Studien
INSM-Merkelmeter

Eine Dauerstudie von Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft und WirtschaftsWoche

Was tut die Bundesregierung wirklich für mehr Wachstum und neue Arbeitsplätze? Die wissenschaftliche Politikanalyse der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) in Kooperation mit der WirtschaftsWoche wird seit der Bundestagswahl 2005 regelmäßig vom Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) erstellt.

8. Juli 2007

Merkelmeter

Die INSM und die WiWo lassen die Dauerstudie Merkelmeter seit dem Machtwechsel in Berlin 2005 durch das Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW) erstellen. Die Studie wird regelmäßig dann erneuert, wenn nennenswerte Fort- oder Rückschritte im Gesetzgebungsprozess zu beobachten sind.

Der Ausgangspunkt: Im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft hatten Wissenschaftler im Jahr 2005 Reformerfolge in den Ländern Schweden, Großbritannien und den Vereinigten Staaten untersucht. Das Ziel: Welche Lehren kann Deutschland aus diesen Best Practices ziehen, um seine Arbeitsmarktprobleme und die jahrelange Wachstumsschwäche zu überwinden. Die Wissenschaftler gingen noch einen Schritt weiter und erarbeiteten Zukunftsprognosen, wie sich die Bundesrepublik in den nächsten 20 Jahren entwickeln könnte, wenn sie die Reformmodelle dieser Länder übernehmen würde.

Der Wunschzettel: Basierend auf den Erkenntnissen, die die Ökonomen im Zuge ihrer Forschungen über die Erfolgswege im Ausland gewonnen hatten, leiteten sie einen Maßnahmenkatalog ab, den sie vor der Bundestagswahl veröffentlichten. Die Hoffnung: Diese wissenschaftlich fundierten Leitlinien, so die Hoffnung der INSM und der sie beratenden Ökonomen, würden bei konsequenter Umsetzung in dieser Legislaturperiode das jahresdurchschnittliche Wirtschaftswachstum um einen Prozentpunkt steigern. Und bis zum Herbst 2009 könnten eine Million Menschen eine neue Beschäftigung finden.

Die Wirklichkeit: Die vom Magazin WirtschaftsWoche und der INSM initiierte Untersuchung "Merkelmeter" ist als Dauerstudie ausgelegt und informiert seit dem Machtwechsel in regelmäßigen Abständen darüber, welche Aussichten aufgrund der aktuellen Entscheidungslage im politischen Berlin bestehen, dass Deutschland seine Wachstums- und Beschäftigungsprobleme überwinden kann. Das Merkelmeter misst auf einer Skala von 0 bis 100, wie weit die Bundesregierung auf dem Weg zu diesem prognostizierten Ziel gekommen ist.

Die Studie wird exklusiv im Magazin WirtschaftsWoche veröffentlicht. 

Informationen zum achten INSM-Merkelmeter, der Halbzeitbilanz der Großen Koalition

"Aufschwung für Deutschland - Gute Zeiten entschlossen nutzen". Unter dieses Motto stellte Bundeswirtschaftsminister Michael Glos Ende im Juli seine Regierungserklärung im Bundestag. Gute Zeiten erlebt Deutschland zurzeit in der Tat, sagt Professor Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW). Allerdings stellte er zur Präsentation des 8. Merkelmeters - einer vom IW Köln erstellten Analyse des Gesetzgebungsprozesses für die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und die WirtschaftsWoche - die Frage, welchen Anteil die Große Koalition am aktuellen Konjunkturhoch habe.

Professor Hüther: "Bei Amtsantritt im Herbst 2005 konnte die Große Koalition vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen Vorarbeiten ihrer rot-grünen Amtsvorgänger bauen. Unzweifelhaft haben die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 mit dazu beigetragen, dass mehr Menschen in Beschäftigung kommen. Diesen Kurs hat Schwarz-Rot bisher im Wesentlichen fortgeführt. Vor allem bei der Rente mit 67 haben Müntefering und Merkel aber auch mutig eigene Akzente gesetzt. Trotz aller Kritik im Detail ist auch die Unternehmenssteuerreform auf der Haben-Seite der Großen Koalition zu nennen. Denn dadurch wird Deutschland für nationale und internationale Investoren attraktiver. Beim Bürokratieabbau und mit der Föderalismusreform wurde ebenfalls Positives erreicht."

Schwarz-Rot könne den Aufschwung jedoch ganz sicher nicht für sich alleine reklamieren - einen großen Anteil am Aufschwung haben die Unternehmen, meint Hüther: "Deutschland lebt wirtschaftlich auf, weil sich die Weltmärkte seit Jahren sehr dynamisch entwickeln und weil unsere Unternehmen nach schmerzhaften Umstrukturierungen wettbewerbsfähiger geworden sind. Auch die moderaten Lohnabschlüsse der Gewerkschaften und Arbeitgeber haben in den letzten Jahren dazu beigetragen."

Deutliche Kritik vermeldet das Merkelmeter am Etatentwurf 2008 der Bundesregierung. "Finanzpolitisch agiert die Bundesregierung hier unambitioniert und verliert sich in undurchsichtigen Verschiebebahnhöfen", erklärt dazu INSM-Geschäftsführer Max A. Höfer. Beispiele dafür:

  • Die Bundesregierung will aus Mitteln der Arbeitslosenversicherung insgesamt 5 Milliarden Euro abzweigen, um die Eingliederungskosten für ALG II-Empfänger mitzufinanzieren. Ein Teil des Geldes soll auch Verwaltungskosten decken, die vom Bund zu tragen sind. Auf diese Weise verspielt die Bundesregierung die Chance, die Beiträge zur Arbeitslosenversicherung weiter zu senken. Das aber würde die Arbeitskosten senken und sich positiv auf das verfügbare Einkommen der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auswirken.
  • Das Merkelmeter bemängelt zudem, dass die Bundesregierung den Haushalt nicht entschlossen genug konsolidiert, wo sie doch angesichts sprudelnder Steuereinnahmen bereits 2008 die Chance dazu hätte. Zitat aus dem Gutachten: "Sogar unter Berücksichtigung der Einnahmeausfälle aus jetzt vom Bundesrat endgültig beschlossenen Unternehmenssteuerreform hätte das Bundesministerium der Finanzen im nächsten Jahr einen nahezu ausgeglichenen Haushalt vorlegen können."
  • Die mittelfristige Finanzplanung sieht zudem vor, dass der Anteil der Investitionen weiter zurückgeht. Bis 2011 soll der Investitionsanteil von derzeit 8,6 auf 8,2 Prozent der Bundesausgaben sinken. "Damit wird Zukunftskapital verspielt. Deutschland lebt letztlich weiter von der Substanz", kommentiert INSM-Geschäftsführer Höfer.

Insgesamt, so ergänzt IW-Direktor Hüther, zeige die jüngste Ausgabe der Dauerstudie Merkelmeter, "dass die Bundesregierung das reformpolitische Kapital zu verspielen droht, das sie in der ersten Halbzeit dieser Legislaturperiode aufgebaut hat." Große Gefahren für Beschäftigung und Wachstum gehen nach Auffassung Hüthers von zwei aktuellen Koalitionsbeschlüssen aus:

  • die geplante Einführung von Mindestlöhnen in Deutschland und
  • eine "Reform" der Pflegeversicherung, die die Zukunftsprobleme der Pflege in einer alternden Gesellschaft nicht löst.

Die Kritik zu diesen Beschlüssen im Einzelnen:

  • Mindestlöhne: Im Koalitionsausschuss haben Union und SPD sich auf die flächendeckende Einführung branchenspezifischer Mindestlöhne geeinigt. Dies wollen sie über die Ausweitung des Arbeitnehmer-Entsendegesetzes und die Aktualisierung des Mindestarbeitsbedingungsgesetzes erreichen. Das Entsendegesetz wurde 1996 von der Regierung Kohl eingeführt. Es sollte vor allem ausländische Unternehmen des Baugewerbes dazu bringen, sich an hiesige Tarifstandards zu halten. Nun sollen weitere Branchen einbezogen werden, die mindestens zur Hälfte tarifgebunden sind. Für die übrigen Wirtschaftszweige sollen Mindestlöhne über das Mindestarbeitsbedingungsgesetz ermöglicht werden. Dieses Gesetz gibt es bereits seit 1952; es wurde jedoch bisher nie angewendet. Unabhängig davon, auf welcher dieser beiden Gesetzesgrundlagen Mindestlöhne kommen werden: Sie werden Arbeitsplätze kosten, vor allem weil viele gering Qualifizierte für die Unternehmen nicht mehr bezahlbar sein werden. Zudem mischt sich der Staat massiv in die Lohnfindung ein und unterhöhlt damit die Tarifautonomie. Mehr Bürokratie ist eine weitere absehbare Folge.
  • Pflegereform: Zum 1. Juli 2008 will Schwarz-Rot eine Reform der sozialen Pflegeversicherung in Kraft treten lassen. Die Pflegesätze sollen dabei erhöht und die Leistungen auch auf Demente und Alzheimer-Kranke ausgeweitet werden. Dadurch sind massive Beitragssatzsteigerungen vorprogrammiert. Bereits zum 1. Juli 2008 soll der Beitrag um 0,25 Prozentpunkte auf 1,95 Prozent steigen. Hüther: "Die große Koalition pumpt mit dieser "Reform" lediglich mehr Geld in ein Umlagesystem, das aufgrund der gesellschaftlichen Alterung nicht zukunftsfähig ist. Zur erforderlichen Umstellung auf eine Kapital gedeckte Absicherung des Pflegerisikos fehlt ihr der Mut."

INSM-Geschäftsführer Max A. Höfer erklärt mit Blick auf die zweite schwarz-rote Halbzeit: "Die Bundesregierung darf im Konjunktur-Hoch nicht ins Reform-Tief abgleiten. Will sie den Optimismus erhalten, der das Land nach Jahren der Stagnation beflügelt, muss sie in den kommenden zwei Jahren entschlossen auf Offensivspiel setzen."

Alle Informationen zum aktuellen Merkelmeter finden Sie ab sofort auf www.insm-merkelmeter.de. Diese Webseite wurde komplett neu gestaltet, um, so Projektleiter Carsten Seim, "schnellstmöglichen und umfassenden Zugriff auf alle Informationen zu ermöglichen". So kann die im Auftrag von INSM und WirtschaftsWoche seit der Bundestagswahl erstellte Expertise des IW Köln ab sofort über Schlagworte und nach Aktualität hinterlegte Einzelgesetze erschlossen werden. Wer sich einen wissenschaftlich fundierten Überblick verschaffen will, welche Wachstums- und Beschäftigungsfolgen politische Entscheidungen in Berlin aus wissenschaftlicher Sicht haben, der findet auf www.insm-merkelmeter.de mit wenigen Mausklicks zum Ziel. 

Zusammenfassung des achten INSM-Merkelmeters, Sommer 2007, von Professor Dr. Michael Hüther

Aufschwung für Deutschland - Gute Zeiten entschlossen nutzen. Diesen Titel trug jüngst eine Regierungserklärung von Wirtschaftsminister Michael Glos. Den ersten Teil dieses Mottos möchte ich unterstreichen: In der Tat erlebt Deutschland einen Aufschwung wie seit Jahren nicht. Auch dem zweiten Teil des Regierungs-Mottos stimme ich zu. Nur nährt der Auftritt der großen Koalition vor allem in jüngster Zeit Zweifel daran, ob der Anspruch, "entschlossen" zu handeln, auch eingelöst wird. Das ergibt unsere aktuelle ökonomische Politik-Analyse, die wir mit dem achten Merkelmeter vorlegen.

Die jüngste Ausgabe der Dauerstudie Merkelmeter, die wir im Auftrag von WirtschaftsWoche und Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) seit der Bundestagswahl 2005 erstellen, legt offen, dass die Bundesregierung ihr reformpolitisches Kapital zu verspielen droht, das sie in der ersten Halbzeit dieser Legislaturperiode aufgebaut hat. Die größten Gefahren für Beschäftigung und Wachstum gehen von zwei aktuellen Koalitionsbeschlüssen aus.

Die wirtschaftlichen Kennziffern zur Halbzeit der Regierung Merkel-Müntefering sind insgesamt sehr positiv:

  • Die Beschäftigungslage bessert sich in einem Ausmaß, dass manche schon weniger als drei Millionen Arbeitslose für möglich halten.
  • Das gesamtstaatliche Defizit sinkt so deutlich, dass erstmals seit 1989 in naher Zukunft wieder ein ausgeglichener Staatshaushalt wahrscheinlich ist.
  • Jüngste Unternehmensbefragungen belegen, dass die Unternehmen in Deutschland an einen nachhaltigen Aufschwung glauben und mehr investieren wollen.
  • Weitere Untersuchungen zeigen auf, dass auch die Konsumenten aufgrund der besseren Beschäftigungslage zuversichtlicher sind und in Kauflaune geraten.

Bleibt die Frage: Welchen Anteil haben Merkel, Müntefering & Co. am aktuellen Aufschwung? Bei Amtsantritt im Herbst 2005 konnte die neue Koalition vor allem auf die arbeitsmarktpolitischen Vorarbeiten ihrer rot-grünen Amtsvorgänger bauen. Unzweifelhaft haben die Arbeitsmarktreformen der Agenda 2010 mit dazu beitragen, dass mehr Menschen in Beschäftigung kommen. Diesen Kurs hat Schwarz-Rot bisher im Wesentlichen fortgeführt. Vor allem bei der Rente mit 67 haben Müntefering und Merkel aber auch mutig eigene Akzente gesetzt. Trotz aller Kritik im Detail ist auch die Unternehmenssteuerreform auf der Haben-Seite der Großen Koalition zu nennen, durch die Deutschland für nationale und internationale Investoren attraktiver wird. Beim Bürokratieabbau und mit der Föderalismusreform wurde ebenfalls Positives erreicht. Auch die Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist zuletzt in Fahrt gekommen, wenn auch noch nicht in ausreichendem Maß.

Ganz sicher aber kann die Politik den Aufschwung nicht für sich alleine reklamieren. Es fragt sich sogar, ob sie dabei überhaupt federführend war. Deutschland lebt wirtschaftlich auf, weil sich die Weltmärkte seit Jahren sehr dynamisch entwickeln und weil unsere Unternehmen nach schmerzhaften Umstrukturierungen wettbewerbsfähiger geworden sind. Auch die moderaten Lohnabschlüsse der Gewerkschaften und Arbeitgeber haben in den letzten Jahren dazu beigetragen.

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Rückfragen

Carsten Seim, INSM
Tel: (0221) 4981-404
E-Mail: Seim@insm.de

Dr. Benjamin Scharnagel, IW Köln
Tel: (0221) 4981-787
E-Mail: scharnagel@iwkoeln.de

Konrad Handschuch, WirtschaftsWoche
Tel: (0211) 887-2118
E-Mail: k.handschuch@vhb.de