Mindestlohn
Was gegen den Mindestlohn spricht

Mindestlohn: "Mehr Schaden als Nutzen"

Für den Mindestlohn sind viele, dabei richtet er "mehr Schaden an, als er nützt“, sagt Prof. Dr. Michael Bräuninger vom Hamburgischen WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) beim Marktwirtschaftlichen Dialog der INSM am 26. Juni 2014, wo er sich mit den Argumenten der Befürworter auseinander setzt. Sein Fazit: In vielen Fällen halten die Argument der Befürworter der Wissenschaft nicht stand.

24. Juni 2014

Frühstücksdialog zum Thema Mindestlohn Prof. Dr. Michael Bräuninger (HWWI), MdB Mark Hauptmann (CDU) sowie Hubertus Pellengahr (INSM) v.r.n.l. beim Frühstücksdialog zum Mindestlohn am 26. Juni 2014

In der Debatte um den Mindestlohn werden von den Befürwortern viele Argumente vorgebracht, die in vielen Fällen wissenschaftlicher Argumentation nicht standhalten. Exemplarisch wird im Folgenden auf die Argumentation der Kampagne des DGB für Mindestlöhne eingegangen. Im Folgenden werde ich argumentieren, dass keines dieser Argumente haltbar ist. Dabei habe ich die Reihenfolge der Argumente leicht verändert.

Ein Argument verweist darauf, dass 21 von 28 EU-Staaten bereits Mindestlöhne eingeführt haben. Die Notwendigkeit von Mindestlöhnen sei in Europa unumstritten. Nur Deutschland hinke dem europäischen Standard hinterher. Dieses Argument ist angesichts der Arbeitsmarktentwicklungen in den letzten Jahren höchst fragwürdig. In fast allen Ländern der EU ist die Arbeitslosigkeit in dieser Zeit deutlich angestiegen. Im Gegensatz dazu hat Deutschland die Finanz- und Wirtschaftskrise und die sich daran anschließende Eurokrise ohne gravierende negative Folgen am Arbeitsmarkt überstanden. Ausschlaggebend dafür war ein flexibel gestalteter Arbeitsmarkt, so dass Arbeitgeber und Arbeitnehmer sich dem konjunkturellen Einbruch schnell anpassen konnten. Insofern orientieren sich verschiedene Reformen in anderen EU-Ländern an Deutschland und es wird nicht deutlich, warum dies beim Mindestlohn anderes herum sein sollte.

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Als weiteres Argument wird genannt, dass Mindestlöhne Klarheit über das Lohnniveau schaffen. So wüssten Arbeitnehmer was ihnen zustünde und sie würden nicht aus Unwissenheit Jobs annehmen, deren Bezahlung unterhalb des Branchenstandards liegt. Dieses Argument unterstellt eine große Unwissenheit der Arbeitnehmer. Tatsächlich werden aber die meisten von ihnen (in Westdeutschland 85 Prozent, in Ostdeutschland 73 Prozent) über dem Mindestlohn bezahlt. Das zeigt, dass Arbeitnehmer sehr wohl wissen, was der Branchenstandard ist. Zudem ist mündigen erwachsenen Bürgern zuzutrauen, dass sie selbst besser wissen als der Staat, zu welchem Lohn sie ihre Arbeit am Markt anbieten können.

Ein drittes Argument ist, dass Mindestlöhne Armut verhindern würden. Sie würden sicherstellen, dass Menschen von ihrer Arbeit leben können und keine weitere Unterstützung vom Staat benötigen. Tatsächlich ist Armut aber von der familiären Situation und vom sozialen Kontext abhängig. Mit einer Vollzeitbeschäftigung zum Mindestlohn ist ein monatliches Einkommen von 1.350 Euro brutto zu erzielen. Eine dreiköpfige Familie gilt aber als armutsgefährdet, wenn ihr Nettoeinkommen unter 1.406 Euro netto liegt. Bei nur einem Verdiener wäre schon hier der Mindestlohn nicht ausreichend, um eine Absicherung gegen Armut zu erreichen. Bei einer Familie mit mehreren Kindern könnte, selbst wenn beide Eltern Vollzeit zum Mindestlohn arbeiten, dies nicht ausreichen um die Familie vor der Armut schützen.

Anderseits müssen jüngere Beschäftigte mit Einkommen unter 1.350 Euro brutto nicht notwendigerweise arm sein. Eine Studie des IAB zeigt, dass der Mindestlohn viele Arbeitnehmer nicht vor Armut schützt. So werden die meisten Aufstocker, dies auch zukünftig bleiben, ohne dass der Mindestlohn zu Einkommenssteigerungen führt. Aber auch bei denjenigen, die durch den Mindestlohn über die Armutsgrenze gehoben werden, wird es aufgrund der fehlenden Aufstockung am Ende kaum Einkommenseffekte geben.

Aufbauend auf das Armutsargument wird behauptet, dass Mindestlöhne zukünftige Altersarmut verhindern. Das größte Risiko für Armut und Altersarmut ist aber (Langzeit-)Arbeitslosigkeit. Und das größte Risiko für Arbeitslosigkeit ist eine geringe Bildung. Hier muss man ansetzen, um Armut zu verhindern. Deshalb sind Ausnahmen vom Mindestlohn, wenn er aus politischen Gründen eingeführt werden soll, für Langzeitarbeitslose und für junge Menschen ohne Berufsabschluss notwendig. Wenn Langzeitarbeitslose nur zum Mindestlohn beschäftigt werden könnten, würde diese die Langzeitarbeitslosigkeit weiter zementieren. Bei Jüngeren ohne Berufsabschluss könnte der Mindestlohn den Eindruck erwecken, Abschlüsse seien nicht unbedingt notwendig. Nur wenige Arbeitgeber können Praktikanten einen Mindestlohn von 8,50 Euro bezahlen. In der Folge wird der Mindestlohn viele Praktikumsplätze vernichten und so Ausbildungs-, und Einstiegsmöglichkeiten für junge Erwachse reduzieren.

Es wird weiter argumentiert, dass Mindestlöhne würdigere Arbeitsbedingungen schaffen würden. Tatsächlich ist der Lohn ein Ausdruck der Wertschätzung einer Arbeit. Aber Arbeitslosigkeit bedeutet einen Lohn von Null. Insofern muss es zunächst darum gehen, Arbeitslosigkeit zu verhindern. Außerdem ist es fraglich, welcher Lohn „Würde“ schafft. Dies ist abhängig von Alter, Bildung und sozialem Umfeld. Hier gibt es deshalb auch regional große Differenzen. Ein einheitlicher flächendeckender Mindestlohn kann dem nie gerecht werden. Zwei weitere Argumente gehen in die Richtung, dass Mindestlöhne für mehr Gerechtigkeit sorgen würden. So könnten Mindestlöhne Abwärtsspiralen stoppen und würden die Gleichberechtigung fördern, da sie insbesondere Frauen schützen würden. Tatsächlich besteht die Gefahr einer Abwärtsspirale zurzeit nicht. In den vergangenen Jahren sind die Löhne in Deutschland wieder deutlich angestiegen.

Zudem ist die Arbeitslosigkeit in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen. Über die nächsten Jahre wird die Zahl der Erwerbspersonen aufgrund des demografischen Wandels sinken. Der schon heute in verschiedenen Branchen bestehende Mangel an Arbeitskräften wird sich weiter verstärken. Dies führt zu weiter steigenden Löhnen; gesetzliche Mindestlöhne sind daher nicht notwendig. Gleichberechtigung erfordert eine bessere Verein-barkeit von Familie und Beruf. Diese ermöglichte eine kontinuierliche Erwerbsbeteiligung von Frauen, die dann dazu führt, dass Frauen nicht besonders von Niedriglöhnen betroffen wären.

Es wird weiter behauptet, dass Mindestlöhne den Staatshaushalt entlasten würden. Es wäre die Aufgabe der Unternehmen und nicht des Staates, für existenzsichernde Einkommen zu sorgen. Die Aufgaben von Unternehmen ist es aber nicht, Einkommen oder Beschäftigung zu sichern. Vielmehr erstellen Unternehmen im Wettbewerb zu anderen Unternehmen Produkte. Dazu benötigen sie Arbeitskräfte, die sie für ihre Tätigkeit bezahlen. Der Lohn wird dabei entsprechend zur Produktivität festgelegt. Diese ist aber unabhängig von der familiären und sozialen Situation des Beschäftigten. Deshalb entsprechen produktivitätsgerechte Löhne auch nicht notwendig dem, was von den Mindestlohnbefürwortern als sozial angemessenes Einkommen erachtet wird. Die soziale Absicherung ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe und nicht die von Unternehmen.

Weiter wird argumentiert, dass Mindestlöhne fairen Wettbewerb schaffen würden. Sie würden verhindern, dass sich Unternehmen über Lohndumping Wettbewerbsvorteile verschaffen können. Tatsächlich ist es vielmehr umgekehrt: Mindestlöhne verhindern Wettbewerb. So hindern sie z. B. Unternehmen und Arbeitskräfte aus strukturschwachen Regionen daran, ihre Wettbewerbsnachteile zu kompensieren, während Unternehmen in strukturstarken Gegenden weniger Probleme haben werden, Mindestlöhne zu zahlen. Damit zementieren Mindestlöhne eine ungleiche Verteilung. Gerade Unternehmen im Osten werden an einem Aufholprozess gehindert.

Als letztes sei hier angeführt, dass der DGB meint, Mindestlöhne würden die Binnenwirtschaft ankurbeln und damit zu mehr Nachfrage und Beschäftigung führen. Tatsächlich führen höhere Löhne aber zu höheren Preisen. Damit steigt auch die gesamtwirtschaftliche Kaufkraft nicht. Außerdem geht mit höheren Preisen die Nachfrage zurück. Dies wird am Beispiel des Frisörbesuchs deutlich: Sofern der Frisör als Reaktion auf steigende Preise nicht alle vier Wochen, sondern nur noch alle fünf Wochen besucht wird, gehen die Nachfrage und die Beschäftigung um 20 Prozent zurück. Außerdem können noch Ausweichreaktionen in die Schattenwirtschaft (z. B. Nachbarschaftshilfe) stattfinden. In anderen Branchen könnte auch eine Abwanderung von Unternehmen stattfinden. Die Schätzungen über den Beschäftigungseffekt sind sehr divers – in der Mehrzahl kommen sie aber zu hohen Arbeitsplatzverlusten. Insgesamt dürfte der Verlust an Arbeitsplätzen zwischen 400.000 und 900.000 liegen.

Insgesamt wird deutlich, dass sich die Beschäftigungssituation verschlechtern wird. Gleichzeitig wird der angestrebte soziale Ausgleich nicht erreicht.