Regierungspolitik im Deutschland-Check

Deutschland-Check September 2011

Im Deutschland Check September 2011 von INSM und WiWo bewerten Wissenschaftler des IW Köln die 8. Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen und die Liberalisierung des Busverkehrs. In einer Umfrage durch die IW-Consult wurden Arbeitnehmer nach ihrer Meinung zu einer möglichen Zusammenlegung von Haupt- und Realschule befragt.

24. September 2011

Wirtschaftsentwicklung: Enttäuschung im 2. Vierteljahr 2011

Nach einem fulminanten Start ins Konjunktur-Jahr 2011 im ersten Quartal, in dem das reale Bruttoinlandsprodukt saison- und kalenderbereinigt um stolze 1,3 Prozent gegenüber dem vierten Quartal 2010 zulegte, meldete das Statistische Bundesamt für das zweite Quartal nur noch einen minimalen Zuwachs von 0,1 Prozent. Die deutsche Volkswirtschaft ist somit von April bis Juni dieses Jahres quasi auf der Stelle getreten, von Aufwärts-Dynamik keine Spur mehr. Zwar stieg der Export durchaus kräftig mit einem Plus von 2,3 Prozent, aber noch stärker stiegen die Importe (+3,2 Prozent), so dass im Quartalvergleich im zweiten Quartal vom Außenbeitrag ein negativer Wachstumsbeitrag von 0,3 Prozentpunkten zu Buche schlug. Das Statistische Bundesamt verweist in seiner Pressemeldung darauf, dass zu diesem negativen Ergebnis der deutsche Atomausstieg spürbar beigetragen hat, denn Strom wurde kaum noch exportiert, aber musste verstärkt importiert werden. Diese Dämpfung der Wachstumsdynamik im zweiten Quartal durch den Atomausstieg bestätigt sich bei einem Blick in die Produktionsstatistik des Energiesektors: Im April und Mai ging die Energieproduktion saisonbereinigt gegenüber dem jeweiligen Vormonat um 4,4 bzw. 4,8 Prozent zurück. Ohne den überhasteten Atomausstieg und das Abschalten einiger Kernkraftwerke im März sähe die BIP-Entwicklung des zweiten Quartals erheblich besser aus. Allerdings scheint die Exportdynamik generell erkennbar gebremst: Im Juli sind deutschen Exporte schon den zweiten Monat in Folge saison- und kalenderbereinigt gesunken (-1,8 Prozent im Juli).

Enttäuschend verlief im zweiten Quartal auch die Entwicklung des privaten Konsums, der um 0,7 Prozent gegenüber dem ersten Quartal zurückging. Eigentlich hätte man angesichts der sehr guten Arbeitsmarktzahlen und kräftig steigender Einkommen einen deutlich positiven Impuls erwarten können. Aber angesichts ungelöster Verschuldungsprobleme in Europa und der andauernden Diskussion um den Euro sind die privaten Haushalte verunsichert und halten ihr Portemonnaie lieber geschlossen als ihr Geld in die Kaufhäuser zu tragen. Dass insgesamt noch ein mageres BIP-Plus von 0,1 Prozent resultierte liegt vor allem an der Investitionstätigkeit der Unternehmen; die Ausrüstungsinvestitionen legten gegenüber den Vorquartalen zwar etwas verhaltener, aber immer noch kräftig mit 1,7 Prozent gegenüber dem 1. Quartal zu.

Diese Entwicklung spiegelt sich im Wachstumsindex wider. Er ging im August nun schon den zweiten Monat in Folge zurück, und zwar diesmal kräftig. Erstaunlicherweise lässt sich der Arbeitsmarktindex davon bislang noch nicht beeindrucken, er setzte auch im August seinen Aufwärtstrend fort.

Die August-Ergebnisse im Einzelnen:
Nun schon seit März 2010 tragen beiden Subindikatoren Monat für Monat zum Anstieg des Arbeitsmarktindex bei:

  • In den Urlaubsmonaten steigt die Arbeitslosigkeit üblicherweise an, so wie auch diesmal. Aber um Saison- und Kalendereffekte bereinigt ging die Zahl der Arbeitslosen im August um 8.000 Personen zurück und damit in etwa im selben Tempo wie in den letzten drei Monaten. Ermüdungserscheinungen sind trotz der Talfahrt der Börsen und zunehmender Konjunkturängste bislang nicht zu erkennen.
  • Die Firmen stellen weiter ein. Die sozialversicherungspflichtige Beschäftigung nimmt weiter zu und die Unternehmen melden weiterhin einen wachsenden Bedarf. So ist die Zahl der gemeldeten offenen Stellen im August um saisonale Effekte bereinigt weiter auf 469.000 gestiegen. Das Plus fiel mit 5.000 sogar mehr als doppelt so stark aus wie in den drei Monaten zuvor.
  • Insgesamt stieg der Arbeitsmarktindex im August um 0,7 Prozent. Zuletzt war er im April dieses Jahres schneller angestiegen.
  • Damit bleibt der Arbeitsmarktindex erfreulicherweise auch im August im Vollbeschäftigungszielkorridor.

Der Wachstumsindex befand sich im August im freien Fall. Alle drei Teilindikatoren haben ein negatives Vorzeichen. Der Absturz wurde allerdings maßgeblich von den Börsenturbulenzen im August geprägt:

  • Die Börse kam im August nicht zur Ruhe. Kleinere Erholungsphasen wurden immer wieder schnell zunichte gemacht. Die Stimmung war von hoher Nervosität geprägt mit teils kräftigen Kursausschlägen. Im Verlaufe des August verlor der DAX-Performance-Index um 19,2 Prozent an Wert. Mit 5.784 Punkten lag der Index um 1.730 Punkte unter dem Höchststand vom April dieses Jahres.
  • Kräftig nachgegeben hat im August auch der Ifo-Lage-Index; er verlor gleich 2,7 Prozent, so viel wie schon lange nicht mehr. Er ist zwar immer noch auf einem sehr hohen Niveau, so dass die gemeldet Geschäftslage kein Grund zu großer Besorgnis darstellt. Aber er signalisiert, dass die sich die Wachstumsperspektiven eintrüben. Das Ifo-Institut meldet eine Eintrübung der Geschäftserwartungen auf breiter Front, am stärksten im Großhandel und Einzelhandel.
  • Die Industrieproduktion hat im Juli einen fulminanten Zwischenspurt hingelegt, der weithin für Überraschung sorgte. Um stolze 4,5 Prozent legte sie saisonbereinigt zu. Hier dürfte sich die gute Entwicklung der Auftragseingänge der zurückliegenden Monate widerspiegeln. Das IW-Prognose-Modell signalisiert, dass sich diese sehr positive Entwicklung im August nicht fortgesetzt, sondern wieder ein Stück korrigiert hat. Allerdings bleibt abzuwarten, ob die Produktionsdaten für den Juli Bestand haben oder doch noch vom Statistischen Bundesamt korrigiert werden.
  • Insgesamt schießt der Wachstumsindex im August in den Keller. Er fällt mit 10,5 Prozent so stark wie nie in dem hier betrachteten Zeitraum. Der bisher stärkste Einbruch datierte mit jeweils 7,7 Prozent in den Monaten Januar und Oktober 2008. Was die weitere Entwicklung anlangt, hängt viel von der Politik ab: Sie muss endlich mit einem überzeugenden Konzept zur Lösung der Euro-Schuldenkrise die Verunsicherung aus dem Märkten herausnehmen und zur Stabilisierung der Erwartungen der Marktteilnehmer beitragen.

Ein Blick auf die fünf Einzelindikatoren zeigt Licht und Schatten. Durch den starken Anstieg der Industrieproduktion im Juli hat der Produktionsindex erstmals wieder das Vorkrisenniveau vom 1. Vierteljahr 2008 überschritten. Auch der zu erwartende leichte Rückgang im August ändert daran nichts. Der Produktionsindex bleibt knapp über der 100-Marke. Nach dem bisher eher mühsamen Heranrobben an die Benchmark war dies für Juli/August noch nicht zu erwarten. Die anderen Teilindikatoren hatten das Vorkrisenniveau ja schon bereits deutlich früher überschritten. Getrübt wird das Bild allerdings durch den DAX-Performance-Index. Er sackte durch den starken Einbruch im August wieder deutlich unter das Vorkrisen-Niveau. So bleibt festzuhalten, dass es noch in keinem Monat im Beobachtungszeitraum gelungen ist, alle fünf Indikatoren jenseits des Vorkrisenniveaus zu platzieren.

Was geplant ist:
Der Bundeswirtschaftsminister hat Anfang August die Eckpunkte für die achte Novellierung des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), des so genannten Grundgesetzes der Marktwirtschaft, vorgestellt. Die Eckpunkte enthalten unter anderem die folgenden Punkte:

  • Unterschiede zwischen der deutschen und der europäischen Fusionskontrolle sollen weiter verringert werden. Insbesondere soll das Untersagungskriterium, das im GWB die Begründung oder Verstärkung einer marktbeherrschen Stellung ist (Marktbeherrschungstest), durch den sogenannten SIEC-Test (Significant Impediment of Effective Competition) abgelöst werden.
  • Als Reaktion auf missbräuchliches Verhalten marktbeherrschender Unternehmen können die Kartellbehörden künftig strukturelle Maßnahmen ergreifen, die bis zu Entflechtungsmaßnahmen gehen können. Damit wird das GWB ebenfalls an europäische Rechtsvorschriften angepasst.
  • Das im GWB enthaltene Verbot auch des nur gelegentlichen Verkaufs von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis soll auslaufen.
    • Befristete Preis- und Kostenkontrollen in der Energiewirtschaft sollen dagegen verlängert werden.
  • Verbraucherschutzorganisationen soll die private Kartellrechtsdurchsetzung ermöglicht werden, indem sie ein Klagerecht bei Masse- und Streuschäden erhalten, also bei Schäden, die für den einzelnen Geschädigten so gering sind, dass sich eine individuelle Klage gegen das Kartell nicht lohnt. Allerdings soll es keine Sammelklagen geben. Auch Verbände der Marktgegenseite sollen klagebefugt werden.
    Die Novelle soll zum 1. Januar 2013 in Kraft treten.

Bewertung durch das IW Köln: Drei von fünf Sternen

Begründung:

  • Die weitere Annäherung der Vorschriften des GWB an die wettbewerbsrechtlichen EU-Vorgaben ist grundsätzlich positiv zu beurteilen, da unterschiedliche Rechtsvorschriften mit zusätzlichem bürokratischen Aufwand verbunden sein können. Es entstehen Mehrkosten, wenn Unternehmen ihre Zusammenschlussvorhaben je nach Jurisdiktion nach unterschiedlichen Vorschriften anmelden müssen. Nach Aussage von Kartelljuristen gibt es weltweit schon mehr als 100 Fusionskontrollregimes.
  • Besonders positiv hervorzuheben ist, dass das vorliegende Eckpunktepapier die ursprünglichen Pläne einer missbrauchsunabhängigen Entflechtung nicht aufgreift. Die Vorschläge hatten vorgesehen, unter bestimmten Bedingungen gegenüber marktbeherrschenden Unternehmen eigentumsrechtliche Entflechtungsmaßnahmen zu ergreifen. Unbeschadet grundrechtlicher Zweifel an der Zulässigkeit eines solchen Vorgehens, wären davon negative Wirkungen auf die Innovations- und Investitionstätigkeit der Unternehmen und damit dämpfende Einflüsse auf das Wirtschaftswachstum zu erwarten gewesen.
  • Mit der geplanten Novelle des GWB soll künftig nur im Falle eines nachgewiesenen kartellrechtlichen Verstoßes die Kartellbehörde die Möglichkeit erhalten, gegenüber einem Unternehmen strukturelle Maßnahmen in die Unternehmenssubstanz bis hin zur Entflechtung zu ergreifen. Bislang sah das GWB bei einem kartellrechtlichen Verstoß nur verhaltensorientierte Abhilfemaßnahmen gegenüber einem Unternehmen vor, das gegen Kartellrecht verstoßen hatte.
  • Positiv zu erwähnen ist außerdem die geplante Lockerung des Verbots von Verkäufen unter Einstandspreisen. Seit 2008 verbietet das GWB marktmächtigen Unternehmen auch den nur gelegentlichen Verkauf von Lebensmitteln unter dem Einstandspreis. Dieser ordnungspolitisch bedenkliche Eingriff in die Preisgestaltungsautonomie der Unternehmen soll bis Ende 2012 auslaufen.
  • Mit einem Fragezeichen muss dagegen der mit der Novelle geplante Übergang vom Marktbeherrschungs-Test zum SIEC-Test versehen werden. Die Novelle folgt dabei dem vor allem auf EU-Ebene entwickelten und implementierten Ansatz des sogenannten more economic approach der Wettbewerbspolitik. Danach sollen neben der Marktbeherrschung, die recht gut mit Hilfe von Marktstrukturkriterien ermittelt werden kann, stärker die ökonomischen Wirkungen des konkreten Zusammenschlussvorhabens berücksichtigt werden. Überdies lassen sich Fallkonstellationen zeigen, wonach der Marktbeherrschungstest negative Wirkungen der Fusion auf den Wettbewerb nicht erfassen würde, es käme dann zum sogenannten under enforcement. Dagegen ist zum einen einzuwenden, dass der SIEC-Test das Fusionskontrollverfahren komplizieren dürfte. Außerdem dürfen eventuelle Gerichtsverfahren gegen eine Kartellamtsentscheidung tendenziell verlängert werden. Zum anderen ist die empirische Bedeutung der erwähnten Fallgestaltungen zweifelhaft. Dem Vernehmen nach hat es in der EU zudem noch keinen Fall gegeben, in dem der SIEC-Test zu einem Fusionsverbot geführt hat. Es spricht daher einiges dafür, im Geltungsbereich des GWB zunächst beim Marktbeherrschungstest zu bleiben.
  • Die Beteiligung der Verbraucherschutzorganisationen an einer privaten Kartellrechtsdurchsetzung ist ambivalent. Zum einen kann dies den Druck auf die Unternehmen verstärken, Verstöße gegen das Wettbewerbsrecht zu unterlassen. Zum anderen ist es grundsätzlich eine staatliche Aufgabe, gegen Wettbewerbsbeschränkungen vorzugehen, denn ein funktionierender Wettbewerb wird von Ökonomen als öffentliches Gut betrachtet. Begrüßenswert ist jedenfalls, dass keine Sammelklagen eingeführt werden sollen. Hier besteht die Gefahr des Missbrauchs, weil mit Ihnen öffentlichkeitswirksam Druck auf ein Unternehmen erzeugt werden kann.
  • Eindeutig negativ ist das Urteil zur Verlängerung der verschärften Preismissbrauchsaufsicht im Energiesektor. Bereits vor der Einführung dieser Regelung in das GWB hatte die Monopolkommission das Vorhaben kritisiert. Problematisch ist zum einen, dass die Preismissbrauchsaufsicht im Energiebereich mit einer Beweislastumkehr zu Lasten der Unternehmen verbunden ist, zum andern sind die behördliche Kostenkontrolle und Gewinnmargenbeschränkung ordnungspolitisch bedenklich.

Was ist geplant?
Kernpunkte der Gesetzesänderung sind:

  • In den meisten Ländern der Erde ist der Fernbus ein integraler Bestandteil des Personenfernverkehrs. In Deutschland hingegen gibt es mit Ausnahme einiger Verbindungen nach Berlin keine Fernbuslinien. Der Grund hierfür ist, dass das aus dem Jahr 1934 stammende Personenbeförderungsgesetz die Genehmigung von Fernbuslinien weitgehend unmöglich macht, da es eine Konkurrenzschutzklausel zugunsten der Eisenbahn und bestehender Buslinien beinhaltet.
  • Mit der beschlossenen Novelle des Personenbeförderungsgesetzes sollen die bisherigen Beschränkungen weitgehend entfallen. Busunternehmer können Strecken wählen, auf denen sie einen Linienverkehr anbieten wollen alle Anträge im Fernverkehr werden grundsätzlich genehmigungsfähig. Der Busunternehmer kann künftig frei entscheiden, für welche Strecke im Linienverkehr er eine Genehmigung beantragen will. Alle Anträge sind prinzipiell genehmigungsfähig, wenn allgemeine Sicherheits- und Qualitätsstandards erfüllt werden. Damit entfällt der bestehende Konkurrenzschutz im Fernverkehr.
  • Zum Schutz des in der Regel mit Steuermitteln unterstützten ÖPNV gilt aber weiterhin eine Konkurrenzschutzklausel im künftigen Genehmigungsverfahren für Fernbuslinien. Die Beförderung von Personen im Fernbus zwischen zwei Haltstellen mit einem Abstand von bis zu 50 Kilometern ist nur dann zulässig, wenn kein ausreichendes Nahverkehrsangebot auf der Strecke besteht.
  • Auch im touristischen Verkehr mit Omnibussen entfallen bestehende Beschränkungen. So können künftig bei einer Ferienreise mit Hotelunterbringung auch Fahrgäste entlang der Fahrtstrecke aufgenommen werden, was bislang noch untersagt ist.

Das Gesetz bedarf der Zustimmung des Bundesrates und soll 2012 in Kraft treten.

Bewertung durch das IW Köln: 5 von 5 Sternen

Begründung:

  • Die Liberalisierung des Personenfernverkehrs war überfällig. Die massive Einschränkung des Wettbewerbs durch das Personenbeförderungsgesetz war schon seit langem nicht mehr zu rechtfertigen.
  • Ursprünglich wurden die Regelungen eingeführt, um die Gewinne der Reichsbahn zu schützen, die Teil der Reparationsleistung an die Siegermächte des ersten Weltkrieges waren. Diese Rechtfertigung der Konkurrenzschutzklausel ist seit langem hinfällig.
  • Auch in Bahnaffinen Ländern wie der Schweiz und Österreich sind Fernbuslinien ein integraler Bestandteil des Personenverkehrs. Sie ergänzen den Schienenverkehr und stellen keine Bedrohung für ihn dar.
  • Fernbusse sind vor allem für preissensible Nutzer interessant. Ein Ticket dürfte in etwa 20 Prozent unter den Preisen des Schienenfernverkehrs liegen, dafür dauert die Fahrt im Regelfall deutlich länger und bietet weniger Komfort. Das spricht dafür, dass die künftigen Buspassagiere weniger die heutigen Bahnfernreisenden sind, sondern heute noch eher von Fernreisen Abstand nehmen oder Kunden von Mitfahrzentralen sind. Auch für die Deutsche Bahn als größten Busbetreiber des Landes entstehen neue Marktchancen.
  • Nach Umweltschutzgesichtspunkten ist der Bus das wohl ökologischste Transportmittel im Personenfernverkehr. Ein durchschnittlich ausgelasteter Bus benötigt nur etwa 1,4 Liter Kraftstoff pro Fahrgast auf 100 Kilometern, was knapp 31 Gramm CO2 entspricht.

Der politische Hintergrund

Das dreigliedrige Schulsystem in Deutschland – das im Kern aus Hauptschule, Realschule und Gymnasium besteht – wird immer wieder als reformbedürftig bezeichnet. Im Mittelpunkt der Diskussion steht die Hauptschule: In den letzten Jahren hat sich ihr Ruf verschlechtert, und somit wird verstärkt die Frage aufgeworfen, ob sie ihren Bildungsauftrag noch erfüllen und ihren Absolventen akzeptable Startchancen bieten kann. Ökonomisch gesehen stellt sich diese Frage nicht zuletzt aus dem Grund, dass Hauptschulabsolventen ihren Abschluss immer weniger dazu nutzen können, um auf dem Arbeitsmarkt Kompetenzen zu signalisieren – zumindest in vielen Bundesländern. Andererseits stellen zahlreiche Unternehmen gezielt Hauptschulabsolventen ein, um von ihrer Praxisorientierung zu profitieren. In einigen Bundesländern – beispielsweise in Bayern – gilt die Hauptschule daher eher als Erfolgsmodell. Entsprechend verschieden gehen die Länder vor: Die klassische Hauptschule gibt es noch in fünf Bundesländern, die anderen haben auf alternative oder zusammengefasste Schulformen umgestellt. An diesen kann der Hauptschulabschluss oder ein mittlerer Abschluss erlangt werden.

Vor diesem Hintergrund ist es nicht verwunderlich, dass das dreigliedrige Schulsystem häufig auf der politischen Agenda steht. Jüngst hat Bundesbildungsministerin Schavan den Vorschlag in die CDU eingebracht, Haupt- und Realschule in der „Oberschule“ zusammenzulegen. Dadurch würde ein zweigliedriges Schulsystem aus Oberschule und Gymnasium entstehen. Damit wäre die Hauptschule faktisch abgeschafft, wobei der Hauptschulabschluss weiterhin an der Oberschule angeboten werden könnte.

Die Befragung

Zu diesem Themenkomplex wurden 1.000 Arbeitnehmer für das vorliegende Arbeitnehmervotum befragt. Die Befragung wurde im Ende August 2011 durchgeführt und die Stichprobe wurde hinsichtlich soziodemografischer Merkmale repräsentativ geschichtet. Im Einzelnen wurden die folgenden Fragen gestellt:

  • Haben Sie schulpflichtige Kinder?
  • Welches Schulsystem halten Sie für geeigneter?
  • Ein Schulsystem, das die Schüler möglichst früh nach ihren Fähigkeiten auf verschiedene Schulformen verteilt.
  • Ein Schulsystem, das möglichst lange auf ein gemeinsames Lernen von Schülern mit unterschiedlichen Fähigkeiten ausgerichtet ist.
  • Aktuell verlässt rund ein Fünftel der Schüler die Schule ohne ausreichende Fähigkeiten für eine berufliche Ausbildung. Wie würde sich dieser Anteil Ihrer Meinung nach verändern, wenn Haupt- und Realschule zusammengelegt würden?
  • Inwieweit stimmen Sie der folgenden Aussage zu? „Anstatt Haupt- und Realschule zusammenzulegen, sollte die Politik zunächst einen verbindlichen und einheitlichen Anforderungskatalog festlegen, um die Ausbildungsreife von Schulabsolventen am Ende der 9. bzw. 10. Klasse zu sichern.“

Fragen der Schulpolitik sind insbesondere – wenn auch nicht ausschließlich – für Arbeitnehmer mit schulpflichtigen Kindern relevant. Diese machen in der Stichprobe knapp ein Drittel der Befragten. Im Folgenden wird zwischen Beschäftigten mit schulpflichtigen Kindern und ohne schulpflichtige Kinder differenziert, wenn sich die Ergebnisse deutlich unterscheiden.

Die Uneinigkeit in der Politik spiegelt sich bei den Arbeitnehmern

  • Die grundsätzliche bildungs- und gesellschaftspolitische Frage, die von der Abschaffung der Hauptschule berührt wird, besteht darin, wie lange Schüler mit unterschiedlichen Fähigkeiten gemeinsam lernen sollen. Sowohl für eine frühe als auch für eine späte Aufteilung der Schüler gibt es Argumente, insbesondere hinsichtlich der Wechselwirkungen zwischen Schülergruppen: Je später die Aufteilung durchgeführt wird, desto länger können leistungsschwächere Schüler von ihren leistungsstärkeren Mitschülern profitieren. Der Zusammenhang zwischen Bildungserfolg und sozialer Herkunft könnte demnach abgeschwächt werden, denn Bildungsforscher vermuten, dass ein längeres gemeinsames Lernen die Chancen von Schülern aus bildungsfernen Haushalten verbessert.
  • Umgekehrt ist nicht gänzlich auszuschließen, dass leistungsstärkere Schüler in ihrer Entwicklung gehemmt werden, wenn sie länger gemeinsam mit leistungsschwächeren Schülern unterrichtet werden.
    Die optimale Dauer des gemeinsamen Lernens, bei der sich Vor- und Nachteile die Waage halten, kann nur schwer bestimmt werden. Nicht zuletzt so erklärt sich, dass in der Bildungspolitik Uneinigkeit herrscht.
    Dieser Dissenz zeigt sich auch bei den Arbeitnehmern: 49,3 Prozent bevorzugen ein Schulsystem, bei dem Schüler möglichst früh auf verschiedene Schulformen aufgeteilt werden. 45,3 Prozent sind hingegen der Ansicht, dass Schüler möglichst lange gemeinsam lernen sollten. So unterschiedlich die Meinungen also sind, zeigt sich doch, dass die meisten Arbeitnehmer Stellung beziehen: Nur 5,4 Prozent haben keine Meinung zu dieser Frage.