Kampagne: Nachhaltige Rente
Hubertus Pellengahr 5. April 2019
Standpunkt zur „Respekt“-Rente

Bei der Rente muss auch in Zukunft gelten: Wer mehr einzahlt, erhält mehr

Hubertus Heil wird seine Gründe gehabt haben, warum er seinem Grundrentenvorschlag den Neusprech-Namen „Respekt“-Rente verpasst hat – der klingt für unbedarfte Ohren gut und soll die Menschen offenbar darüber hinwegtäuschen, dass die Pläne mit Respekt im Grunde nichts zu tun haben, dafür aber sehr viel mit Wahlgeschenken. INSM-Geschäftsführer Hubertus Pellengahr fragt sich, wo da der Respekt bleibt vor der Leistung der Menschen, die sich ein Leben lang angestrengt haben. Die „Respekt“-Rente ist in Wahrheit eine Murks-Rente.


Nach den Vorstellungen des Bundesarbeitsministers sollen an bis zu vier Millionen Rentner schätzungsweise fünf bis zehn Milliarden Euro zusätzlich ausgezahlt werden, obwohl nur ein Bruchteil tatsächlich bedürftig ist. Dafür fehlen in Heils Konzept Maßnahmen, um Altersarmut zu verhindern. Es fehlen auch Anreize, selbst vorzusorgen und es fehlt an Ideen, die Rentenfinanzierung langfristig zu stabilisieren.

Zentraler Faktor für die Höhe der gesetzlichen Rente in Deutschland ist die Höhe der in einem Arbeitsleben geleisteten Beiträge. Wer viel und lange eingezahlt hat, bekommt mehr als jemand, der wenig und kurz einbezahlt hat. Das Vorhaben von Minister Heil verabschiedet sich von einem bewährten Grundsatz der Gesetzlichen Rentenversicherung in Deutschland: dem Äquivalenzprinzip. Die Pläne sind ungerecht, teuer, gehen am Problem der Altersarmut vorbei und ebnen den Weg für einen Systemwechsel zu einer steuerfinanzierten Einheitsrente.

Heil will alle kleinen Renten aufstocken. Sie sollen um zehn Prozent über der Grundsicherung im Alter liegen. Voraussetzung ist, dass mindestens 35 Jahre Beiträge gezahlt wurden, wobei Kindererziehungs- und Pflegezeiten angerechnet werden sollen. Anders als im Koalitionsvertrag mit der Union vereinbart, verzichtet Heil bewusst auf eine Bedürftigkeitsprüfung. Der Kreis der Begünstigten steigt dadurch von ca. 130.000 auf drei bis vier Millionen. Diese Zahlen hat der Minister selbst genannt – das sind 30 Mal mehr Profiteure auf Kosten der Steuer- und Beitragszahler und auf Kosten der Gerechtigkeit.

Der Grund für Armut im Alter ist meist eine lange Arbeitslosigkeit bereits vor Erreichen des Renteneintrittsalters und damit fehlende Rentenversicherungszeiten sowie -beiträge, um auf eine auskömmliche Rente zu kommen. Von den drei Prozent der über 65-Jährigen, die Grundsicherung im Alter beziehen, haben drei von vier schon vor ihrem 65. Geburtstag Hartz IV bezogen. Wer in Not gerät, kann sich auch im Alter auf die Solidarität der Gesellschaft verlassen. Voraussetzung ist aber eine Bedürftigkeitsprüfung, da es sich um eine Sozialleistung handelt, die von den Steuerzahlern finanziert wird. Statt durch zielgenaue Maßnahmen gegen Altersarmut vorzugehen, will Minister Heil nun aber Milliarden an Steuergeldern mit einer „Respekt“-Rente an Menschen auszahlen, die mitunter gar nicht bedürftig sind. Ökonomen erwarten milliardenschwere Mitnahmeeffekte.

Die Rentenhöhe muss sich auch in Zukunft an den geleisteten Beiträgen orientieren – alles andere wäre ein Dammbruch. Der demografische Wandel stellt das umlagefinanzierte Rentensystem in Deutschland ohnehin auf die Probe: Immer mehr Rentner bei immer weniger Beitragszahlern - und dieses Verhältnis wird sich in Zukunft zuungunsten der Zahler weiter verschlechtern. Die größte Belastungsprobe für das Rentensystem ist der Renteneintritt der so genannten Baby-Boomer in den nächsten Jahren. Damit der Steuerzuschuss zur Rentenversicherung nicht immer weiter steigt und es nicht zu einem schleichenden Systemwechsel vom beitragsfinanzierten Umlageverfahren hin zu einer steuerfinanzierten Einheitsrente kommt, müssen die Weichen jetzt gestellt werden.

Die Politik kennt die Gemengelage. Doch ihr Handeln vor wichtigen Landtagswahlen im Osten und der Europa-Wahl ist offenbar nicht mehr an den Fakten orientiert. Wir erinnern uns: Die Bundesregierung hat eigens eine Rentenkommission eingesetzt. Die darin vertretenen Experten sollen Reformvorschläge für eine zukunftsfeste Ausgestaltung der Rentenversicherung erarbeiten. Voraussetzung ist freilich, dass die Regierung in der Rentenpolitik so lange stillhält und nicht ständig Rentenpakete auf den Weg bringt mit Folgekosten in Milliardenhöhe und Beschlüssen, die kaum noch rückgängig gemacht werden können – man denke nur an Mütterrente, Rente mit 63, Doppelte Haltelinie und, und, und.

Stattdessen reibt sich der interessierte Zeitungsleser die Augen: Fast täglich finden immer neue und immer tollere Begriffe Eingang die politische Debatte. Zur „Respekt“-Rente gesellte sich zuletzt ein Rentenschutzschirm à la Söder, der zumindest an einer Bedürftigkeitsprüfung festhält und staatliche Sozialleistungen nicht mit erworbenen Ansprüchen vermengt. Aus der CSU kommen auch noch andere Vorschläge, mit ebenfalls illustren Namen wie die „Plus“-Rente. Dahinter verbirgt sich die Idee des Arbeitnehmerflügels der Union, für eine Bedürftigkeitsprüfung nur noch das laufende Einkommen heranzuziehen, nicht aber Vermögenswerte. Grundsätzlich ist es zu begrüßen, wenn höhere Freibeträge auf die Rente gelten sollen, denn dadurch würde das Leistungsprinzip gestärkt. Aber es ist unerlässlich, jedwedes Konzept an eine Bedürftigkeitsprüfung zu knüpfen, die diesen Namen auch verdient hat. Alles andere widerspräche dem Grundgedanken des Sozialstaats, der Menschen helfen soll, die Hilfe benötigen, und nicht Parteien, die Wählerstimmen brauchen.