Die Vereinbarkeit von Familie und Beruf ist eine der wichtigsten Fragen für die Lebensqualität, aber auch ein wichtiger Punkt im demografischen Wandel. Dafür muss die Politik noch Einiges tun.
26. Januar 2016In Deutschland werden für rund 160 ehe- und familienpolitische Maßnahmen jährlich mehr als 200 Milliarden Euro ausgegeben. Für sich betrachtet, erreichen viele dieser Maßnahmen auch die jeweils angestrebten vorgenommenen Ziele. In der Gesamtbetrachtung hemmen oder ignorieren sie aber im Zusammenwirken mit weiteren Förderinstrumenten die Erfüllung anderer familienpolitischer Ziele. So erhöht beispielsweise die kostenlose Mitversicherung in der gesetzlichen Krankenversicherung das Haushaltseinkommen einer Familie, verringert aber gleichzeitig Anreize für den mitversicherten Ehepartner, einer Tätigkeit nachzugehen.
Eine Evaluierung im Auftrag des Finanz- und des Familienministeriums bestätigt, dass die Kindertagesbetreuung bei der Förderung von Familien eine besondere Rolle spielt. Sie wirkt gleich auf mehrere familienpolitische Ziele positiv. Kindertagesbetreuung ermöglicht Eltern die Ausübung ihres Berufes, wodurch zugleich das Familieneinkommen gesichert wird. Gesamtwirtschaftlich wird der demografiebedingte Anstieg der Sozialversicherungsbeiträge gebremst, wenn Eltern nach der Kinderpause schnell wieder in ihren Beruf zurückkehren können. Zudem ist eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf für viele Paare ein entscheidender Faktor für die Verwirklichung von Kinderwünschen. Hinzu kommt, dass bei guter Betreuungsqualität die frühkindliche Förderung verbessert wird. Für eine erfolgreiche Familienpolitik ist die Vereinbarkeit von Familie und Beruf daher von zentraler Bedeutung.
Die Zahl der Kitaplätze ist zwar mit Einführung des Rechtsanspruchs für unter Dreijährige gestiegen: Die Betreuungsquote hat sich im Bundesdurchschnitt seit März 2006 von 13,6 Prozent auf 32,9 Prozent im März 2015 erhöht. Doch noch immer ist das Betreuungsangebot nicht ausreichend. 43,2 Prozent der Eltern äußerten im Jahr 2015 Betreuungsbedarf.
Nicht nur die Zahl der Betreuungsplätze ist ausbaufähig. Auch bei der Qualität besteht großer Handlungsbedarf. Höhere Qualität ist auch deshalb wichtig, da Eltern in Deutschland mit 14 Prozent des Durchschnittseinkommens im OECD-Vergleich überdurchschnittlich viel für Kinderbetreuung aufwenden. Wenn die Qualität nicht den Vorstellungen der Eltern gerecht wird, entscheiden sich tendenziell auch diejenigen dafür, zu Hause zu bleiben, die bei besseren Betreuungsbedingungen durchaus arbeiten würden.
Ein Grund für die Qualitätsdefizite sind die Finanzierungsstrukturen: Derzeit tragen die Kommunen den Hauptteil der Betreuungsfinanzierung. Den Nutzen haben dagegen Bund und Länder über höhere Bildungsrenditen, die wiederum zu höheren Steuereinnahmen führen. Für die Kommunen gibt es folglich kaum Anreize, in die Qualität der Betreuung zu investieren. Der Bund sollte daher die Zuschüsse an die Kommunen weiter erhöhen.
Einer nennenswerten Qualitätsverbesserung steht auch im Wege, dass die öffentliche Hand teilweise über das Angebot entscheidet und so den Ausgleich von Angebot und Nachfrage mittels eines wettbewerblichen Prozesses behindert.
Zentral für die Qualität einer Betreuungseinrichtung ist das Personal. Im Vergleich zu anderen Ländern hat das Betreuungspersonal hierzulande selten einen Hochschulabschluss. Mehr als zwei Drittel der Beschäftigten haben sich an Fachschulen für Erzieher ausbilden lassen. Untersuchungen der OECD bestätigen jedoch den Zusammenhang zwischen der Ausbildungsqualität und der Qualität der Kinderbetreuung. Entscheidend ist also, dass auch höher qualifizierte Fachkräfte Kinder betreuen.
Die Zahl der Studiengänge ist in diesem Bereich zwar in den vergangenen Jahren gestiegen. Aber mit Blick auf den nötigen Betreuungsausbau ist unübersehbar, dass die Kapazitäten nicht genügen, um mit einer ausreichenden Zahl Hochqualifizierter die Qualität in der Kindertagesbetreuung zu verbessern.
Deutsches Jugendinstitut:
Betreuungsangebot und Bedarf aus Elternsicht
August 2013
Institut der deutschen Wirtschaft Köln:
Die Teilzeit-Mütter, in: IWD Nr. 25, S. 8
Juni 2014
Bertelsmann Stiftung:
Ganztagsschulen in Deutschland: Die Ausbaudynamik ist erlahmt
Juli 2014
Egbert H./Hildenbrand A.:
Masse plus Klasse? Strukturelle Hürden beim qualitativen Ausbau der Kindertagesbetreuung
September 2014
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Personalmarketingstudie 2012: Familienbewusstsein ist konjunkturresistent
Dezember 2012
Statistisches Bundesamt:
Statistiken der Kinder- und Jugendhilfe
September 2013
Institut der deutschen Wirtschaft Köln:
Rentable Bettchen, in: IWD, Nr. 10, S. 4
März 2014
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend:
Unternehmensmonitor Familienfreundlichkeit 2013
Juli 2013
Keller M./ Haustein T:
Vereinbarkeit von Familie und Beruf, in: Statistisches Bundesamt, Wirtschaft und Statistik, S. 862 ff.
Dezember 2013