Große Aufgaben
Familie und Beruf

"Wir werden durch zu viele Regeln und Auflagen ausgebremst"

Die Berlinerin Flavia Bleuel (35), Mutter der fast zweijährigen Emilie, hat viel Zeit aufwänden müssen, um einen guten Kitaplatz für ihre Tochter zu erhalten. Ein Erfahrungsbericht über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.

23. Mai 2016

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Flavia Bleuel, Mutter der fast zweijährigen Emilie Flavia Bleuel (35), Berlin, Mutter der zweijährigen Emilie, arbeitet als Program-Managerin an der HPI Academy mit einer festen Halbtags-Stelle und als freiberuflicher Coach für Design Thinking, Mitgründerin von Coobeya – ein Expertennetzwerk für Innovation - sowie als Dozentin für Kommunikationsforschung und Medienpsychologie.

Ich habe großen Respekt vor allen, die ein Kind alleine groß ziehen. Das Arbeitsleben kann herausfordernd sein und wir müssen uns gut organisieren - mit meinem Mann, der als freiberuflicher Englisch-Dozent arbeitet, und mit meinem Mix aus Festanstellung und Freiberuflichkeit. Mein Glück ist, dass ich relativ gut vorausplanen kann und wir unsere Termine oft gut in Einklang bringen können.

Emilie kam einem Monat nach ihrem ersten Geburtstag in den Kindergarten. Und bisher ist alles reibungslos verlaufen. Manchmal ist es etwas eng ohne die Unterstützung unserer Familien, die leben in Thüringen und England. Aber wir haben eine wunderbare Babysitterin, und unsere Freunde helfen uns auch mal aus. Das ist unser erstes Sicherheitsnetz. Bisher haben wir es jedoch immer geschafft, so zu planen, dass einer von uns beiden im Notfall verfügbar war. Für die Eingewöhnung von Emilie habe ich mir zwei Monate Zeit genommen. Es war mir sehr wichtig, dass sie sich wirklich wohl fühlte und ich sie guten Gewissens in der Kita lassen konnte. Den Platz haben wir übrigens gesucht und gefunden durch Kommunikation, Kommunikation, Kommunikation – und ich habe Emilie bereits angemeldet, als sie noch bei mir im Bauch war.

Ich weiß schon gar nicht mehr, wie viele Kitas wir uns angeschaut haben, letztendlich angemeldet haben wir uns bei zehn Kindergärten. Aber damit war es nicht getan, da muss man am Ball bleiben. Bei manchen Kitas mussten wir uns einmal im Monat melden, um zu bestätigen, dass wir noch interessiert sind. Zu der Kita, in die wir Emilie sehr gern bringen wollten, sind wir dann regelmäßig hingegangen. Und da hat’s dann auch geklappt, durch unsere Hartnäckigkeit. Emilie fühlt sich sehr wohl und es gibt sogar einige Angebote auf Englisch, wie Liedersingen, was wir besonders gut finden, da unsere Tochter bilingual aufwächst.

Für mich war klar, dass ich nach einem Jahr zurück in meinen Job möchte. In meinem Umfeld und Freundeskreis wollen die meisten nach ein bis zwei Jahren wieder in den Beruf einsteigen. Es ist schon nervenaufreibend nicht zu wissen, ob man einen Kitaplatz für sein Kind bekommt. Es ist gesetzlich geregelt, dass jede Familie Anspruch auf einen Betreuungsplatz hat. Aber der Platz muss auch erreichbar sein. Manche Eltern haben das Problem, dass die Kita in einem anderen Kiez liegt. Ich finde, das ist unnötiger Druck, zum Beispiel durch lange Fahrtwege und es wird zur Mammutaufgabe sich durch den Berufsverkehr pünktlich zurück zu Kita zu kämpfen.

Einige unserer Freunde haben nicht in ihrer Wunsch-Kita einen Platz bekommen, sondern fahren zum Teil quer durch die Stadt, damit ihre Kinder betreut werden und sie arbeiten können. Aber es hapert nicht nur an der Menge der Kinderbetreuungsplätze. Auch die Qualität lässt leider teilweise zu wünschen übrig. In unserer Kita gibt es drei Erzieherinnen für 22 Kinder – der gesetzliche Betreuungsschlüssel ist für mich nicht nachvollziehbar. Die Erzieherinnen machen ihren Job exzellent, aber sie haben eine krasse Dauer-Belastung, weil sie sich um so viele Kinder gleichzeitig kümmern müssen. Ich bin Elternsprecherin in der Kita meiner Kleinen und versuche auch immer hinter die Kulissen zu schauen und zu helfen, wo es nur geht. Und auch die Erzieherinnen sind sehr engagiert. Sie entwickeln spannende Programme für die Kinder wie zum Beispiel zwei Wochen spielzeugfrei. Und sie legen viel Wert darauf, sich regelmäßig fortzubilden. Ich finde es klasse, dass Emilie in ihrer Kita mit verschiedenen Kulturen und Sprachen in Kontakt kommt. Es gibt immer wieder Thementage, an denen dann Essen aus einem anderen Land gekocht und den Kindern die verschiedenen Kulturen näher gebracht werden.

Wenn ich mir was wünschen dürfte, dann wäre das ein größeres und besseres Angebot an Kita-Plätzen, sodass alle Familien die Möglichkeit haben, ihre Kinder in ihrem Kiez betreuen zu lassen. Dann würde ich den Betreuungsschlüssel erhöhen, damit mehr Erzieher weniger Kinder betreuen können, also für jedes Kind auch mehr Zeit haben. Dazu sollte dringend die Bürokratie abgebaut werden. Bei uns in der Kita würden viele Eltern sich gerne mehr einbringen dürfen – zum Beispiel über den Förderverein -, aber wir werden durch zu viele Regeln und Auflagen ausgebremst. Oft dürfen wir gar nicht so helfen, wie es nötig und sinnvoll wäre. Außerdem sollte die Regierung noch mehr Wert auf gesundes Essen in Kitas und Schulen legen, da besteht wirklich Verbesserungsbedarf.