Mindestlohn
Standpunkt

„Der Mindestlohn ist ein schleichendes Gift“

Noch treibt der Mindestlohn nur die Preise. Doch schon bald werden steigende Lohnkosten und mehr Bürokratie auch den Arbeitsmarkt belasten. Bis zu 570.000 Stellen sind gefährdet - wenn die Politik nicht reagiert, so INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr in einem Gastbeitrag für die Tageszeitung "Die Welt".  

von Hubertus Pellengahr

24. Februar 2015

Hubertus Pellengahr

Schon nach ein paar Tagen feiern die Befürworter des Mindestlohns ihr Experiment als Erfolg. Seht her, heißt es, die Arbeitslosenzahlen steigen trotz staatlich verordneter Lohnuntergrenze nicht. Doch für so ein Urteil ist es viel zu früh. Ökonomen haben bereits vor der Reform prognostiziert, dass der Mindestlohn erst mit Verzögerung Jobs kosten wird. Die Bundesagentur für Arbeit rechnet frühestens 2016 mit belastbaren Zahlen über die Auswirkungen des Gesetzes.

 

 

 

Spätestens dann dürften die negativen Folgen ersichtlich werden. Die Arbeitsmarktexperten Prof. Dr. Ronnie Schöb (Freie Universität Berlin) und Prof. Dr. Andreas Knabe (Universität Magdeburg) haben berechnet, dass in den kommenden Jahren bis zu 570.000 Jobs wegfallen könnten, darunter hauptsächlich Arbeitsplätze für Geringqualifizierte. Bei einer Umfrage der Deutschen Industrie und -Handelskammer (DIHK) gab jedes zweite Unternehmen in Ostdeutschland an, hohe Löhne seien das größte Geschäftsrisiko.

 

 

 

Warum zeigen das die Arbeitsmarktzahlen jetzt noch nicht? Der Mindestlohn wirkt wie ein schleichendes Gift. Firmen wollen ihre Mitarbeiter zunächst halten. Schließlich haben sie die Leute mühsam angelernt. Unternehmen versuchen deswegen, ihre gestiegenen Kosten durch Preiserhöhungen zu kompensieren. In den Daten des Statistischen Bundesamts zeigt sich das bereits: Taxifahrten verteuerten sich im Januar beispielsweise um 5,2 Prozent, die Preise für Haushaltshilfen stiegen doppelt so schnell wie in den 20 Jahren zuvor. Auch Unternehmen in der Gastronomie und der Textilreinigung verlangen deutlich mehr.

 

 

 

Das trifft nicht nur den Verbraucher. Höhere Preise bedeuten auch weniger Kunden. Unternehmen werden ihre Geschäfte also in einigen Bereichen zurückfahren müssen. Projekte, die zuvor lukrativ erschienen, werden abgeblasen. Im schlimmsten Fall drohen sogar Pleiten. 

 

 

 

Hinzu kommt: Nicht nur die höheren Löhne belasten die Firmen. Unternehmer beklagen zu Recht die ausufernde Bürokratie, die das Gesetz verursacht. Selbst für Mitarbeiter, die 2.950 Euro im Monat verdienen, ist die Arbeitszeit in vielen Branchen penibel zu dokumentieren. Hinzu kommt die anhaltende Rechtsunsicherheit, da Auftragnehmer jetzt auch für die Einhaltung der Mindestlohnregularien bei ihren Auftragnehmern und ggf. sogar deren Auftragnehmer haften. Die Gesetzeslage ist so unübersichtlich, dass nicht einmal das Bundesarbeitsministerium für seine Auslegung und Empfehlung  geradestehen will und sicherheitshalber für die staatliche Arbeitgeber eine Sonderregelung geschaffen hat: für sie gelten nicht die gleichen Vorschriften, wie für private Unternehmen. Statt sich um Aufträge und Innovationen zu kümmern, müssen Unternehmer mit zusätzlichen Hindernissen und Stolpersteinen zurechtkommen. 

 

 

 

Abschaffen lässt sich der Mindestlohn  so schnell nicht mehr. Zumindest sollten aber die größten Gefahren behoben werden: Unnötige Vorschriften müssen zurückgenommen werden. Außerdem sollte es mehr Ausnahmen geben, beispielsweise für geringqualifizierte oder junge Arbeitnehmer und Berufseinsteiger. Dank der verzögerten Wirkung des Mindestlohns auf den Arbeitsmarkt, hat die Politik jetzt noch die Möglichkeit, die bedrohten Arbeitsplätze zu retten. Diese Zeit muss sie nutzen.