Regulierung der Realwirtschaft kostet Wachstum. Nach Ansicht der führenden deutschen Wirtschaftswissenschaftler wäre eine Regulierung der Realwirtschaft als politische Folge der Finanzmarktkrise schädlich. Die Ökonomen warnen davor, die notwendige Regulierung der Finanzmärkte reflexartig auch auf die Realwirtschaft zu übertragen.
3. November 2008
70 Prozent der befragten Wissenschaftler erwarten eine solche Reaktion des Staates. Dies würde aber nach Meinung der Wissenschaftler (94,6 Prozent) zu weniger Wachstum und geringerer Beschäftigung führen.
Im November 2008 hat die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (INSM) Ökonomen zur Finanzkrise und ihren ordnungspolitischen Folgen befragt. An der Befragung nahmen 43 die Lehrstuhlinhaber für Wirtschaftswissenschaften sowie Ökonomen aus öffentlichen und privaten Forschungseinrichtungen mittels eines per E-Mail versendeten Fragebogens teil. Die Beantwortung der Fragen erfolgte entweder über eine skalierte Bewertung bestimmter Vorschläge (-5 = sehr negative Bewertung, +5= sehr positive Bewertung), über die Angabe von Schätzwerten, die Auswahl einer von mehreren Optionen oder freie Angaben.
Die Umfrage hat zu folgenden Ergebnissen geführt:
Einig sind sich die Wirtschaftswissenschaftler darin, dass vom Finanzmarktstabilisierungsgesetz der Bundesregierung eine stabilisierende Wirkung auf den deutschen Finanzmarkt ausgeht (Durchschnittswert +2,58). Auch das Vertrauen der Bürger in den Finanzmarkt wird nach Ansicht der Wissenschaftler durch das Gesetz gestärkt (Durchschnitt +1,42). Die Wirkung auf die internationalen Finanzmärkte wird ebenfalls positiv bewertet (Durchschnitt +0,95). Auswirkungen auf die Konjunktur seien durch das jedoch kaum zu erkennen (Durchschnitt +0,56).
Alles in allem wird dem Finanzmarktstabilisierungsgesetz eine positive Wirkung zugeschrieben.
Als notwendige Maßnahmen zur Vermeidung von Krisen wie der Finanzmarktkrisesehen die Ökonomen eine Verbesserung der Bankenaufsicht (18 Nennungen), die stärkere Haftungsmöglichkeit der Banken und eine damit verbundene höhere Eigenkapitalquote (15 Nennungen) an. Eine weitere Forderung ist die Verbesserung der Transparenz auf den Finanzmärkten, beispielsweise durch verständlichere Ratings (15 Nennungen). Ebenfalls als wichtig erachten die befragten Ökonomen die Änderung der Anreiz- und Bonussysteme oder die Zertifizierung verschiedener Finanzinstrumente.
Die befragten Ökonomen sehen die Schaffung effizienter Finanzmarktinstitutionen als notwendige Bedingung für funktionierende Märkte.
Die von der Bundesregierung durchgeführten Maßnahmen zur Stabilisierung der Finanzkrise (Bereitstellung von Eigenkapital und staatliche Garantie der Spareinlagen) wurden als sinnvoll eingeschätzt. Staatliche Einflussnahme im Bankensektor wurde von der Mehrzahl der Ökonomen abgelehnt.
Die potentielle Wirkungsmacht konjunkturpolitischer Maßnahmen wird unterschiedlich beurteilt. Hier sind sich die Ökonomen einig, dass zur Belebung der Nachfrage staatliche Maßnahmen, wie der Wegfall der Kfz-Steuer für Neuwagen (Durchschnitt -1,3) ebenso wie Einmalzahlungen an Bürger nach Vorbild der amerikanischen Steuerchecks (Durchschnitt -0,63) wirken eher kontraproduktiv. Effektive Maßnahmen sind nach Meinung der Befragten eine Reduzierung der Steuerlast auf mittlere und niedrige Einkommen (Durchschnitt +1,79) und die Einführung eines höheren Einkommensteuerfreibetrags (Durchschnitt +0,81).
Angesichts der aktuellen Situation sind Forderungen laut geworden auch Unternehmen der Realwirtschaft stärker zu regulieren oder gar zu verstaatlichen. Die Mehrzahl der Ökonomen erwartet für die Zukunft eine stärkere Regulierung der Realwirtschaft. Knapp 70 Prozent erwarten eine sehr starke oder eine stärkere Regulierung der Realwirtschaft.
Stärkere Eingriffe des Staates in die Realwirtschaft sind für die Mehrzahl der befragten Ökonomen jedoch die falsche Wahl. Die Mehrzahl der Ökonomen geht von einer deutlich schlechteren wirtschaftlichen Lage aus, sollte es - wie erwartet - zu einer stärkeren Regulierung kommen. 94,6 Prozent der befragten Ökonomen erwarten für den Fall, das der Staat die Realwirtschaft stärker reguliert, negative Entwicklungen bei Wachstum und Beschäftigung.
Für das nächste Jahr erwarten die Ökonomen trübe Wolken am deutschen Konjunkturhimmel. Fast 80 Prozent aller Wirtschaftswissenschaftler erwarten ein Wachstum des BIP gleich oder unter 0 Prozent für das Jahr 2009. Im Durchschnitt liegt die Wachstumserwartung bei -0.18 Prozent.