Regierungspolitik im Deutschland-Check

Deutschland Check März 2011

Im Deutschland Check März von INSM und WiWo bewerten die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln die Novellierung des Insolvenzrechts, den Gesetzentwurf zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf, Mindestlohn in der Zeitarbeitsbranche, sowie die Hartz IV Neurregelungen.

13. März 2011

Wirtschaftsentwicklung: Fortsetzung der Erholung

Der gelungene Start ins Jahr 2011 hat sich im Februar erfreulicherweise fortgesetzt. Der Arbeitsmarktindex und auch der Wachstumsindex konnten weiter Boden gut machen. Der Konjunkturmotor läuft mit erhöhter Drehzahl.

Die Februar-Ergebnisse im Einzelnen:
Auch im Februar haben beide Teilindikatoren den positiven Trend des Arbeitsmarktindex gestützt:

  • Saison- und kalenderbereinigt ging die Zahl der Arbeitslosen im Februar um 52.000 zurück. Damit hat sich der Rückgang der Arbeitslosigkeit gegenüber den Vormonaten wieder deutlich beschleunigt. Sollte sich diese Entwicklung fortsetzen, dürfte bald die 3-Millionen-Marke unterschritten werden. Im Februar waren noch 3,069 Millionen Menschen als arbeitslos gemeldet.
  • Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen stieg im Februar um 15.000 an. Auch hier ist gegenüber den Vormonaten eine Tempoverschärfung zu beobachten. Die Nachfrage nach Arbeitskräften wächst somit weiter, was als gutes Zeichen für eine auch in den nächsten Monaten positive Arbeitsmarktentwicklung verstanden werden kann.
  • Insgesamt konnte der Arbeitsmarktindex im Februar um stolze 4 Punkte oder 2,6 Prozent zulegen.
Konjunkturkurven

Wachstumsindex zeigt sich unbeeindruckt

Von den gewachsenen Unsicherheiten auf den Weltmärkten und steigenden Öl- und Energiepreisen zeigte sich der Wachstumsindex im Februar unbeeindruckt. Alle drei Teilindikatoren trugen zum guten Gesamtbild bei:

Der DAX-Performance-Index setzte seinen Höhenflug fort und stieg um beachtliche 2,8 Prozent auf nun schon 7.272 Punkte.

Von schon hohem Niveau aus kletterte auch der Ifo-Lage-Index im Februar nochmals um 1,7 Prozent. Sieht man von der Stagnation im Januar 2011 ab, ist dies nun schon der zwölfte Monat in Folge mit positiver Tendenz.

Die Industrieproduktion ist ebenfalls im Aufwind, allerdings ist die Dynamik weniger stark ausgeprägt als bei den anderen beiden Teilindikatoren. Zuletzt standen bei der Industrieproduktion die Vorleistungsgüter- und die Konsumgüterproduzenten auf der Sonnenseite, während die Investitionsgüterhersteller das Produktionsniveau des Vormonats nicht halten konnten.

Insgesamt stieg der Wachstumsindex im Februar um 2 Prozent und damit schneller als noch einen Monat zuvor (die Zunahme im Januar belief sich auf 1,2 Prozent).

Das Urteil der Ökonomen

1. Novellierung des Insolvenzrechts
Entwurf vom 1.9.2010 (Kabinettsbeschluss vom 23.02.2011)

Was ist beabsichtigt?
Zu den wesentlichen Maßnahmen des Gesetzesentwurfs zählen:

  • Eine Konzentration der Bearbeitung von Insolvenzfällen bei wenigen Gerichten (maximal ein Insolvenzgericht pro Landgerichtsbezirk) mit entsprechend auf Insolvenzen spezialisierten Richtern, um so die Kenntnisse der Akteure im Umgang mit Insolvenzplanverfahren und damit die Erfolgsquote zu erhöhen.
  • Eine bessere Einbeziehung der Gläubiger in das Insolvenzverfahren. Die Gläubiger erhalten mehr Mitspracherechte bei der Einsetzung des Insolvenzverwalters. Hierzu kann zukünftig im „Eröffnungsverfahren“ (Namensänderung, früher Insolvenzverfahren) ein Gläubigerausschuss eingesetzt werden, der die weiteren Sanierungsschritte maßgeblich mitbestimmt.
  • Die Sanierung in Eigenverwaltung soll erleichtert werden. Aktuell machen die Insolvenzgerichte kaum von der Möglichkeit Gebrauch, eine Eigenverwaltung anzuordnen, bei der die bisherige Geschäftsführung im Amt bleibt.
  • Zur vorgelegten Planung gehört auch ein an das amerikanische Insolvenzrecht („Chapter 11“) angelehnter Schutzschirm, um frühzeitig einen Insolvenzplan ausarbeiten zu können, ohne dass bereits alle negativen Folgen einer eröffneten Insolvenz (wie z. B. der Rückzug von Geschäftspartnern) eintreten.
  • Hinzu kommt die Möglichkeit einer Umwandlung von Forderungen der Gläubiger in Eigentumsanteile am zu sanierenden Unternehmen, um die Verschuldung zu reduzieren (Debt-To-Equity-Swap).
  • Die Inhaber, also Gesellschafter oder Aktionäre eines Unternehmens können nach dem Gesetzesentwurf künftig leichter zu einer Fortführungslösung gezwungen werden, wenn sie sich nicht auf einen Sanierungsplan einigen können.
    Insgesamt zielt die Reform des Insolvenzrechts darauf ab, den Anteil erfolgreichen Sanierungen zu erhöhen und gleichzeitig die wirtschaftlichen Verluste bei Gläubigern und anderen Share- wie auch Stakeholdern der betroffenen Unternehmen zu reduzieren.

Bewertung durch das IW Köln: 4 von 5 Sternen

Begründung:

  • Die aktuell gültige Insolvenzordnung hat vor allem zwei Schwächen:
  • Sie sieht zwar prinzipiell vor, dass insolvente Unternehmen mit ausreichender Substanz nicht abgewickelt werden, sondern ihren Geschäftsbetrieb fortsetzen können. Für eine Sanierung und Fortführung der Geschäfte sollen sie die Möglichkeit des Insolvenzplanverfahrens nutzen und nach einem erfolgreichen Sanierungsprozess weiterhin am Markt aktiv bleiben. Doch dieser Weg wird bislang nur in weniger als zwei Prozent aller Insolvenzfälle beschritten. Die Verwertung des Unternehmens durch Verkauf von Unternehmensteilen oder – im ungünstigsten und häufigsten Fall – Einstellung des Geschäftsbetriebes und Liquidierung der verbleibenden Aktiva bildet die schlechtere Alternative, die jedoch weiterhin den Regelfall darstellt.
  • Zu den Gründen der gängigen Liquidierungspraxis gehört die oft sehr späte Beantragung der Insolvenz. Ist die Substanz bereits aufgezehrt, sehen die Insolvenzgerichte bzw. die durch sie bestellten Verwalter meist keine Möglichkeit zur Fortführung. Die hohen Kosten des Insolvenzverfahrens, die die verbleibende Masse empfindlich mindern oder vollends aufzehren können, sind ein weiterer Kritikpunkt an der bisherigen Insolvenzpraxis. Weitere Gründe sind aber auch mangelnde Kenntnisse der Gerichte zu Insolvenzplanverfahren oder die Berufung von Insolvenzverwaltern ohne ausreichende Sanierungserfahrung. Die Folge dieser Probleme ist nicht allein ein hoher Anteil von Unternehmensschließungen mit entsprechenden Arbeitsplatzverlusten, sondern auch eine geringe Befriedigungsquote für die Gläubiger. Es kommt zu Forderungsausfällen in Milliardenhöhe und dem Verlust hunderttausender Arbeitsplätze.
  • Die geplanten Änderungen sind prinzipiell positiv zu werten, da sie die wirtschaftlichen Verluste durch Unternehmensinsolvenzen eindämmen könnten. Insbesondere bei größeren Unternehmen wird die Fortführung erleichtert – in der Insolvenzrechtsreform wird auf Unternehmen abgestellt, die zwei der drei folgenden Kriterien erfüllen:
  • Mindestens 2 Millionen Euro Bilanzsumme,
  • Mindestens 2 Millionen Euro Umsatz in den 12 Monaten vor der Verfahrenseröffnung,
  • Im Jahresdurchschnitt mindestens 10 Beschäftigte.

Das erfolgreiche Durchstarten aus dem Insolvenzplanverfahren heraus dürfte damit zukünftig nicht mehr ein ebensolcher Sonderfall sein wie heute.

  • Die deutsche Wirtschaft hat im Gesetzgebungsprozess darauf gedrungen, die Rechte kleinerer Gläubiger nicht zugunsten der Hauptgläubiger zu stark einzuschränken. Ursprünglich in der Diskussion befindliche Vorrechte „wesentlicher“ Gläubiger wären geeignet gewesen, die Ansprüche mittelständischer Zulieferer zu gefährden. Im nun vom Bundeskabinett verabschiedeten Entwurf liegt die Entscheidung jedoch weiterhin beim Insolvenzrichter, wenn der Gläubigerausschuss keine Einstimmigkeit erzielt. Damit scheint das angesprochene Problem gelöst zu sein.
  • Ein externer Insolvenzverwalter ist nicht unbedingt die bessere Lösung – bis er sich eingearbeitet hat, ist es für eine Rettung des Unternehmens eventuell zu spät. Untersuchungen zufolge bemüht sich bislang ein zu geringer Anteil der Insolvenzanwälte um eine Fortführung des Unternehmens anstelle einer Verwertung seiner Aktiva. Eine größere Chance auf Durchführung des Insolvenzplanverfahrens in Eigenregie erhöht auch die Wahrscheinlichkeit, dass die Geschäftsführung frühzeitig Insolvenz beantragt, so dass das Unternehmen eher gerettet werden kann.
  • Problematisch bleibt jedoch weiterhin die Besteuerung von Sanierungsgewinnen; dieser Punkt müsste aber steuerrechtlich und nicht insolvenzrechtlich gelöst werden. Auch die Frage der Insolvenzfestigkeit von Lizenzen ist noch zu klären.

2. Entwurf eines Gesetzes zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf („Familienpflegezeit“), Bundesregierung, 17. Februar 2011

Was ist geplant?
Das Ministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend hat am 17. Februar 2011 einen Referentenentwurf ins Kabinett eingebracht, der Arbeitgebern und Beschäftigten Hilfestellung zur Vereinbarkeit von Pflege und Beruf bieten soll. Grundsätzlich sieht das Modell vor, dass Angestellte, die Familienangehörige im häuslichen Umfeld pflegen wollen, die Arbeitszeit für maximal 2 Jahre auf die Hälfte reduzieren können. Da den Pflegepersonen aber bei gleichwertiger Reduktion des Arbeitsentgelts möglicherweise die existenzielle Grundlage fehlt, soll das Entgelt nur auf 75 Prozent sinken. Der Ausgleich für das zu viel gezahlte Entgelt erfolgt nach Ablauf der Pflegephase, wenn anschließend wieder Vollzeit gearbeitet wird, aber für die gleiche Zeitspanne nur 75 Prozent des Vollzeit-Entgelts bezogen werden.

Nach der ursprünglichen, im Herbst 2010 kursierenden Fassung sollte den abhängig Beschäftigten sogar ein Rechtsanspruch auf Familienpflegezeit eingeräumt werden. Auch wenn das Modell grundsätzlich beibehalten wird, ist im jetzigen Referentenentwurf nicht länger von einem obligatorischen Anspruch die Rede, sondern von einem Rechtsrahmen für freiwillige Vereinbarungen zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern.

Die wichtigsten Punkte:

  • Arbeitnehmer und Arbeitgeber können freiwillig eine Familienpflegezeit vereinbaren. Dazu reduzieren Angestellte in der Pflegephase ihre Arbeitszeit auf die Hälfte, wobei mindestens 15 Stunden gearbeitet werden müssen.
  • Die Kombination von Pflegephase und Teilzeitarbeit mit erhöhtem Entgeltanspruch ist auf 2 Jahre begrenzt, die anschließende Nachpflegephase mit Vollzeit-Arbeit und dann reduzierten Bezügen dauert weitere 2 Jahre.
  • Den Arbeitgebern entstehen Vorfinanzierungskosten. Die Vorschussleistungen können sie durch ein zinsloses Bundesdarlehen gegenfinanzieren, das in der zweiten Phase der Familienpflegezeit getilgt wird.
  • Darüber hinaus besteht ein Ausfallrisiko, falls die Rückzahlung des Vorschusses infolge einer Erwerbsunfähigkeit oder durch das vorzeitige Ableben des Angestellten nicht mehr gewährleistet ist. Dieses Risiko wird grundsätzlich durch den Arbeitnehmer und auf dessen Kosten bei einer zertifizierten Familienpflegezeitversicherung abgesichert.

Bewertung durch das IW Köln: 3 von 5 Sternen

Begründung:

  • Angesichts des wachsenden Pflegebedarfs und der daraus resultierenden Nachfrage nach Pflegepersonen sowie der steigenden Ausgaben in der gesetzlichen Pflegeversicherung ist es grundsätzlich richtig, Anreize für die Pflege innerhalb der Familie zu stärken. Ein solches Konzept hilft, den Vorrang der ambulanten vor der stationären Pflege durchzusetzen. Denn unterschiedlich hohe Pflegesätze vor allem in den Stufen I und II geben bislang einen monetären Anreiz zu Gunsten der Pflege im Heim. Deshalb kann das Konzept im Erfolgsfall auch die Ausgabenentwicklung in der Pflegeversicherung positiv beeinflussen, wenn die Inanspruchnahme höherer Leistungssätze vermieden oder zumindest hinaus gezögert werden kann.
  • An dem aktuellen Referentenentwurf ist des Weiteren positiv zu vermerken, dass er einen begleitenden Rahmen für freiwillige Vereinbarungen vorgibt, ohne durch obligatorische Regelungen alternative Pflegearrangements zu diskriminieren. Denn andere Konstellationen wie etwa eine freiwillige Teilzeitbeschäftigung mit regulär reduzierten Bezügen können mit Blick auf die intrafamiliäre Arbeitsteilung oder mit Rücksicht auf die ungewisse Dauer des Pflegebedarfs durchaus vorteilhaft sein. Solche Entscheidungen dürfen nicht durch einseitige Präferenzen des Gesetzgebers diskriminiert werden.
  • In diesem Zusammenhang ist es richtig, dass die Familienpflegezeit zumindest mit Blick auf die direkten Finanzierungslasten (Vorschussleistung und Versicherung des Ausfallrisikos) aufwandsneutral für die Unternehmen ausgestaltet wird. Das sollte aber nicht zu der irrigen Annahme verleiten, dass sich die Familienpflegezeit in den Unternehmen ohne Anpassungslasten realisieren lässt. Dies gilt insbesondere dann, wenn in einzelnen Betrieben mehrere Fälle von Familienpflegezeit simultan umzusetzen sind. Umso richtiger ist es, auf freiwillige Vereinbarungen abzustellen statt einen Rechtsanspruch zu gewähren.
  • Umgekehrt wird es angesichts des demographischen Wandels und des daraus resultierenden Fachkräftemangels auch für die Unternehmen immer wichtiger, ihren Mitarbeitern ein Arbeitsumfeld zu bieten, in dem sich private Lebensumstände wie Familie oder Pflege gut mit dem Berufsleben vereinbaren lassen. Der Vorstoß zur Familienpflegezeit kann hier Hilfestellung bieten.
  • An der handwerklichen Umsetzung bleibt zu bemängeln, dass kritische Fälle wie eine Privatinsolvenz oder ein fehlender Versicherungsschutz gegen Ausfallrisiken aufgrund säumiger Prämienzahlungen durch den Arbeitnehmer nicht geregelt werden.
  • Grundsätzlicher ist zu hinterfragen, warum der Gesetzgeber bei der Kreditfinanzierung von Vorschussleistungen die Arbeitgeber ins Boot holt und nicht ähnlich wie bei der Versicherung des Ausfallrisiken auch bei dem Einkommenszuschuss den Arbeitnehmern direkt die Möglichkeit eröffnet, eine Entgeltaufstockung etwa über die KfW zu beantragen. Statt das Modell der Familienpflegezeit an eine Pflege- und Nachpflegephase zu koppeln, hätte der direkte Zuschuss der Arbeitnehmer den Charme, dass ein pflegender Angehöriger die Tilgung der Vorschussleistungen ggf. auch über die Beschäftigung bei einem anderen Arbeitgeber oder aus der Auflösung von (geerbtem) Vermögen leisten kann. Damit gewännen sowohl die Arbeitnehmer als auch die Arbeitgeber Gestaltungsfreiheiten mit Blick auf ihre beruflichen bzw. betrieblichen Entwicklungsziele, ohne dass ihnen die Möglichkeit zu einer freiwilligen Vereinbarung über eine Familienpflegezeit genommen wäre. Über die bestehenden Teilzeitansprüche hinaus bedürfte es seitens des Gesetzgebers lediglich einer Regelung für die Inanspruchnahme der staatlich gesicherten Vorschussleistungen und deren Tilgung.

4. Hartz IV-Neuregelung

Was ist geplant?

  • Die Neuberechnung der Regelsätze orientiert sich weitgehend an der Vorlage, die das Bundesministerium für Arbeit erarbeitet hat. Demnach steigt der Regelsatz für Erwachsene um zunächst 5 auf 364 Euro im Monat. Der Regelsatz für Kinder bleibt gleich. 2012 ist eine weitere zusätzliche Erhöhung um 3 Euro vorgesehen.
  • Das Bildungspaket, mit dem Bildungsleistungen für Kinder von Arbeitslosengeld II-Empfängern finanziert werden soll, wird von den Kommunen administriert. Der Umfang der Leistungen nimmt gegenüber der ursprünglichen Planung noch einmal um 400 Millionen Euro zu, aus denen unter anderem Sozialarbeiter an Schulen bezahlt werden sollen. Die Finanzierung erfolgt durch den Bund, der seinen Anteil an den Kosten der Unterkunft erhöht und schrittweise die Kosten der Grundsicherung im Alter übernimmt. Dafür will der Bund die „Beteiligung an den Kosten der Arbeitsförderung“ reduzieren. Dies ist eine Leistung des Bundes an die Bundesagentur für Arbeit von zuletzt knapp 8 Mrd. Euro, die im Zuge der Mehrwertsteuererhöhung 2007 eingeführt wurde. Die Steuererhöhung war seinerzeit auch damit begründet worden, durch die Umfinanzierung die Sozialversicherungsbeiträge konstant halten zu können.

Beurteilung durch das IW Köln: Bewertung: 3 von 5 Sternen

Bewertung:

  • Die Ermittlung der Regelsätze trägt in der neuen Fassung der Forderung des Bundesverfassungsgerichtes nach Methodentransparenz Rechnung. Die Erhöhung bleibt in einem Rahmen, innerhalb dessen keine negativen Auswirkungen auf die Beschäftigung im Niedriglohnbereich erwartet werden müssen.
  • Problematisch ist die Umsetzung des Bildungspaketes. Zwar ist das grundsätzliche Anliegen des Bildungspaketes, die Bildung sozial benachteiligter Kinder zu verbessern und somit intergenerationale Abhängigkeiten des sozialen Status aufzubrechen, nicht zu beanstanden. Wenig geglückt ist aber die Verankerung dieser Aufgabe im Kontext der föderalen Aufgabenverteilung. Die funktionale und finanzielle Verantwortung für das Bildungswesen liegt bei den Bundesländern. Zu dieser Verantwortung gehört auch der Bildungserfolg der Kinder unterer sozialer Schichten. Insofern stellt die Finanzierung des Bildungspaketes durch den Bund schon eine Verletzung der Regeln der föderalen Aufgabenverteilung dar. Verschlimmert wird dies noch durch die Übertragung der funktionalen Zuständigkeit an die Kommunen. Denn dies verletzt das Konnexitätsprinzip: Wenn eine föderale Ebene (hier: die Kommunen) eigenverantwortlich das Geld ausgeben, das eine übergeordnete föderale Ebene (hier: der Bund) bereitstellt, kommt es unweigerlich zu Verschwendung. Diese Problematik wird nicht dadurch entschärft, dass die Neugestaltung der Finanzierungsströme auf den sachfremden Bereich der Grundsicherung im Alter ausgedehnt wird.
  • Verfehlt ist die Überlegung, dass der Bund die zusätzlichen Kosten durch eine Kürzung der Zuwendungen an die Bundesagentur für Arbeit (BA) wieder hereinholen könne. Der Bund überweist die Einnahmen aus einem Prozentpunkt der Mehrwertsteuererhöhung 2007 an die BA. Im Jahr 2010 waren das knapp 8 Mrd. Euro. Diese Zahlung soll halbiert werden. Doch die Steuererhöhung war seinerzeit explizit damit begründet worden, dass mit den Einnahmen die Beiträge zur Sozialversicherung stabilisiert werden sollen. Faktisch wird somit eine Steuererhöhung mit verzögerter Wirkung vorgenommen.