Kampagne: Nachhaltige Rente
Generationengerechtigkeit

Nachwuchspolitiker liefern sich hitzige Debatte über Rentenpolitik

Eine gute Rentenpolitik sollte über Jahrzehnte gedacht werden, nicht in Legislaturperioden. Angesichts des beschlossenen Rentenpakets drängt sich allerdings der Eindruck auf, die Große Koalition verteilt kurzsichtig teure Wahlgeschenke  – an die ältere Generation. Wie beurteilen Vertreter der jungen Generation diese Rentenpolitik? Darüber diskutierten die beiden Jung-Politiker Kevin Kühnert (SPD) und Paul Ziemiak (CDU) beim ZEIT-Hauptstadtgespräch, eine Zusammenarbeit der INSM mit dem ZEIT Verlag.

10. September 2018

INSM-Position Rente

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Die Chefs der beiden Nachwuchsorganisationen von SPD und Union, Kevin Kühnert und Paul Ziemiak, haben sich einen kontroversen Schlagabtausch über die Zukunft der Rente in Deutschland geliefert. Gemeinsamer Nenner? Fehlanzeige. Der 33-jährige Unionspolitiker Ziemiak sprach sich angesichts der demografischen Entwicklung und der steigenden Lebenserwartung für eine Ausweitung der Lebensarbeitszeit aus. Der 29-jährige Kühnert dagegen setzt auf steigende Beiträge und höhere Steuern.

„Das Kernproblem ist, dass wir alle länger leben. Es braucht also eine Kopplung des Renteneintrittsalters an die Lebenserwartung. Für jedes Jahr, das wir länger leben, ein Drittel mehr Beiträge“, sagte der junge Bundestagsabgeordnete Ziemiak am Montagabend in Berlin. Die Menschen grundsätzlich länger arbeiten zu lassen ist für Kühnert indes keine Option. „Niemand wird daran gehindert, so lange zu arbeiten, wie er möchte“, sagte Kühnert. Allerdings müsse man sehen, wie sich das auf „normale Beschäftigte“ auswirke. „Es gibt ganz viele Menschen, die mit Anfang 60 denken, es wäre schön, wenn es jetzt dann mal vorbei wäre“, sagte Kühnert. „Wenn man die Fragen nicht beantwortet, was man mit diesen Leuten macht, hat man ein Problem.“
 

  • INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr begrüßt die Gäste
  • Paul Ziemiak MdB (CDU), Bundesvorsitzender der Jungen Union, Kevin Kühnert (SPD), Bundesvorsitzender der Jusos, diskutieren mit ZEIT-Redakteur Mark Schieritz über Generationengerechtigkeit und die Zukunft des deutschen Rentensystems
  • Paul Ziemiak MdB (CDU), Bundesvorsitzender der Jungen Union
  • Kevin Kühnert (SPD), Bundesvorsitzender der Jusos

Woher die Milliarden Euro kommen sollen, die das von der Regierung beschlossene Rentenpaket vor allem ab 2025 kosten wird, wenn die geburtenstarken Jahrgänge in Rente gehen, ist offen. Ziemiak stellte klar:  „Wenn heute etwas bezahlt wird, muss das auch heute finanziert werden und nicht durch Beiträge in der Zukunft.“ Es gehe darum, das System zukunftsfest zu gestalten. „Die Frage von Bedürftigkeit und Rente, es wird alles in einen Topf geworfen. Dann hat jeder in jeder Lebensfrage einen Anspruch. Das ist falsch“, erläuterte Ziemiak. „In der Sozialen Marktwirtschaft muss man unterscheiden zwischen Lebensleistung und Bedürftigkeit. Das sind zwei verschiedene Dinge.“

Kühnert sagte, es sei Aufgabe der Politik, nicht nur die umlagefinanzierte Rente aufrechtzuerhalten, sondern auch ungünstige Entwicklungen in der Gesellschaft abzufedern. Die Debatte sei politisch motiviert. „Wir haben Angstmacherei, und dagegen wehre ich mich“, sagte Kühnert. „Es geht um eine gesamtgesellschaftliche Risikoabsicherung. So habe ich Olaf Scholz verstanden.“ SPD-Finanzminister Olaf Scholz hatte vorgeschlagen, das Rentenniveau bis 2040 zu stabilisieren, ohne dafür einen Finanzierungsvorschlag vorzulegen. Kühnert sprach sich für einen Anstieg der Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung auf 22 Prozent aus. „Es ist ja nicht so, dass uns die Beiträge überfordern“, sagte er. Der Juso-Chef kann sich auch eine Erhöhung etwa der Erbschaftssteuer vorstellen. „Da lässt der Staat Geld liegen.“

„Das kann nicht im Sinne der jungen Generation sein“, sagte Ziemiak. „Wenn der Staat mit dem Geld nicht auskommt, dann hat er etwas falsch gemacht“, sagte er mit Blick auf die Milliardenüberschüsse im Bundeshaushalt, die vor allem der guten Konjunktur und den niedrigen Zinsen zu verdanken sind.  Außerdem dürften Investitionen in die Digitalisierung oder den Ausbau der Infrastruktur nicht zu kurz kommen. „Wir haben eine Rentenkommission, die soll jetzt erst mal tagen, wenn jeder rote Linien zieht, funktioniert das nicht.“

Einer aktuellen Civey-Umfrage zufolge befürworten mehr als 80 Prozent der Bundesbürger, dass die Politik erst die Vorschläge der Rentenkommission abwarten soll, bevor sie neue Rentengesetze beschließt. Fest steht schon jetzt, dass die Kosten des Rentenpakets vor allem die jungen Generationen bezahlen müssen. „Das nur scheinbar befristete Rentenpaket wird nämlich bis zum Jahr 2045 weitere Kosten in Höhe von 240 Milliarden Euro nach sich ziehen“, sagte INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr. „Das Geld wird meiner Generation der Babyboomer zugutekommen, draufzahlen müssen die Jüngeren, am meisten der Jahrgang 1997.“

Das Rentenpaket von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) sieht vor, die Beiträge sowie das Rentenniveau bis zum Jahr 2025 zu „stabilisieren“ (so genannte doppelte Haltelinie). Der Beitragssatz etwa soll bis zum Jahr 2025 nicht über 20 Prozent steigen. Der Anstieg von heute 18,6 Prozent auf 20 Prozent ist fest eingeplant. Ohne das Rentenpaket von Minister Heil hätte der Beitrag zur gesetzlichen Rentenversicherung nach den Worten der Präsidentin der Deutschen Rentenversicherung Gundula Roßbach im nächsten Jahr sogar gesenkt werden können – um 0,3 Prozentpunkte.

Die Moderation des ZEIT-Hauptstadtgesprächs in Zusammenarbeit mit der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft (ISNM) übernahm Mark Schieritz, wirtschaftspolitischer Korrespondent der ZEIT.