Regierungspolitik im Deutschland-Check
Deutschland-Check

Fiskalvertrag: Bund zahlt hohen Preis

Bund und Länder haben Ende Juni 2012 dem europäischen Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion zugestimmt. Damit tritt der sogenannte Fiskalvertrag zum 1.1.2013 in Kraft und entfaltet damit schon für das Haushaltsjahr 2014 verbindliche Wirkung. Wie bewerten die Wissenschaflter des IW-Köln die Bschlüsse?

20. Juli 2012

Was wurde beschlossen?

•Ab dem Haushaltjahr 2014 hat der Fiskalvertrag verbindliche Wirkung. Ab dann darf das gesamtstaatliche strukturelle Defizit maximal 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts betragen. Die Überwachung der Einhaltung dieser neuen Defizitobergrenze wird dem Stabilitätsrat obliegen, der aktuell bereits die Einhaltung der Schuldenbremse für Bund und Länder überwacht.

•Der Fiskalvertrag sieht im Falle einer Nichteinhaltung der Pflicht zur Umsetzung der Vertragsregelungen in verbindliches Landesrecht sowie bei Nichteinhaltung dieser Regeln Sanktionen in Form von Strafzahlungen vor. Der Gerichtshof der Europäischen Union kann im Fall der Vertragsverletzung ein Zwangsgeld in Höhe von maximal 0,1 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verhängen. Bund und Länder haben vereinbart, dass allein der Bund im Außenverhältnis haftet und etwaige Sanktionszahlungen zu übernehmen hat.

• Im Rahmen der Verhandlungen zwischen Bund und Ländern hat der Bund neben der Haftungsübernahme weitere Zusagen gemacht. Zum einen unterstützt er die Kommunen bei der sozialen Grundsicherung im Alter und dem Ausbau von Kindertagesplätzen finanziell. Zum anderen wollen Bund und Länder ab 2013 eine gemeinsame Kreditaufnahme ermöglichen.

3 Sterne vom IW Köln

Bewertung (3 von 5 Sternen) und Begründung

• Die Festlegung verbindlicher Defizitobergrenzen für die EU-Länder, die den Fiskalvertrag unterzeichnet haben, ist ein wichtiges Signal nicht zuletzt an die Finanzmärkte, mit denen die Vertragspartner ihre Absicht, ihre Schuldenprobleme mittelfristig in den Griff bekommen zu wollen, in verbindliche Regeln gießen. Damit eine Entschärfung der Schuldenkrise gelingen kann, sind derartige verbindliche Regeln unabdingbar. Inwieweit diese tatsächlich durchgesetzt werden können, bleibt abzuwarten. Positiv ist in diesem Zusammenhang, dass für den Fall der Nichteinhaltung Sanktionen vorgesehen sind.

• Für Deutschland entfaltet der Fiskalvertrag gegenüber der ohnehin für Bund und Länder geltenden grundgesetzlichen Schuldenbremse insofern zusätzliche Wirkung, als dass die Kommunen und Sozialversicherungen einbezogen werden. Faktisch wird so eine Regelungslücke der deutschen Schuldenbremse geschlossen, aufgrund derer bislang die Gefahr bestand, dass Länder einen Teil ihrer Schulden auf die Kommunen auslagern und so dem Regelungszugriff der Schuldenbremse entziehen. Vor diesem Hintergrund ist es nachvollziehbar, dass der Bund den Kommunen Unterstützung bei der Bewältigung ihrer Schuldenprobleme zugesagt hat.

• Der europäische Fiskalvertrag wird aller Voraussicht nach keine längere Übergangsfrist für Deutschland vorsehen als ein Jahr und damit ab 2014 die Defizitobergrenze von 0,5 Prozent des Bruttoinlandsprodukts verbindlich für alle föderalen Ebenen vorschreiben. Dagegen räumen die Übergangsregelungen der deutschen Schuldenbremse dem Bund bis 2016 und den Ländern 2020 Zeit ein, die jeweiligen Defizitobergrenzen einzuhalten. Hinzu kommt, dass nur für den Bund ein gleichmäßiger Defizitabbaupfad vorgesehen ist, während die Länder erst in 2020 ihre Konsolidierungsziele umgesetzt haben müssen. Durch die Alleinhaftung des Bundes für etwaige Sanktionszahlungen, die dann nötig werden, wenn das gesamtstaatliche strukturelle Defizit die Maximalgrenze überschreitet, entziehen sich die Länder komplett aus der Verantwortung. Die Zustimmung der Länder ist also teuer erkauft, denn faktisch erwachsen den Ländern keinerlei Verpflichtungen, die über die ohnehin notwendige Einhaltung der Schuldenbremse hinausgehen.

• Schließlich haben Bund und Länder vereinbart, dass gemeinsame Anleihen im sogenannten Huckepackverfahren emittiert werden sollen. Unklarheit besteht jedoch über die Haftungsregeln. Während der Bund davon ausgeht, dass es keine Gesamtschuldnerhaftung geben wird, sondern die Länder Emissionen des Bundes lediglich aufstocken können, gehen einige Länder offenbar davon aus, dass hier eine Art Deutschland-Bonds mit gemeinschaftlicher Haftung geschaffen werden. Letzteres wäre ein fatales Signal – nicht zuletzt für die deutsche Haltung zu Euro-Bonds. Bei gemeinschaftlicher Haftung würden die Anreize für die Bundesländer, ihre eigenen Haushalte defizitfrei zu gestalten, weiter sinken.

• Bei der Bewertung der Zustimmung von Bundestag und Bundesrat zum europäischen Fiskalvertrag ist also zu differenzieren: Während grundsätzlich die Verabschiedung des europäischen Vertragswerks als zentraler Schritt zur Bewältigung der europäischen Schuldenkrise zu begrüßen ist, bestehen doch erhebliche Zweifel, ob der Preis für die Zustimmung der Länder angemessen war. Faktisch hat sich der Bund bereit erklärt, die alleinige Verantwortung für die Einhaltung des Fiskalvertrags zu übernehmen. Darüber hinaus hat er Ländern und Kommunen finanzielle Unterstützung zugesagt, die den Bundeshaushalt belasten und damit die eigenen Konsolidierungsziele des Bundes gefährden können.

Der Gesetzescheck ist Bestandteil des Deutschland-Checks, eine monatlich erscheinende Dauerstudie der INSM und der WirtschaftsWoche. Insgesamt besteht der Deutschland-Check aus drei Teilen: Die Entwicklung von Wachstum und Beschäftigung, einer Beurteilung neuer Gesetze und einer Umfrage unter Wirtschaftsexperten, Arbeitnehmern und Arbeitgebern.