Im Jahr 1999 bezeichnete das britische Wirtschaftsmagazin „Economist“ Deutschland als „kranken Mann Europas“. Damals waren vier Millionen Menschen arbeitslos – und es ging weiter abwärts. Bis ausgerechnet ein SPD-Bundeskanzler die Reißleine zog.
21. Februar 2017Standpunkt zu Schulz-PlänenPressemeldung zur INSM-AnzeigeWo Martin Schulz irrtStandpunkt zu Hartz IV
Am 14. März 2003 sprach Bundeskanzler Gerhard Schröder die entscheidenden Worte: „Wir müssen den Mut aufbringen, in unserem Land jetzt die Veränderungen vorzunehmen, die notwendig sind, um wieder an die Spitze der wirtschaftlichen und der sozialen Entwicklung in Europa zu kommen.“ Und weiter: „Wir werden Leistungen des Staates kürzen, Eigenverantwortung fördern und mehr Eigenleistung von jedem Einzelnen abfordern müssen.“
Es war kein Wohlfühlprogramm, das Schröder im Verlauf seiner Regierungserklärung zur „Agenda 2010“ darlegte. Diese Agenda 2010 bündelte das Wirtschaftsreformprogramm der rot-grünen Bundesregierung zu einem großen Ganzen – und ihr Kernstück waren jene Modernisierungen des Arbeitsmarkts, die die sogenannte Hartz-Kommission unter Führung des damaligen VW-Personalvorstands Peter Hartz ein Jahr zuvor erarbeitet hatte.
Bis heute ist der Protest gegen die daraus resultierenden Hartz-Gesetze nicht abgeebbt. Es ist daher kein Wunder, dass der frischgebackene SPD-Kanzlerkandidat Martin Schulz glaubt, bei den Wählern punkten zu können, indem er verspricht, die Agenda 2010 in Teilen zu revidieren. Werfen wir die Zeitmaschine an: Wünscht sich wirklich jemand ins Jahr 2005 zurück?
… zählte Deutschland im Februar 2005. Knapp 4,9 Millionen waren es im Durchschnitt des Jahres 2005. Nie zuvor waren im einstigen Wirtschaftswunderland so viele Menschen auf Arbeitssuche. Man könnte es perfektes Timing nennen, dass Anfang des Jahres 2005 das zur Agenda 2010 zählende Gesetzespaket Hartz IV in Kraft trat: Die Arbeitslosenhilfe wurde mit der Sozialhilfe zum Arbeitslosengeld II zusammengelegt und die Bezugsdauer des Arbeitslosengelds I, das sich am vorherigen Einkommen orientiert, von maximal 32 auf 18 Monate für Ältere gekürzt.
Was dann geschah, ist zwar nicht nur Hartz IV zuzuschreiben, sondern auch den vorhergehenden Gesetzen Hartz I bis III, in denen unter anderem die Bedingungen für Zeitarbeit und Mini-Jobs erleichtert wurden. Eindrucksvoll ist die Entwicklung gleichwohl: Schon 2006 waren nur noch 4,5 Millionen Menschen arbeitslos, 2007 dann 3,8 Millionen – binnen zwei Jahren war die Zahl der Arbeitslosen damit um über eine Million reduziert.
Und so ging es in der Folgezeit weiter: Die deutsche Wirtschaft erholte sich, überstand die Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 dank des flexiblen Arbeitsmarkts nahezu unbeeindruckt, und 2011 rutschte die Zahl der Arbeitslosen dann erstmals seit 1992 wieder unter drei Millionen. 2016 waren schließlich nur noch 2,7 Millionen Menschen in diesem Land als arbeitslos registriert.
… verzeichnete Deutschland im Durchschnitt des Jahres 2005. Das bedeutet: Jeder achte unter 25-Jährige, der arbeiten konnte und wollte, fand keinen Job. Im Jahr 2015 hatte Deutschland gerade noch eine Jugendarbeitslosenquote von 5,4 Prozent. Das bedeutet in absoluten Zahlen:
Während 2005 noch 620.00 junge Menschen arbeitslos gemeldet waren, betraf dies zehn Jahre später nur noch 239.000.
Auch die Jugendlichen haben unmittelbar von der Agenda 2010 profitiert. Die Jugendarbeitslosenquote fiel schon bis 2008 auf 7,2 Prozent.
Deutschland wird heute in ganz Europa um seine niedrige Jugendarbeitslosigkeit beneidet. Nicht einmal in wirtschaftlich ähnlich gut gestellten Ländern wie Dänemark, Österreich oder den Niederlanden müssen sich junge Leute so wenig Sorgen um ihre Zukunft machen. Ganz zu schweigen von den südeuropäischen Krisenländern Spanien und Griechenland, wo 2015 fast 50 Prozent der arbeitssuchenden Jugendlichen leer ausgingen. Ein Vorbild in Sachen Jugendarbeitslosigkeit – auch das war Deutschland keineswegs schon immer: 2005 sprang lediglich ein Mittelfeldplatz im Europa-Ranking heraus.
… waren 2005 seit mehr als einem Jahr vergeblich auf Arbeitssuche. Zuletzt traf dies nur noch auf eine Million Arbeitssuchende zu. Die größten Erfolge beim Abbau der Langzeitarbeitslosigkeit waren in den ersten Jahren nach Inkrafttreten der Hartz-Gesetze zu verzeichnen: 2009 zählte Deutschland 600.000 Langzeitarbeitslose weniger als 2005.
Auch im Fall der Langzeitarbeitslosigkeit macht der Europavergleich besonders anschaulich, wie viel sich seit 2005 getan hat. Damals mussten in Deutschland laut Eurostat knapp 53 Prozent aller Arbeitslosen länger als ein Jahr nach Arbeit suchen, während dies im EU-Schnitt nur auf 45 Prozent zutraf. Heute ist es umgekehrt: 2015 waren hierzulande nur noch knapp 44 Prozent der Arbeitslosen langzeitarbeitslos, in der EU dagegen rund 48 Prozent.