Regierungspolitik im Deutschland-Check

Deutschland-Check November 2010

Im Deutschland-Check November 2010 von INSM und WiWo bewerten die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln die Gewinnabschöpfung aus Laufzeitverlängerung und Kernkraftwerken und die Änderungen im Mietrecht.

15. Dezember 2010

Konjunkturkurven

 Die positiven Tendenzen der wirtschaftlichen Entwicklung haben sich im Oktober erfreulicherweise fortgesetzt. Sowohl der Arbeitsmarktindex als auch der Wachstumsindex setzten ihre Aufwärtsbewegung fort. Beide Indices konnten das Anstiegstempo gegenüber dem schon sehr ordentlichen Vormonat sogar erhöhen. Wie schon im September verzeichnete der Wachstumsindex eine höhere Dynamik als der Arbeitsmarktindex.

Die Sensationsmeldung des Monats Oktober kam allerdings vom Arbeitsmarkt. Erstmals seit November 2008 unterschritt die Arbeitslosenzahl (nicht saison- und kalenderbereinigt) im Oktober wieder die 3-Millionen-Grenze. Plötzlich wird das Ziel der Vollbeschäftigung wieder für in nicht so ferner Zukunft erreichbar gehalten, was viele Jahre lang für unrealistisch bis naiv gehalten wurde. 3 Ganz ohne Sorgenfalten blickt die Wirtschaft jedoch nicht auf den Arbeitsmarkt. Denn schon in dieser frühen Phase des Aufschwungs häufen sich die Klagen über fehlende Fachkräfte. Es besteht die zunehmende Gefahr, dass der Fachkräftemangel zu einer ernsthaften Wachstumsbremse werden könnte. Zur positiven Entwicklung des Arbeitsmarktindex trugen im Oktober beide Teilindikatoren bei. Allerdings zeichnen die saison- und kalenderbereinigten Werte, die beim D-Check in den Arbeitsmarktindex eingehen, kein ganz so euphorisches Bild wie die Ursprungsdaten.

Die Zahl der Arbeitslosen ging danach im Oktober nur noch um 3.000 Personen (nach einem Minus von 37.000 im Vormonat) zurück und die Gesamtzahl lag mit 3,153 Millionen auch noch oberhalb der 3-Millionen-Grenze. Relativ besser entwickelte sich die Zahl der offenen Stellen. Saisonbereinigt meldeten die Unternehmen 387.000 offene Stellen; das war ein Plus von 11.000 (+2,9 Prozent) gegenüber September. Insgesamt stieg der Arbeitsmarktindex im Oktober um 1,4 Prozent, nach einem Anstieg von 1,1 Prozent im Vormonat.

Wachstumsindex steigt weiter

Der Wachstumsindex wurde im Oktober von drei Teilindikatoren getrieben. Der stärkste Impuls ging diesmal von den Finanzmärkten aus. Der DAX-Perfomance-Indikator machte im Verlaufe des Oktober einen kräftigen Satz nach vorn und legte um stolze 372 Punkte oder 6 Prozent zu. Dies zeugt von ungetrübtem Optimismus an den Finanzmärkten. Mit dieser Entwicklung stellt der DAX-Perfomance-Indikator die beiden anderen Teilindikatoren diesmal klar in den Schatten. Aber auch die Unternehmen der gewerblichen Wirtschaft meldeten dem Ifo-Institut im Oktober erneut eine Verbesserung der wirtschaftlichen Lage. Dies war angesichts des bereits erreichten hohen Niveaus nicht unbedingt zu erwarten. Damit hat der Ifo-Lage-Index das Vorkrisenniveau knapp hinter sich gelassen.

Die Industrieproduktion ist saisonbereinigt im September überraschend um 0,9 Prozent gesunken. Angesichts der sehr dynamischen Entwicklung der industriellen Auftragseingänge in den letzten Monaten ist aber davon auszugehen, dass dies nur eine vorübergehende Delle in einer tendenziell weiter aufwärts gerichteten Entwicklung ist. Im Oktober sollte bei der Industrieproduktion wieder ein Plus als Vorzeichen zu finden sein.

Ein Blick auf die fünf Einzelindikatoren zeigt: Neben der Arbeitslosenzahl hat mit dem Ifo-Lage-Index erfreulicherweise nun auch der zweite der fünf Indikatoren das Vorkrisenniveau hinter sich gelassen hat. Die Zahl der Arbeitslosen liegt mittlerweile um 6,4 Prozent oder 223.000 Personen unter der Arbeitslosenzahl vom 1. Quartal 2008. Der Ifo-Lage-Index hat diese Benchmark hingegen denkbar knapp mit nur 0,2 Prozent geschafft. Auch die offenen Stellen und der DAX-Perfomance-Index nähern sich scheinbar unaufhaltsam dem Vorkrisenniveau und liegen nur noch um 10.300 Stellen bzw. 110 Punkte darunter. Die Zeichen stehen somit weiter auf Normalisierung. Nur die Industrieproduktion hat mit einem Rückstand von knapp 9 Prozentpunkten noch ein ordentliches Stück aufzuholen. Von der heutigen Basis aus gerechnet benötigt man noch folgende prozentualen Zuwächse, um das Vorkrisenniveau wieder zu erreichen:

Offene Stellen: + 2,7 %
Produktion: + 9,8 %,
DAX-Performance: + 1,7 %.

Gewinnabschöpfung aus Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken

Die Bundesregierung plant eine Verlängerung der zulässigen Laufzeiten von Kernkraftwerken um durchschnittlich 12 Jahre und damit eine entsprechende Verschiebung des Ausstiegs aus der Kernenergie, wie ihn die rot-grüne Bundesregierung vor einem Jahrzehnt beschlossen hatte. Die dabei entstehenden volkswirtschaftlichen Gewinne sollen nur zu einem Teil bei den Betreibern der Kraftwerke verbleiben, zu rund der Hälfte jedoch für erneuerbare Energien, Energieforschung, Energieeffizienz und vergleichbare Maßnahmen zur Verfügung gestellt werden. Hierzu wird ein Sondervermögen eingerichtet, welches sich aus vertraglich vereinbarten Zahlungen der Kraftwerksbetreiber, Einnahmen aus der Versteigerung von Emissionsrechten für Kohlendioxid sowie Teilen der neuen Steuer auf Kernbrennstoffe gebildet wird. Gleichzeitig wird für die Jahre 2011 bis 2016 eine zusätzliche Steuer auf die Nutzung von Kernbrennstoffen erhoben. Diese soll zur Haushalts-konsolidierung eingesetzt werden und jährlich rund 2,3 Milliarden Euro einbringen.

Im Einzelnen sind folgende Maßnahmen vorgesehen. Die Nutzung von Uran und Plutonium in Kernkraftwerken wird ab 2011 bis 2016 steuerpflichtig. Die Einnahmen gehen in Höhe von bis zu 2,3 Milliarden Euro an den Bundeshaushalt. Ein Sondervermögen „Energie- und Klimafonds“ wird eingerichtet und mit weiteren Mitteln aus der Brennelementesteuer, vertraglich vereinbarten Zahlungen der Kraftwerksbetreiber und Erlösen aus dem Emissionshandel aufgebaut. Mit dem Sondervermögen werden Projekte aus den Bereichen Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Speicher und Netze, energetische Gebäude-sanierung, nationaler und internationaler Klimaschutz gefördert.

Mietrechänderungsgesetz

Das Bundeskabinett hat am 28. September 2010 das Energiekonzept verabschiedet. Dieses Konzept formuliert Leitlinien für eine umweltschonende, zuverlässige und bezahlbare Energieversorgung und sieht u.a. vor, „das Mietrecht ausgewogen zu novellieren und für energetische Sanierungen investitionsfreundlicher zu gestalten“. Zur Mietrechtsreform liegt im Oktober 2010 ein erster Entwurf vor. Dieser beinhaltet neben Neuerung zur energetischen Sanierung auch Regelungen zur vereinfachten Durchsetzung von Räumungsansprüchen und zum Kündigungsschutz bei Umwandlung in Eigentumswohnungen nach dem „Münchner Modell“.

Im Einzelnen sind folgende Neuregelungen vorgesehen: Geplant ist die Aufnahme des Begriffes der „energetischen Modernisierung“ in das BGB und Definition als Maßnahme, die den Wasserverbrauch nachhaltig reduziert, nachhaltig Primär- oder Endenergie einspart, Energie effizienter nutzt oder das Klima auf sonstige Weise schützt. Künftig sollen rechtlich verpflichtende, ordnungsgemäß durchgeführte energetische Modernisierungen nicht zu einer Mietminderung in der Bauphase führen und vorbehaltlos zu dulden sein. Geplant ist außerdem die Verringerung der formalen Anforderungen an die Begründungspflichten. Zum Nachweis der Energieeinsparungen bei der Ankündigung der Modernisierungsmaßnahme als auch bei der Mieterhöhung sollen künftig „anerkannte Pauschalwerte“ ausreichen. Die „Berliner Räumung“ bringt geringfügige Verbesserungen der Kündigungsmöglichkeiten und vereinfachte Durchsetzung von Räumungsansprüchen. Hinzu kommt eine Ausweitung des Kündigungsschutzes bei Umwandlung in Eigentumswohnungen nach dem „Münchner Modell“.