Studien
Weniger Regulierung bei Bildung und Arbeit schafft 4,2 Millionen Arbeitsplätze bis 2016

Deregulierung

Je niedriger die gesamtstaatliche Regulierung, desto höher die Erwerbstätigenquote. Zu diesem Ergebnis kommt die umfassende Studie zur Deregulierung, die das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) exklusiv für die Initiative Neue Soziale Markwirtschaft (INSM) erstellte.

17. April 2006

Bundesagentur für Arbeit

Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), und Thomas Straubhaar, Direktor des Hamburgischen Weltwirtschafts-Instituts (HWWI), haben die Bundesregierung aufgefordert, mit einem verstärkten Regulierungsabbau eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt einzuleiten. "Würden wir die staatliche Bürokratie und Überregulierung auf ein skandinavisches Niveau reduzieren, könnten über vier Millionen neue Jobs entstehen", so die Professoren.

Dabei stützen sie sich auf die Ergebnisse eines heute veröffentlichten Länder-Vergleichs der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM). Die Studie weist nach, dass die Erwerbstätigenquote dort am höchsten ist, wo die gesamtstaatliche Regulierung niedrig gehalten wird. Beim Vergleich des Regulierungsniveaus in 28 Staaten belegt Deutschland beim Arbeitsmarkt den letzten, beim Bildungsmarkt den drittletzten Platz. Die Sieger des Ländervergleichs sind Neuseeland, die Vereinigten Staaten, das Vereinigte Königreich, Dänemark, Kanada und Finnland. Die Länder haben ihre Bildungs-, Arbeits-, Produkt- und Kapitalmärkte stark dereguliert und so Jobeffekte ausgelöst.

"Es ist nicht nur ärgerlich, es ist schon fast unverantwortlich, dass die Bundesregierung die Chancen, die mit weniger regulierten Märkten einhergehen, wie ein unmoralisches Angebot ablehnt", sagt Michael Hüther. "Über die Wohlstandseffekte hinaus schont Deregulierung die Nerven des Bundesfinanzministers. Anders als bei sonstigen Reformen entstehen für die öffentlichen Kassen keine zusätzlichen Kosten."

Mit einer Verringerung der staatlichen Eingriffe nach skandinavischem Vorbild könnten innerhalb von zehn bis 15 Jahren 4,2 Millionen neue Stellen geschaffen werden. Bei Reformen nach angelsächsischem Muster wären sogar 4,9 Millionen neue Jobs möglich. Die Maßnahmen würden nicht eins zu eins auf den Markt der Arbeitssuchenden durchschlagen, sondern holen vor allem auch erwerbsfähige Studenten, Hausfrauen, Schwarzarbeiter und ältere Menschen in Arbeit, die bisher in der so genannten stillen Reserve schlummern. Die errechneten zusätzlichen Jobs orientieren sich an den durchschnittlichen Beschäftigten- und Langzeitarbeitslosen-Quoten der Vergleichsstaaten.

In Finnland, Dänemark, Schweden und Norwegen führen vor allem die autonom funktionierenden Bildungssysteme bei festgesetzten Zielen zu besser ausgebildeten Arbeitnehmern, die früher in den Arbeitsmarkt eintreten und für neue Jobanforderungen im Laufe ihrer Karriere gewappnet sind. So trägt der Schuldirektor, der selbst entscheidet, welche Lehrer und Lerninhalte für seine Schüler die sinnvollsten sind, indirekt zu einer höheren Beschäftigtenquote bei. Referenzländer für das angelsächsische Modell sind Großbritannien, Irland, USA, Kanada, Australien und Neuseeland. Vorbildhaft sind zum Beispiel ein einfaches Steuerrecht mit nur drei Tarifen in Neuseeland, ein liberalisierter Kapitalmarkt nahezu ohne Staatseinfluss in Großbritannien, die Etablierung von betrieblichen Bündnissen zu Löhnen und Arbeitsbedingungen in Australien und ein automatisches Verfallsdatum für Gesetze zur Eindämmung von Bürokratie in den USA.

"Der Forderungskatalog an die deutschen Politiker besteht aus drei Punkten: mehr Autonomie in den Schulen, mehr Flexibilität bei Lohnfindung und Mitarbeiter-Allokation in den Betrieben und weniger lähmende Bürokratie", so Thomas Straubhaar.

Deutschlands Defizite werden an konkreten Beispielen deutlich. Bis ein Jung-unternehmer die Rechtsform GmbH gegründet hat, vergehen in Australien 2 Tage, in Dänemark 4, im Vereinigten Königreich 18 und in Deutschland 45 Tage. 99 Prozent aller schwedischen und niederländischen Schüler lernen an Schulen, in denen der Direktor entscheidet, ob und welche Lehrer eingestellt werden. In Deutschland liegt die Quote bei lediglich 17 Prozent.

Über die Arbeitsbedingungen im Betrieb verhandeln 86 Prozent der Beschäftigten in den USA und 75 Prozent der Beschäftigten in Neuseeland direkt mit ihrem Arbeitgeber. In Deutschland sind es nur 32 Prozent. Der größere Teil schließt sich übergeordneten Richtlinien an. 

Methodik der Regulierungs-Studie

Die vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln erstellte Studie speist sich aus rund 5.000 Einzeldaten aus über 20 internationalen Studien und ist damit der umfassendste Index seiner Art. Für die Bereiche Arbeitsmarkt, Bildung und Innovation, Kapitalmarkt, Produktmarkt und Good Governance werden über 100 Variablen verglichen, darunter beispielsweise staatliche Unternehmensbeteiligungen, Kontrollen des Kapitalverkehrs, Autonomie der Schulen, Ausmaß von Bürokratie oder Flexibilität der Gehaltsbestimmung. 

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