Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft
INSM-Leitfaden

Die Zukunft der Sozialen Marktwirtschaft

Die Soziale Marktwirtschaft ist seit sieben Jahrzehnten die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung, die für Chancengerechtigkeit, Wohlstand und soziale Sicherheit in unserem Land sorgt. Diese Praxis gilt es zu bewahren, indem wir die Marktwirtschaft an die sich wandelnden Lebensbedingungen anpassen. Unser „Leitfaden für Wachstum und Wohlstand im 21. Jahrhundert“ zeigt den Weg.

4. Juni 2018

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Die Soziale Marktwirtschaft – Unsere zukunftsweisende Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung

Die Soziale Marktwirtschaft ist seit 70 Jahren die Wirtschafts- und Gesellschaftsordnung der Bundesrepublik Deutschland. Sie verbindet die Leistungsfähigkeit der Marktwirtschaft mit sozialem Ausgleich. Sie schafft Chancengerechtigkeit und ermöglicht Wohlstand für alle.

Zur Sozialen Marktwirtschaft gehört eine starke Rolle des Staates (Eucken, 1952/1990), der die Regeln des Wirtschaftens festlegt. Kartellverbot, Fusionskontrolle und Missbrauchsaufsicht bei marktbeherrschenden Unternehmen sichern den Wettbewerb und schaffen einen Rahmen, in dem sich Konsumenten und Unternehmen frei bewegen können.

Die Chance auf Gewinne ist der wichtigste Treiber des Wohlstands.

Der Staat garantiert Rechtssicherheit und die Durchsetzung von Verträgen. Ohne den Rechtsstaat ist keine gesellschaftliche Stabilität, aber auch keine wirtschaftliche Entwicklung möglich. Der Staat stellt die Versorgung mit öffentlichen Gütern sicher und sorgt für einen angemessenen sozialen Ausgleich über das Steuersystem und die sozialen Sicherungssysteme. Er greift auch dort ein, wo aus dem Handeln von Kunden und Produzenten Kosten bei Dritten entstehen, etwa durch die Umwelt- und Klimapolitik.

Staatliche Verantwortung in der Sozialen Marktwirtschaft hat Grenzen. Der Staat soll Freiheiten garantieren. Doch Freiheit ist nicht grenzenlos: Sie endet dort, wo sie die Freiheit anderer einschränkt. Der Staat soll Solidarität fordern, aber nicht Eigenverantwortung untergraben. Die Soziale Marktwirtschaft sucht stets neu nach der Balance zwischen staatlichem Eingriff und individueller – auch wirtschaftlicher – Freiheit.

Privateigentum und Vertragsfreiheit sind grundlegende Prinzipien für eine marktwirtschaftliche Ordnung. Innerhalb der staatlich gesetzten Regeln sollen sich Unternehmen und Konsumenten möglichst frei bewegen können. Freie Preisbildung ist ein fundamentales Prinzip, ohne das wertvolle Ressourcen verschwendet und die notwendigen Anreize für wirtschaftlichen Fortschritt fehlen würden. Freie Preise zeigen an, wo Knappheiten herrschen, wo investiert und produziert werden soll und wo Innovationen notwendig sind. Offene Märkte nach innen und außen sichern den Wettbewerb um innovative und ressourcenschonende Angebote zum Nutzen des Verbrauchers.

Der Staat kann eingreifen, wenn der Preismechanismus gestört ist oder Innovationen für gesellschaftliche Fragen benötigt werden, die sich nicht am Markt refinanzieren lassen.

Das staatliche Steuersystem, der Wettbewerb und die Tarifautonomie führen dazu, dass auch Arbeitnehmer, Kunden und die öffentlichen Haushalte vom zunehmenden Wohlstand profitieren.

Wettbewerb und wirtschaftliches Handeln dienen den Konsumenten. Für sie werden Waren und Dienstleistungen produziert. Innovationen und Wettbewerb sollen ihre Bedürfnisse besser und preiswerter befriedigen. Die Soziale Marktwirtschaft ist in der Rückschau und ist auch heute in Deutschland verbunden mit einer Vervielfachung des Wohlstands. Gleichzeitig ist mittlerweile ein historisch hohes Niveau der sozialen Sicherung erreicht.

Die Soziale Marktwirtschaft ist kein starres Konzept. Ihre Prinzipien besitzen heute noch Gültigkeit. In den vergangenen Jahrzehnten haben sich aber neue Fragestellungen ergeben, für die zumindest teilweise neue Regeln gefunden werden müssen. Die Digitalisierung, der demografische Wandel oder die Klimaerwärmung verlangen nach einer Erneuerung der Sozialen Marktwirtschaft. Gelingt diese Weiterentwicklung, wird nicht nur unser Wohlstand weiter wachsen, sondern auch die Akzeptanz für unser Wirtschaftssystem national und international steigen.

 

Kapitel 1: Soziale Marktwirtschaft ist digital

Kapitel 2: Soziale Marktwirtschaft heißt offene Märkte

Kapitel 3: Soziale Marktwirtschaft schafft Vollbeschäftigung

Kapitel 4: Soziale Marktwirtschaft schafft Chancengerechtigkeit durch Solidarität

Kapitel 5: Haushalt und Finanzen

Kapitel 6: Umwelt und Klimaschutz

 

Kapitel 1: Soziale Marktwirtschaft ist digital

Die Digitalisierung führt zu einem Strukturwandel in vielen Bereichen von Wirtschaft und Gesellschaft. Vieles vermeintlich Sichere wird in Frage gestellt. Die Arbeitswelt wird sich weiter verändern und geprägt sein von wechselnden und neuen Qualifikationserfordernissen sowie einer größeren Notwendigkeit von Flexibilität auf Arbeitnehmer- und Arbeitgeberseite. Eine Politik, die darauf abzielt, diesen digitalen Strukturwandel zu bremsen, und Besitzstände verteidigt, ist keine Politik im Sinne der Sozialen Marktwirtschaft und verhindert „Wohlstand für Alle“.

Gleichwohl sind die Sicherung des Wettbewerbs und die Begrenzung von Marktmacht als staatliche Aufgaben heute mit ganz neuen Herausforderungen verbunden. Neue datengetriebene Geschäftsmodelle können zur Monopolbildung führen. Die staatliche Kernaufgabe ist es, einen Rechtsrahmen zu schaffen, der auf der einen Seite mögliche Fehlentwicklungen der Digitalisierung verhindert, auf der anderen Seite Innovationen und Chancen durch die Digitalisierung nicht im Keim erstickt, sondern fördert, mindestens aber zulässt.

Die Wettbewerbspolitik ist als zentrales Element der Sozialen Marktwirtschaft gefordert, ihre Instrumente so weiterzuentwickeln, dass sich auch in einer digitalen Wirtschaftswelt die besten Ideen und die besten Angebote entfalten können und den Konsumenten zur Verfügung stehen.

Deutschland braucht eine neue Gründerkultur. Starre bürokratische Regeln bremsen den Gründungsmut. Eine digitale Verwaltung fördert Unternehmensgründungen, etwa durch einfache Unternehmens- und Gewerbeanmeldungen.

Unternehmen brauchen Flexibilität, um die Bedürfnisse der weltweiten Kunden schnell befriedigen zu können. Und Mitarbeiter brauchen und wollen mehr Flexibilität, um Familie und Beruf besser miteinander vereinbaren zu können und die Grenzen zwischen Arbeit und Freizeit nach ihren individuellen Bedürfnissen gestalten zu können. Die neuen Technologien bieten hier nie dagewesene Möglichkeiten, dies umzusetzen. Veraltete, vermeintliche Schutz-Regeln aus einer Zeit nicht digitaler Prozesse und starrer Strukturen dürfen dabei nicht im Wege stehen. Hier ist ein neuer Ausgleich zu finden, der Flexibilität ermöglicht, ohne einseitige Abhängigkeiten auszunutzen.
 

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Kapitel 2: Soziale Marktwirtschaft heißt offene Märkte

Offene Märkte nach innen und außen gehören zu den Grundpfeilern der Sozialen Marktwirtschaft. Die Arbeitsteilung zwischen Unternehmen in unterschiedlichen Ländern ermöglicht Spezialisierung und ist essentiell für höheren Wohlstand. Freier Handel ist kein Nullsummenspiel, bei dem der eine Partner gewinnt, was der andere verliert. Handel findet dann statt, wenn er für beide Seiten vorteilhaft ist. Unternehmen sind typischerweise wirtschaftlich erfolgreicher, wenn sie international agieren können. Und auch für Länder ist die Einbindung in die weltwirtschaftlichen Netzwerke ein wichtiger Wachstumstreiber. Erst der Zugang zu den weltweiten Märkten ermöglicht den wirtschaftlichen Erfolg des Mittelstands und den hohen Wohlstand in Deutschland.

Der drohenden Welle des Protektionismus muss mit verstärkten Anstrengungen für Freihandel begegnet werden. Insbesondere multilaterale Abkommen versprechen Fortschritt und stärken die globale Handelsordnung. Protektionistischen Maßnahmen einzelner Länder muss innerhalb der WTO-Regeln begegnet werden, um ein regelloses Aufschaukeln von Handelsschranken zu verhindern.

In einer Marktwirtschaft treiben Unternehmen (und Konsumenten) grenzüberschreitenden Handel, nicht Staaten. Exporte und Importe und demnach auch Leistungsbilanzüberschüsse oder -defizite sind das Ergebnis zahlreicher dezentraler Entscheidungen, die von allen Beteiligten als vorteilhaft angesehen wurden. In einer Sozialen Marktwirtschaft gibt es keine Zielgrößen für Handelsbilanzen.

Die Handelsbilanz eines Landes sagt nichts darüber hinaus, ob ein Land stärker vom internationalen Handel profitiert als ein anderes. Sie ist kein Zeugnis für den Erfolg oder Misserfolg einer Volkswirtschaft. Auch ein Land mit einer florierenden Wirtschaft, hohen Investitionen und hohen Konsumausgaben kann eine negative Handelsbilanz ausweisen. Außerdem übersieht die Handelsbilanz, dass durch Handel der Wohlstand gemehrt wird. Die Summe aller Handelsbilanzsalden ist null, der weltweite Wohlstandszuwachs des freien Handels ist deutlich positiv.

Wohlstand muss erarbeitet werden. Wo Fachkräfte fehlen, können keine Innovationen entstehen. Um attraktiver für ausländische Spezialisten zu werden, braucht es ein modernes und transparentes Zuwanderungsrecht. Es sollte so gestaltet sein, dass qualifizierte Zuwanderung leichter wird und unnötige Bürokratiehürden beseitigt werden.

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Kapitel 3: Soziale Marktwirtschaft schafft Vollbeschäftigung

Die Arbeitswelt verändert sich. Der starre Acht-Stunden-Tag ist aufgelockert und durch flexible Arbeitszeiten und Beschäftigungsmodelle ersetzt. Teil- und Gleitzeit, Jahres- und Lebensarbeitszeitkonten, Projekttätigkeit und Gruppenarbeit bestimmen bereits den Arbeitsalltag vieler Beschäftigter. Die Politik darf sich dieser Entwicklung nicht entgegenstellen.

Gleichzeitig liegt im Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Verhältnis eine ungleiche Machtverteilung vor. Während es für den Arbeitgeber relativ einfach ist, einen alternativen Mitarbeiter einzustellen, ist es für den Arbeitnehmer mit hohen Kosten und Risiken verbunden, ein bestehendes Arbeitsverhältnis zu kündigen (soweit nicht bereits ein neuer Anstellungsvertrag bei einem anderen Unternehmen in Aussicht ist). Aus diesem Ungleichgewicht ergibt sich ein Schutzbedürfnis des Arbeitnehmers, das in der Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft durch staatliche Regeln befriedigt wird. Ein gesetzlicher Rahmen zum Arbeitsschutz oder Kündigungsschutz ist daher untrennbar mit der Sozialen Marktwirtschaft verbunden.

Das staatliche Schutzversprechen begrenzt die Möglichkeiten von Arbeitnehmern und Unternehmen, gemeinsam die Arbeitsbedingungen zu vereinbaren. Dies darf aber nicht zur Entmündigung führen. So können Arbeitgeber und Arbeitnehmer an flexiblen Arbeitszeiten interessiert sein, um beispielsweise Erwerbs- und Familienarbeit besser in Einklang zu bringen. Die neuen Möglichkeiten, die durch digitale Technologien entstehen und in beiderseitigem Interesse sind, sollten nicht durch starre Regeln torpediert werden. Staatliche Regulierung von Arbeitsverhältnissen erhöht rechnerisch die Kosten eines Arbeitsplatzes und wirkt sich so unmittelbar auf die Beschäftigung aus. Die Aufgabe der Politik in der Sozialen Marktwirtschaft ist es, den Schutzbedürfnissen der Arbeitnehmer gerecht zu werden, ohne den Unternehmen die Möglichkeit zu nehmen, sich flexibel an veränderte Marktbedingungen anzupassen und damit Vollbeschäftigung zu sichern.

Die duale Berufsausbildung ist eine wichtige Voraussetzung dafür, dass Unternehmen qualifizierte Mitarbeiter gewinnen und binden können. Die Qualifikation der Mitarbeiter ist im internationalen Vergleich eine wichtige Stärke der deutschen Wirtschaft. Gleichzeitig ist die gute Ausbildung ein Schutz der Beschäftigten gegen Arbeitslosigkeit. Mit einer guten Qualifikation sinkt die Abhängigkeit des Arbeitnehmers von seinem aktuellen Unternehmen und von dessen wirtschaftlichem Erfolg.

Eine fördernde und fordernde Arbeitsmarktpolitik, die die Beschäftigungschancen von Arbeitslosen steigert und eine Integration in den Arbeitsmarkt zum Ziel hat, zählt ebenso zu den zentralen Instrumenten der Sozialen Marktwirtschaft. Insbesondere mit Blick auf die Langzeitarbeitslosigkeit steht die Arbeitsmarktpolitik vor großen Aufgaben.

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Kapitel 4: Soziale Marktwirtschaft schafft Chancengerechtigkeit durch Solidarität

In der Sozialen Marktwirtschaft gibt es drei wesentliche Systeme, die für soziale Sicherung und eine als gerecht empfundene Einkommensverteilung sorgen sollen:

1) Die Sozialversicherungen – insbesondere die Renten-, Kranken- und Pflegeversicherung – sollen für die Bevölkerung eine Absicherung gegen fundamentale Lebensrisiken bieten, sprich die finanziellen Risiken bei Krankheit und regelmäßige Einkünfte im Ruhestand absichern.

2) Das Steuersystem und ergänzende Transfersysteme wie beispielsweise das Kindergeld sollen Einkommensungleichheiten reduzieren und dazu eine Einkommensumverteilung vornehmen.

3) Die Grundsicherungssysteme wie das Arbeitslosengeld II (ALG II) haben die Aufgabe, einen materiellen Mindestlebensstandard sicherzustellen, auch wenn eine eigene Einkommenserzielung nicht möglich ist.

Die drei Typen von Sicherungssystemen basieren auf unterschiedlichen Ordnungsprinzipien, die das Verhältnis zwischen der Verantwortung jedes Einzelnen und der Fürsorgepflicht des Staates beschreiben und damit auch einen Rahmen für die weitere politische Gestaltung der jeweiligen Sicherungssysteme geben.

Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung sowie die Arbeitslosenversicherung dienen dazu, bestimmte Lebensrisiken abzusichern und Vorsorge für das Leben im Alter zu treffen.

Auch wenn das Solidaritätsprinzip immer wieder als charakteristisches Merkmal zitiert wird, ist das Versicherungsprinzip hier prägend. Die Soziale Marktwirtschaft verbindet die Effizienz einer marktwirtschaftlichen Versicherungsidee mit der Absicherung wichtiger finanzieller Risiken für die Bevölkerung.

So folgt aus dem Versicherungsgedanken das Äquivalenzprinzip, wonach Einzahlungen und Nutzen in einem Zusammenhang stehen sollen. Insbesondere stehen höheren Beiträgen zur Rentenversicherung höhere Rentenansprüche im Alter gegenüber. Dieses Prinzip sowie die Tragfähigkeit der Versicherung werden durch den demografischen Wandel infrage gestellt. Die zunehmenden Ansprüche der stärker werdenden Rentnerjahrgänge müssen von einer schrumpfenden Zahl an Beitragszahlern befriedigt werden. Aktuelle Beitragszahler haben höhere Beiträge zu erwarten, ohne dass sie mit entsprechend höheren Renten in der Zukunft rechnen können. Zur Stabilisierung des Rentensystems in der Sozialen Marktwirtschaft gehört ein fairer Beitrag aller Generationen – auch durch eine längere Lebensarbeitszeit – und eine zunehmende Selbstverantwortung durch private und betriebliche Beiträge zur Altersvorsorge.

Die Umverteilung in diesen Versicherungen erfolgt zunächst zwischen denjenigen, bei denen das Risiko auftritt, und denjenigen, bei denen es sich nicht realisiert. So gelingt insbesondere in der Gesetzlichen Krankenversicherung ein Ausgleich zwischen Personen mit unterschiedlich hohen Erkrankungsrisiken. Eine Einkommensumverteilung ist hingegen nicht primäre Aufgabe der Versicherungen, sie findet jedoch im Rahmen der einkommensabhängigen Krankenversicherungspreise statt. Auch die kostenlose Mitversicherung von nicht berufstätigen Ehefrauen in der Gesetzlichen Krankenversicherung widerspricht der Idee des Zusammenhangs von Leistung und Gegenleistung und ist auch nicht aufgrund des solidarischen Risikoausgleichs geboten.

Im Gegensatz zu einer rein privatwirtschaftlichen Versicherung sind die Sozialversicherungen verpflichtend. Damit wird dem Sozialstaatsgrundsatz folgend sichergestellt, dass nicht beispielsweise ärmere Bevölkerungsgruppen aus finanziellen Gründen von der Versicherung ausgeschlossen werden oder materiell oder gesundheitlich Begünstigte auf die Versicherung verzichten, um dann im Krankheitsfall entweder nicht ausreichend behandelt werden zu können oder aus öffentlichen Mitteln alimentiert werden zu müssen. Die großen Herausforderungen in der Verbindung von Versicherungsgrundsätzen und der sozialpolitisch motivierten Ausgestaltung liegt insbesondere in der Sicherstellung von Kosteneffizienz im Gesundheitssystem und in der Anpassung des Rentensystems an eine älter werdende Bevölkerung mit wachsenden Ansprüchen der zahlreicher werdenden Rentner, die von weniger Beitragszahlern bedient werden müssen.

Das prägende Prinzip des Steuersystems mit Blick auf den sozialen Ausgleich ist das Leistungsfähigkeitsprinzip, das vor allem in der Einkommensteuer dominant ist und damit auch das gesamte Steueraufkommen prägt. Das Leistungsfähigkeitsprinzip bedeutet, dass jeder Steuerzahler entsprechend seiner Leistungsfähigkeit zur Staatsfinanzierung beitragen soll. Höhere Einkommen werden daher überproportional besteuert, geringere Einkommen niedriger oder sogar vollständig von der Steuer freigestellt. Die progressive Einkommensteuer und ihre erhebliche umverteilende Wirkung ist ein zentrales Sozialstaatselement in der Sozialen Marktwirtschaft. Auch hier muss in der konkreten Ausgestaltung ein gesellschaftlich als angemessen empfundenes Umverteilungsniveau gefunden werden, das nicht zu leistungsfeindlich hohen Steuersätzen und damit verbundenen Wachstumseinbußen führt.

Die Basisabsicherung wird durch Leistungen garantiert, die dem Fürsorgeprinzip folgen. Die Sicherstellung eines soziokulturellen Existenzminimums garantiert in der Sozialen Marktwirtschaft ein Mindestmaß an gesellschaftlicher Teilhabemöglichkeit für jeden, unabhängig von der eigenen Einkommens- und Vermögenssituation. Dabei ist dem Subsidiaritätsprinzip folgend zunächst einmal die Familie zur Unterstützung oder Unterhaltszahlung verpflichtet. Erst wenn dies nicht ausreicht, ist die Gesellschaft in Form der staatlichen Kassen gefordert. In der konkreten Ausgestaltung beispielsweise des Arbeitslosengeldes II muss der gesellschaftliche Mindeststandard gemessen am Wohlstandsniveau des Landes gefunden werden, der gleichzeitig nicht die Anreize stört, die eigene Lebenssituation durch eigene Anstrengung – wo dies möglich und zumutbar ist – zu verbessern.

Besonders wichtig für die Entwicklung von Teilhabechancen ist eine gute Bildung. Ein qualitativ hochwertiges und gut ausgebautes Bildungssystem ist damit ein zentraler Bestandteil der Sozialen Marktwirtschaft in Deutschland. Bessere Bildung bringt höhere Einnahmechancen und reduziert gleichzeitig Arbeitsmarktrisiken. Damit das Bildungsniveau hoch bleibt, braucht es neben einer ausreichenden öffentlichen Finanzierung auch Regeln, die den Wettbewerb zwischen den Bildungseinrichtungen fördern und so die Bildungsqualität weiter verbessern.

Im Sinne einer Chancengerechtigkeit sind gute Kindergärten ebenso wichtig wie der Zugang zu den jeweils passenden Bildungsangeboten. Eine möglichst gute schulische Bildung, die berufliche Ausbildung und die universitäre Ausbildung schaffen Teilhabemöglichkeiten für möglichst alle Bevölkerungsschichten. Kontinuierliche Fort- und Weiterbildung sorgen dafür, dass auch im weiteren Berufsleben Entwicklungsmöglichkeiten gesichert und genutzt werden können.

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Kapitel 5: Haushalt und Finanzen

Die öffentlichen Haushalte sind mehr als das Kassenbuch des Staates. Hier zeigen sich die Prioritäten staatlicher Politik, aber auch das Ausmaß der staatlichen finanziellen Intervention in die privaten wirtschaftlichen Prozesse. Ordnungspolitische Entscheidungen müssen sich hingegen nicht unbedingt in finanziellen staatlichen Verpflichtungen und entsprechenden Ausgaben niederschlagen.

In der Sozialen Marktwirtschaft müssen die notwendigen staatlichen Aufgaben solide finanziert werden, die Steuerlast der Bürger sollte möglichst gering gehalten und die öffentliche Verschuldung nicht dafür genutzt werden, heute zusätzliche Konsumwünsche von späteren Steuerzahlern finanzieren zu lassen.

Die Finanzierung des Staates erfolgt im Wesentlichen durch Steuern, die Bürger und Unternehmen bezahlen müssen. Der kleinere Teil der Einnahmen beruht auf Gebühren, denen eine direkte staatliche Gegenleistung gegenübersteht. Einnahmen aus kommerzieller Geschäftstätigkeit können nur eine Ausnahme sein, da der Staat in der Sozialen Marktwirtschaft auf kommerziell funktionierenden Märkten nicht als privilegierter Anbieter auftreten sollte.

Steuern sind immer Zahlungen, die mit staatlichen Zwangsmitteln durchgesetzt werden, und insofern keine freiwilligen Entscheidungen der Bürger. Dieser legitime staatliche Eingriff in das Eigentum der Bürger stellt die Politik in einer freiheitlichen Gesellschaftsordnung unter eine besondere Verantwortung: Steuermittel sind nicht beliebig einzusetzen, vielmehr ist jede staatliche Ausgabe begründungspflichtig und dem Gebot der Sparsamkeit unterworfen. Ziel muss es sein, die notwendigen staatlichen Aufgaben mit einer möglichst geringen Steuerlast für die Bürger zu realisieren. Auch die Aufnahme von Schulden entbindet die Regierung nicht von dieser besonderen Sorgfaltspflicht, da aufgenommene Schulden durch spätere Steuerzahlungen gedeckt sein müssen.

In der Struktur des öffentlichen Haushalts spiegeln sich die aktuellen politischen Prioritäten wider, die zu den Anforderungen einer längerfristig orientierten Wirtschaftspolitik im Widerspruch stehen können. So ist über die letzten Jahrzehnte ein Rückgang der investiven Anteile der Haushalte zu beobachten. Die Kürzung von Investitionen fällt im politischen Prozess oftmals leichter als die Kürzung anderer Ausgaben, langfristig wird damit jedoch das Potenzial zukünftigen Wirtschaftswachstums geschwächt. In einer Sozialen Marktwirtschaft, in der der Staat bestimmte Infrastrukturen wie beispielweise Straßen und Schulen zur Verfügung stellt, müssen auch adäquate öffentliche Investitionen möglich sein.

Gleichzeitig ist der Anteil der Sozialausgaben am staatlichen Budget über die Jahrzehnte angestiegen. Auch der deutliche Rückgang der Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren hat daran nichts geändert. Im Gegenteil werden weiterhin neue Sozialleistungen mit lang andauernden Kostenbelastungen versprochen und umgesetzt. Die steigenden Anteile der Sozialausgaben in einem ohnehin deutlich wachsenden Staatsbudget zeigt eine Verschiebung der politischen Schwerpunkte. Sozialen und umverteilenden Maßnahmen ist eine höhere Priorität eingeräumt worden als investiven Aufgaben. Dies ist insbesondere dann problematisch, wenn Aufgaben der langfristigen Wohlstandssicherung systematisch vernachlässigt werden, um kurzfristige Konsumausgaben zu ermöglichen.

Ein hoher Schuldenstand schränkt die Möglichkeiten ein, zukünftige Aufgaben zu finanzieren und beispielsweise mit fiskalischen Maßnahmen auf schwere Wirtschaftskrisen zu reagieren. In der Finanzkrise wurde deutlich, wie wichtig der Spielraum für eine staatliche Schuldenaufnahme sein kann und wie kritisch es ist, wenn die Verschuldungsgrenzen erreicht oder überschritten werden. Die dauerhafte, teils erhebliche Neuverschuldung über viele Jahrzehnte war nicht Ausdruck einer Konjunktur- oder Investitionspolitik, sondern eines erhöhten staatlichen Konsums, dem keine höheren Steuereinnahmen gegenüberstanden. Eine konsolidierende Haushaltspolitik, die auch immer wieder die Ausgaben auf ihre Notwendigkeit überprüft und damit Einsparpotenziale realisiert und Verschuldung nicht als reguläre Einnahmequelle versteht, entspricht der langfristigen Perspektive der Sozialen Marktwirtschaft. Mit der Schuldenbremse hat Deutschland ein funktionierendes Instrument zur Eindämmung der Staatsschuld geschaffen. Sie ist ein gelungenes Beispiel einer regelbasierten Haushaltspolitik.

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Kapitel 6: Umwelt und Klimaschutz

Heute ist ein Ordnungsrahmen, der bestehende Umweltprobleme adressiert, integraler Bestandteil der deutschen Wirtschaftsordnung der Sozialen Marktwirtschaft. Mit der Integration der entstehenden Schäden in die Wirtschaftsrechnung der Unternehmen und Konsumenten wird dem Prinzip der Einheit von Handeln und Verantwortung Rechnung getragen. Die Internalisierung von externen Effekten durch ordnungsrechtliche Regeln oder marktwirtschaftliche Instrumente erhöht die Wohlfahrt des Landes, verhindert Schäden und berücksichtigt gleichzeitig die veränderten Wertvorstellungen der Gesellschaft gegenüber der Umwelt.

Die deutsche Umweltpolitik hat sich aus dem Ordnungsrecht entwickelt und erst nach und nach ökonomische Steuerungslogik integriert. Dabei kann der Preis für die Nutzung der natürlichen Umwelt ein sehr wirkungsvolles Instrument sein, um Schäden zu reduzieren und gleichzeitig effizienten Umweltschutz zu betreiben. Aufgabe der Umweltpolitik in der Sozialen Marktwirtschaft muss es sein, die Umweltziele zu möglichst geringen Kosten zu erreichen. So können Zielkonflikte zwischen der ökologischen, der sozialen und der ökonomischen Dimension der Nachhaltigkeit reduziert werden.

Preissignale sind insbesondere beim Klimaschutz ein etablierter Bestandteil der Umweltpolitik. Das zentrale Ordnungsprinzip der Sozialen Marktwirtschaft, ein funktionierendes Preissystem, wirkt auch zum Schutz des Klimas. Der CO2-Emissionsrechtehandel führt dazu, dass die Obergrenzen für die Emission von Treibhausgasen eingehalten werden. Die Unternehmen haben Interesse daran, die günstigsten Möglichkeiten zu suchen, um ihre Umwelteinflüsse zu reduzieren. Da der Emissionshandel aber nur innerhalb der Europäischen Union gilt, sind die Preise für CO2-Emissionen in Europa deutlich höher als in anderen Ländern. Damit entstehen Kostennachteile für Unternehmen in der EU, die durch Ausnahmen und Sonderregeln ausgeglichen werden. Hier muss zwischen der Effizienz eines einheitlichen Preissignals und den Auswirkungen auf die inländischen Unternehmen abgewogen werden. Die Ordnung der Sozialen Marktwirtschaft bietet den Rahmen, in dem diese Abwägungen vorgenommen werden können. Eine zentrale Planung der Umgestaltung der Gesellschaft ist hingegen nicht mit dem freiheitlichen Ansatz der auf dezentraler Verantwortung und klaren Ordnungsstrukturen basierenden Sozialen Marktwirtschaft zu vereinbaren.

Der Umweltnutzung einen Preis zu geben ist ein grundlegendes marktwirtschaftliches Prinzip, das genutzt werden kann, um negative Auswirkungen der wirtschaftlichen Tätigkeiten zu verringern. Dazu sind möglichst einheitliche Preise für alle gleichartigen Emissionen notwendig. Bei globalen Umweltproblemen wie dem Klimawandel muss ein internationaler Ordnungsrahmen gefunden werden, um Wettbewerbsverzerrungen zu verhindern. Das übergreifende Konzept der nachhaltigen Entwicklung (Hauff, 1987), das die Sicherung gleichwertiger Lebensgrundlagen für zukünftige Generationen einfordert und einen Ausgleich zwischen wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Interessen sucht, entspricht den normativen Grundlagen der Sozialen Marktwirtschaft, die sich mit Blick auf die ökologische Herausforderung in den letzten Jahrzehnten deutlich weiterentwickelt hat.
 

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