Regierungspolitik im Deutschland-Check
IW-Konjunkturindex

Eurozone: Die Zeichen stehen auf Rezession

Die Märkte sind weiterhin sehr nervös, ungünstige Meldungen über die konjunkturelle Entwicklung gewinnen mehr und mehr die Oberhand. Die Marktteilnehmer verlieren zunehmend das Vertrauen in die wirtschaftliche Entwicklung. Dies ist ein Ergebnis des IW-Konjunkturindex für August. Der Index wurde vom IW Köln entwickelt und bildet die aktuelle Entwicklung des Wirtschaftswachstums und des Arbeitsmarkts auf einen Blick ab.

23. August 2012

Diese Entwicklung signalisiert sehr deutlich der Economic Sentiment Indikator der Europäischen Kommission vom Juli. Dieser viel beachtete Stimmungsindex der Unternehmen und Konsumenten in der Eurozone ist im Juli auf seinen tiefsten Stand seit Herbst 2009 gefallen.

Zurzeit stehen die Zeichen für die Eurozone auf Rezession. Ob Industrie, Dienstleistungen oder Bauwirtschaft – Rückgänge in allen Bereichen. Das Verbrauchervertrauen war im Juli ebenfalls rückläufig.

Zwar schneidet Deutschland insgesamt noch deutlich besser ab als die anderen europäischen Länder, aber auch in Deutschland erleben wir zurzeit Stimmungseintrübungen auf breiter Front – einzig für den Einzelhandel weist der Economic Sentiment der EU-Kommission eine Stimmungsaufhellung im Juli gegenüber Juni auf.

Die nach wie vor ungelösten Schuldenprobleme in einigen Euroländern machen auch vor der Stimmung in Deutschland nicht halt. Obwohl die deutsche Wirtschaft auf den globalen Märkten sehr erfolgreich ist, darf doch nicht übersehen werden, dass immer noch rund 40 Prozent der deutschen Exporte in die Länder der Eurozone gehen und etwa 60 Prozent in die EU-27. Schwächere Entwicklungen in diesen Ländern lassen sich auf Dauer eben nicht vollständig durch Erfolge auf Drittmärkten kompensieren, zumal auch dort die Konjunktur zurzeit keineswegs rund läuft.

Allerdings läuft das Exportgeschäft der deutschen Unternehmen jüngsten Meldungen des Statistischen Bundesamtes zufolge noch befriedigend. Zwar sind die Ausfuhren saison- und kalenderbereinigt im Juni gegenüber dem Vormonat um 1,5 Prozent gesunken, liegen aber noch um 7,4 Prozent über dem Vorjahresergebnis. Im Jahresdurchschnitt wird allgemein noch ein Wachstum der Ausfuhren von 3 bis 4 Prozent erwartet.

Auch das jüngste KfW-ifo-Mittelstandsbarometer signalisiert Stimmungseintrübungen: Im Juli rutschte es unter seinen langfristigen Durchschnittswert. Aber immerhin hält sich die mittelständische Wirtschaft besser als die Großunternehmen, wo die Stimmung deutlich ausgeprägter in den Keller ging. Allerdings sollten diese Nachrichten nicht als Vorboten einer veritablen Rezession in Deutschland interpretiert werden. Die deutsche Volkswirtschaft wächst weiter, wenn auch mit geringerem Tempo als wir es noch im ersten Quartal verzeichnen konnten. Dort, wo Schatten ist, ist meistens auch etwas Licht.

Die globale Nachfrageschwäche hält die Rohstoffpreise unter Kontrolle, was die Kostenrechnung der Unternehmen entlastet. Und die Abwertung des Euros hilft den Unternehmen der Eurozone, ihre preisliche Wettbewerbsfähigkeit auf den Weltmärkten zu stärken. Zudem sind aufgrund des sehr niedrigen Zinsniveaus, die Finanzierungsbedingungen für die Unternehmen ausgesprochen attraktiv.

Aus verschiedenen Indikatoren wird der Arbeitsmarkt- und Wachstumsindex (Wie funktionieren die Indizes?) erstellt. Diese geben die Stimmung zwischen Hoffen und Bangen ebenfalls wieder. 

Konjunkturkurven

Der Arbeitsmarktindex konnte auch im Juli nicht wieder an alte Erfolgsverläufe anknüpfen und geriet erneut von zwei Seiten unter Druck. Im Einzelnen:

• Wie schon ist Vormonat ist die Zahl der Arbeitslosen saison- und kalenderbereinigt im Juli erneut um 7.000 auf nunmehr 2,882 Millionen Personen angestiegen. Damit hat sich die Arbeitslosigkeit seit dem vorläufigen Tiefststand im März vier Monate in Folge um insgesamt 32.000 Personen erhöht. Dies ist sicherlich noch kein Alarmsignal, aber die zunehmende Unsicherheit über die weitere konjunkturelle Entwicklung dämpft derzeit die Beschäftigungspläne der Unternehmen.

• Dies zeigt auch der zweite Indikator der gemeldeten offenen Stellen. Er hatte seinen Höchststand mit 506.000 Stellen im Januar dieses Jahres. Im Juli ist die Zahl der offenen Stellen saison- und arbeitstäglich bereinigt weiter um 7.000 Stellen auf 476.000 zurückgegangen. Das ist immer noch ein beachtliches Niveau, aber auch ihm fehlt zurzeit das Aufwärtspotenzial.

• Insgesamt büßte der Arbeitsmarktindex im Juli 0,9 Prozent seines Wertes ein. Er hat seinen Abwärtstrend somit verschärft. In den beiden Monaten zuvor hatte er 0,5 bzw. 0,6 Prozent seines Wertes verloren.

Arbeitsmarktindex

• Damit liegt der Arbeitsmarktindex im Juli nun schon ein deutliches Stück unterhalb des Vollbeschäftigungstrichters (siehe Grafik oben / Wie funktioniert der Vollbeschäftigungstrichter?). Derzeit reicht die wirtschaftliche Entwicklung nicht aus, um den Arbeitsmarkt wieder auf Vollbeschäftigungskurs zu bringen. Eine erneute Trendwende zum Besseren steht noch aus.

Wachstumsindex steigt

Die positiven Nachrichten bezüglich des Wachstumsindex kamen im Juli erneut von den Finanzmärkten, die beiden anderen Indikatoren wirkten sich hingegen belastend aus. Im Einzelnen:

• EZB-Präsident Mario Drahgi hat mit seiner markigen Ankündigung, die EZB werde alles Notwendige tun, um den Euro zu erhalten und der Bekräftigung „Und glauben Sie mir, es wird ausreichen“, im Juli an den Finanzmärkten den Hoffnungen auf eine Lösung der Euro-Krise Nahrung gegeben. Die klaren Worte des obersten europäischen Notenbankers haben ihre Wirkung nicht verfehlt. Der DAX-Performance-Index legte im Verlaufe des Monats Juli um 5,6 Prozent zu und übertraf damit den Anstieg im Vormonat von 2,4 Prozent deutlich.

• Nach der überraschenden Aufhellung der Lageeinschätzung im Juni, meldeten die Unternehmen dem Info-Institut im Juli eine deutliche Eintrübung. Der Ifo-Lage-Index büßte zwei Prozent gegenüber dem Vormonat ein. Der Rückgang beruht dabei in erster Linie auf einer starken Eintrübung der Geschäftslage im Verarbeitenden Gewerbe, während sowohl die Einzel- als auch die Großhändler von einer besseren Geschäftslage berichten. Nicht ganz einheitlich ist das Bild auch bezüglich der Erwartungen: Während der Einzelhandel in den nächsten sechs Monaten eine Aufhellung seiner Geschäftstätigkeit erwartet, gehen sowohl die Unternehmen des Verarbeitenden Gewerbes als auch des Großhandels von einer Eintrübung aus.

• Die Industrieproduktion hat im Juni saison- und kalenderbereinigt ein Prozent gegenüber dem Vormonat eingebüßt. Besonders hart getroffen hat es mit einem Minus von 1,6 Prozent die Investitionsgüterindustrie. Aber auch die beiden anderen Hauptgruppen mussten Abstriche machen: Die Produktion von Vorleistungsgütern ging um 0,3 Prozent, die der Konsumgüterhersteller um 0,9 Prozent zurück. Im Juli dürfte sich der Rückgang der Industrieproduktion mit einem Minus von etwa ½ Prozent fortgesetzt haben.

• Insgesamt aber bleibt der Wachstumsindex wegen der günstigen Entwicklung an den Finanzmärkten im Juli auf Erholungskurs und stieg gegenüber dem Juni um 2 Prozent – und damit sogar schneller als noch im Juni.

Der Wachstums- und Arbeitsmarktindex sind Bestandteil des Deutschland-Checks, eine monatlich erscheinende Dauerstudie der INSM und der WirtschaftsWoche. Insgesamt besteht der Deutschland-Check aus drei Teilen: Die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung, einer Beurteilung neuer Gesetze und einer Umfrage unter Wirtschaftsexperten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.

Mehr zum Thema "Deutschland-Check"

Umfrage

Ökonomen gegen weitere Mietpreisregulierung

Die Einführung einer Deckelung von Mieten bei Neuverträgen ist der falsche Weg. Dadurch würden Investoren abgeschreckt und weniger Wohnraum entstehen. Zu diesem Ergebnis kommt eine Befragung von 91 Wirtschaftswissenschaftlern, die von der IW Consult, einer Tochtergesellschaft des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) und der...

14. Juni 2013
Umfrage

Bürger deutlich wirtschaftsfreundlicher als Politik

Unternehmenslenker halten die Bürgerinnen und Bürger ihrer Region für deutlich wirtschaftsfreundlicher als deren politische Repräsentanten. 46,7 Prozent der Befragten schätzen die Einstellung der Bevölkerung zur Wirtschaft positiv ein. Demgegenüber bewerten nur 27,8 Prozent der befragten Unternehmer die Wirtschaftsfreundlichkeit der regionalen Politik mit „Gut“ oder „Sehr gut“. Das ergab eine Umfrage unter...

19. April 2013
Umfrage

Ökonomen lehnen Vermögensteuer mehrheitlich ab

Die Wiedereinführung einer Vermögensteuer würde mehr schaden als helfen. Zudem würde eine Vermögensteuer nicht zur Haushaltskonsolidierung beitragen, dafür hohe Bürokratiekosten verursachen und Arbeitsplätze gefährden. Zu diesen Ergebnissen kommt eine Befragung von Wirtschaftswissenschaftlern, die von der IW Consult, einer Tochtergesellschaft des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), im Auftrag der...

22. Februar 2013
Experten-Check Vermögensteuer

"Es geht an die Substanz"

Einige Bundesländer wollen die 1997 ausgesetzte Vermögensteuer wieder einführen. Die Wissenschaftler des IW Köln warnen davor. Der Verwaltungsaufwand sei hoch, die Steuer verfassungsrechtlich problematisch und die Abgabenbelastung von Unternehmen und privaten Haushalten würde stark ansteigen. Die Experten vergeben 0 von 5 möglichen Sternen.

22. Februar 2013
Unternehmensumfrage

Arbeitgeber setzen gezielt auf 55+

Berlin – Unternehmen wollen im Jahr 2013 gezielt ältere Arbeitnehmer einstellen. Von den Betrieben, die im nächsten Jahr planen, neue Mitarbeiter einzustellen, suchen knapp zwei Drittel (63,7 Prozent) Personen zwischen 55 und 64 Jahren. Das ergab eine Umfrage unter Unternehmern, die von der IW Consult, einer Tochtergesellschaft des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), im Auftrag der Initiative Neue...

14. Dezember 2012
Politikbeurteilung von INSM und WiWo

Regierungspolitik im Deutschland-Check

Der „Deutschland-Check“ ist eine Dauerstudie im Auftrag der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (IMSM) und der WirtschaftsWoche (WiWo). Wissenschaftler des Instituts der Deutschen Wirtschaft (IW) Köln bewerten darin monatlich die Wirtschaftspolitik der Bundesregierung.

30. Oktober 2012