nicht erwerbstätig ist und aktiv nach Arbeit sucht, unabhängig von der Registrierung bei einer Arbeitslosenbehörde

** Länderauswahl einschließlich des besten und schlechtesten EU-Landes

Quelle: Eurostat, 2018

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Immer mehr Ältere arbeiten.

Ein Bestandteil der Hartz-Reformen war auch, dass sich arbeitslose über 58-Jährige nicht mehr aus der Arbeitsvermittlung in eine Art vorgezogenen Ruhestand abmelden können, sondern weiterhin ihre Mitwirkungspflichten bei der Arbeitsuche erfüllen müssen. Mit der Einführung dieser neuen Spielregeln war die große Sorge verbunden, dass sich Hartz-IV-Bezug im Alter zu einem Massenphänomen entwickeln könnte. Stattdessen ist der erhoffte Effekt eingetreten: Im Jahr 2017 waren 80 Prozent der 55- bis 59-Jährigen und fast 60 Prozent der 60- bis 64-Jährigen erwerbstätig – im Vergleich zur Situation 20 Jahre zuvor kommt das einem Quantensprung gleich. Auch ältere Arbeitskräfte werden auf dem Arbeitsmarkt gebraucht.

Zum Schaubild:

* Sozialversicherungspflichtig und geringfügig Beschäftigte, Beamte, Selbstständige sowie sonstige Erwerbstätige in Prozent der Bevölkerung im jeweiligen Alter

Quelle: Statistisches Bundesamt (Mikrozensus), 2018

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Hartz IV schafft sich ab.

Im Jahr 2017 lebten in Deutschland rund 6 Milli- onen Menschen von Hartz IV. Von den erwerbsfähigen Hartz-IV-Empfängern waren knapp 1,7 Millionen arbeitslos. Darüber hinaus erhielten 2,7 Millionen Menschen Hartz IV teils ergänzend zum Arbeitseinkommen oder, weil sie sich um Angehörige kümmerten, erkrankt waren, sich in einer Ausbildung oder Weiterbildungsmaßnahme befanden.

Die eigentlich gute Nachricht steckt jedoch im Trend: Seit 2007 hat sich die Zahl aller Hartz-IV-Empfänger um fast eine Million verringert. Die Zahl der Arbeitslosen unter ihnen ist in dieser Zeit sogar um fast ein Drittel zurückgegangen. Hartz IV ist somit ein durchschlagender arbeitsmarktpolitischer Erfolg.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2018

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Wer Arbeitslosigkeit bekämpft, bekämpft Armut.

Wie wahr die Logik „Sozial ist, was Arbeit schafft“ ist, zeigt ein Vergleich des Armutsrisikos nach Erwerbsformen. Niemand ist einem solch hohen Armutsrisiko ausgesetzt wie Arbeitslose: Fast zwei Drittel von ihnen mussten 2015 netto mit weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens auskommen. Selbst unter den geringfügig Beschäftigten ist der Anteil der Armutsgefährdeten deutlich niedriger, bei Teilzeit- und Vollzeitbeschäftigten sogar weit unterdurchschnittlich.

Und es gilt auch das Umgekehrte: Reformvorschläge, die „Fördern und Fordern“ aufweichen, schaden den Hilfebedürftigen. Denn wer den Druck mindern will, möglichst schnell eine neue Arbeit zu finden, würde unterm Strich das Armutsrisiko verschärfen und dem Kampf gegen die Bedürftigkeit schaden.

Zum Schaubild: *bedarfsgewichtet, also unter Berücksichtigung der Haushaltsgröße

Quellen: SOEP, 2015; Institut der Wirtschaft

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Die Reallöhne sind zuletzt kräftig gestiegen.

Oft heißt es, die Bedingungen, die an den Bezug der Grundsicherungsleistung geknüpft sind, zwängen Arbeitslose, jeden auch noch so schlecht bezahlten Job anzunehmen – und viele Unternehmen würden diese Situation ausnutzen, um den Lohn zu drücken. Doch die Zahlen sprechen eine andere Sprache: Zwar sind die realen Stundenlöhne von 2003 bis 2008 leicht gesunken. Aber dies geschah auch deshalb, weil die Tarifabschlüsse in Zeiten hoher Arbeitslosigkeit Augenmaß bewahrt haben. Die Lohnmäßigung bescherte dem Arbeitsmarkt im Zusammenspiel mit den Hartz-Reformen schließlich einen beispiellosen Aufschwung, in dessen Folge die Reallöhne seit 2008 kräftig zugelegt haben.

Schaubild: *Durchschnittliche Bruttostundenlöhne einschließlich Sonderzahlungen und Zuschlagen

Quellen: Statsitisches Bundesamt, Institut der deutschen Wirtschaft

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Aufstocken ist meist erst mit Kindern nötig.

Erwerbstätige, die trotz Arbeitseinkommen bedürf- tig sind, können mit Hartz IV aufstocken. Im März 2018 zählte Deutschland 1,1 Millionen solche Aufstockende. Diese Zahl ist seit Jahren rückläufig. Gleichwohl gilt sie Kritikern als Beleg dafür, dass Niedriglöhne weit verbreitet seien. Allerdings müssen Menschen meist nur deshalb aufstocken, weil sie eine Familie mitversorgen und nicht in Vollzeit arbeiten. So hatten zuletzt gut 360.000 Aufstockende lediglich einen Minijob. Von den rund 190.000 vollzeitbeschäftigten Hartz-IV-Empfängern wiederum bekommt das Gros deshalb zusätzliche Hilfe vom Staat, weil Kinder und Partner den Transferanspruch stark in die Höhe treiben. Alleinstehende Hartz-IV-Empfänger mit Vollzeitjob muss man dagegen suchen: Ihr Anteil an allen sozialversicherungspflichtig Vollzeitbeschäftigten liegt bei gerade einmal 0,2 Prozent.

Stand: März 2018

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2018

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Sanktionen sind berechtigt.

Sanktionen sind häufig Anlass für Kritik an Hartz IV, obwohl nur 3 Prozent der Hartz-IV-Empfänger sanktioniert werden. Sanktionen drohen, wenn ein Leistungsbezieher seine Mitwirkungsp ichten nicht erfüllt. Je nach Versäumnis werden die Regelleistungen bei der ersten Sanktion für drei Monate um 10 bis 30 Prozent gekürzt – bei unter 25-Jährigen können sie sogar ganz gestrichen werden. Das ist hart, aber es zeigt auch Wirkung: Nach Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung nehmen erstmals sanktionierte Jugendliche mehr als doppelt so häufig eine Stelle an wie nicht Sanktionierte. Nach der zweiten Sanktion sind es sogar zweieinhalbmal so viele. Vor dem Hintergrund, dass gut drei Viertel aller Sanktionen wegen verpasster Termine ausgesprochen werden, erscheinen die Sanktionen sogar doppelt sinnvoll.

Schaubild:

*bei Meldeversäumnissen wird das ALG II für drei Monate um 10 Prozent des Regelbedarfs gekürzt, bei Pflichtverletzungen wie der verweigerten Aufnahme einer Arbeit um mindestens 30 Prozent

**einschließlich verweigerte Ausbildung oder Maßnahme

Quelle: Bundesagntur für Arbeit, 2018

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Die Mehrheit findet Sanktionen richtig.

Der Sozialstaat fragt nicht danach, wer die Schuld an einer Notlage trägt. Wer seinen Lebensunterhalt nicht selbst bestreiten kann, erfährt in Deutschland die Solidarität der Gesellschaft. Hilfeempfänger stehen zugleich aber auch in der Pflicht, ihre Lebenssituation durch eigene Anstrengung zu verbessern – oder es zumindest zu versuchen. Die meisten Menschen empfinden diesen Grundsatz als gerecht und möchten, dass der Staat ein gewisses Maß an Eigenverantwortung durchsetzen kann, wie Befragungen immer wieder zeigen: Die Mehrheit lehnt demnach den Vorschlag von SPD- und Grünen-Politikern ab, künftig keine Hartz-IV-Sanktionen mehr zu verhängen.

Schaubild: *Repräsentative Befragung von 5.005 Personen im Zeitraum vom 30.11. bis zum 3.12.2018; Wortlaut der Frage: "Wie beurteilen Sie den Vorschlag, Hartz-IV-Empfängern bei Terminversäumnissen oder abgelehnten Jobangeboten keine Leistungen mehr zu kürzen?", Antwortmöglichkeiten:"negativ"; "unentschieden"; "positiv"

Quelle: Civey

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Die Hartz-IV-Reformvorschläge sind verfehlt.

Die meisten Ideen zur Reform von Hartz IV sind nicht richtig durchdacht. Den Anspruch individua- lisieren, also unabhängig von der Bedarfsgemeinschaft machen? Dann werden bald auch Wohlhabende unterstützt. Die Leistungen erhöhen? Für viele Geringqualifizierte würde sich das Arbeiten dann nicht mehr lohnen. Parallel den Mindestlohn weiter erhöhen? Dann werden Jobs für Geringqualifizierte gar nicht mehr angeboten. Hartz-IV-Empfängern mehr Vermögen zugestehen? Dann würden die erwerbstätigen Steuerzahler Menschen mit finanzieren, die auch für sich selbst einstehen könnten. Denn das Schonvermögen ist bereits heute angemessen. Eine vierköfige Familie etwa darf zwei Autos und ein 130-Quadratmeter-Eigenheim besitzen. Dazu kommen Riester-Verträge in unbegrenzter Höhe, sonstige Altersvorsorge und weitere liquide Mittel.

Schaubild: *bei vertraglich zulässiger Auszahlung ab 60 Jahren

Quelle: SGB II, § 12

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