Steuern senken – jetzt
Standpunkt

Keine Verlängerung für den Soli

Fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung haben sich die Verhältnisse in Ost und West weitgehend angeglichen, sodass nur noch ein Bruchteil der Soli-Einnahmen für ihren Zweck verwendet wird. Die Pläne der Großen Koalition, die Soli-Einnahmen nun zur Finanzierung neuer Wahlgeschenke zu verwenden, sind verfassungsrechtlich problematisch. Ein Standpunkt von Hubertus Pellengahr.

 

23. April 2018

Prof. Kube zum SoliSoli-Gutachten

Die friedliche deutsche Wiedervereinigung war ein großer historischer Glücksfall. Sie war aber kein Geschenk – zumindest nicht in dem Sinne, dass die Beschenkten nichts zahlen mussten. Im Gegenteil. Um die desaströse wirtschaftliche Lage Ostdeutschlands nach der Wiedervereinigung in die heute blühenden Landschaften zu verwandeln, waren gigantische Geldsummen nötig. Zeitweise sogar mehr, als die regulären Steuereinnahmen einbrachten. Die Bundesregierung hat daher gleich zwei Mal eine Ergänzungsabgabe eingeführt, den sogenannten Solidaritätszuschlag, kurz Soli. Wir alle – in Ost und West – haben über diesen Steuerzuschlag im vergangenen Vierteljahrhundert über 300 Milliarden Euro gezahlt.

Das Interessante und leider in der öffentlichen Debatte zu selten Erwähnte ist dabei: Der Soli ist ganz bewusst sozialverträglich konstruiert. Zahlen müssen ihn nur Bürgerinnen und Bürger, die so viel verdienen, dass sie pro Jahr mehr als 972 Euro (gemeinsam veranlagte Ehepaare 1944 Euro) Lohn- bzw. Einkommensteuer zahlen müssen, d. h. wer nichts oder nur wenig verdient, ist von dieser Sonderanstrengung nicht finanziell betroffen. Wer hingegen viel Steuern zahlt, zahlt auch viel Soli. Das ist die logische und gewünschte Konsequenz unseres progressiven Steuersystems. In den vergangenen Jahrzehnten hat sich auch niemand beklagt, dass die Kosten der Wiedervereinigung größtenteils von Gut- und Spitzenverdienern und Unternehmen gestemmt wurden. Warum auch, schließlich heißt es ja Solidaritätszuschlag.

Fast 30 Jahre nach der Wiedervereinigung haben sich die Verhältnisse in Ost und West so weit angeglichen, dass nur noch ein Bruchteil der Soli-Einnahmen für ihren eigentlichen Zweck verwendet wird. Das Gros fließt in den großen Steuertopf, um dort alles Mögliche zu finanzieren. Die INSM ist schon lange davon überzeugt, dass der Soli seine Schuldigkeit getan hat und gehen kann. Allein im Bundeshaushalt werden bis 2022 70 Milliarden Euro mehr zur Verfügung stehen, als zur Deckung der geplanten Ausgaben nötig wären. Zudem ist das baldige Ende des Soli auch verfassungsrechtlich geboten.

Über die Abschaffung des Soli wurde in den vergangenen Monaten teilweise heftig gestritten. Aus meiner Sicht völlig zu Unrecht wurde dabei von einigen behauptet, eine Abschaffung des Soli würde vor allem höhere Einkommen und Unternehmen entlasten. Was für eine Verdrehung der Argumente. Es war ja gerade die besonders sozialverträgliche Gestaltung des Solidaritätszuschlags, die dafür gesorgt hat, dass Menschen mit wenig Geld nicht noch zusätzlich belastet werden. Hier wurde ein Vierteljahrhundert lang Solidarität gefordert und Solidarität geleistet. Da der Bundeshaushalt aber zur Finanzierung der Wiedervereinigung bald keine zusätzlichen Mittel mehr benötigt, braucht es diese spezielle Solidarität nicht mehr. Menschen mit geringem Einkommen haben keinen Nachteil, wenn der Soli, den sie nie bezahlen mussten, abgeschafft wird.

Solidarität zu fordern, wenn sie nicht gebraucht wird, widerspricht dem Gedanken der Solidarität fundamental. Aber leider haben Union und SPD in ihren Koalitionsverhandlungen die Einnahmen durch den Soli lieber zur Finanzierung neuer Wahlgeschenke eingeplant, als sich an das Versprechen zu halten, ihn nur so lange zu verlangen, wie er auch tatsächlich gebraucht wird. Das mag man für schlechten politischen Stil halten. Aus Sicht des Verfassungsrechts ist es aber sehr viel mehr.

Hubertus Pellengahr

Es ist eine Frage der politischen Glaubwürdigkeit, den Soli endlich abzuschaffen.