Steuern & Finanzen
Staatsfinanzen

Konsolidieren und wachsen: Der Staat nach Corona – ein Ausblick

Der Staat steckt im Dilemma: Er nimmt in der Pandemie weniger ein, gibt aber mehr aus. Die Notlösung liegt in der Aussetzung der sogenannten Schuldenbremse. Der Frage, wo die öffentlichen Finanzen in und nach der Corona-Krise stehen, ist eine Studie des Instituts für Weltwirtschaft im Auftrag der INSM nachgegangen. Im Folgenden einige Ergebnisse in Kürze.

24. November 2020

Gutachten herunterladen (PDF)Summary vom Studienautor

In der Corona-Krise ist der Staat gefragt. Seine Aufgaben: dazu beitragen, das Infektionsgeschehen im Griff zu behalten und jene Wirtschaftszweige und Menschen finanziell zu stützen, die unter der Pandemie besonders leiden.

Letzteres ist für den Staat eine doppelte Herausforderung. Denn durch die Wirtschaftskrise infolge der Pandemie sinken seine Steuereinnahmen (bis einschließlich September 2020 lagen sie 8 Prozent unter Vorjahr), gleichzeitig hilft er mit steigenden Ausgaben den Menschen in den betroffenen Wirtschaftszweigen. 

Die Folge: Im Vergleich zur Wirtschaftsleistung waren die Staatsausgaben im vereinten Deutschland noch nie so hoch wie in diesem Jahr (siehe Grafik unten).

Erläuterung zur Grafik: Die Prognosen der Gemeinschaftsdiagnose des Sachverständigenrates weisen auf einen deutlichen Anstieg der Staatsausgaben in Relation zum Bruttoinlandsprodukt hin. Zieht man die Zinsausgaben ab, die kurzfristig kaum dem Einfluss der Finanzpolitik unterliegen, erhält man die Primärausgaben. Zieht man von diesem zudem Vermögenstransfers ab – welche von Bankenrettungsmaßnahmen (2010) und der Übernahme der Treuhand (1995) in einigen Jahren stark beeinflusst sind –, werden die finanziellen Folgen der Corona-Pandemie mehr als deutlich. Diese sogenannten Primärausgaben ohne Vermögenstransfers werden in der Corona-Pandemie wohl auf historisch hohem Niveau liegen.

Finanzieren lässt sich diese Politik – trotz der soliden finanziellen Ausstattung infolge des langjährigen Wirtschaftsaufschwungs – kurzfristig nur mit neuen Schulden. Mit der Corona-Krise wurde eine Notsituation vom Bundestag festgestellt, die für das laufende Haushaltsjahr eine Nettokreditaufnahme über die Vorgaben der sogenannten Schuldenbremse hinaus erlaubt, welche Bund und Ländern eigentlich verbindliche Vorgaben zur Reduzierung des Haushaltsdefizits macht.

Infolge der festgestellten Notsituation wurde mit dem Nachtragshaushalt im Frühjahr 2020 eine Nettokreditaufnahme bewilligt, die deutlich über diesen Vorgaben liegt. Mit dem zweiten Nachtragshaushalt für das Jahr 2020, der eine Nettokreditaufnahme von rund 218 Milliarden Euro vorsieht, wurde diese Summe nochmals ausgeweitet.

Schuldenbremse hilft in Corona-Krise

Dass Deutschland in der aktuellen Krise leicht an diese Mittel kommt, ist auch der Schuldenbremse zu verdanken. Denn die Rückführung der Schulden in den vergangenen Jahren infolge der Vorgaben der Schuldenbremse macht eine Kreditaufnahme zu günstigen Konditionen erst möglich.

Auch deswegen braucht es nach der Pandemie eine schnelle Rückkehr zu einem stabilen Haushalt. Nur wer wenig verschuldet ist, hat in der Krise ausreichend Zugang zu finanziellen Mitteln.

Aber wie kommt Deutschland nach der Pandemie wieder zu soliden Staatsfinanzen?

Ein Vergleich mit der Finanzkrise kann helfen.

Die öffentlichen Haushalte haben sich von der Finanzkrise 2008 schnell erholt und dies, obwohl die wirtschaftliche Erholung in vielen Handelspartnerländern gedämpft blieb. Hilfreich waren der andauernde Aufschwung am Arbeitsmarkt, die sinkenden Zinsausgaben für Schulden und ein demografisches Zwischenhoch, bei dem so viele Menschen wie noch nie dem Arbeitsmarkt zur Verfügung standen. Die Folge: Die Einnahmequellen des Staates sprudelten bei gleichzeitig niedrigen Kosten für die Bedingung der Altschulden.

Jetzt gehen die Babyboomer in Rente und die Zinsen sind auf einem historischen Tiefpunkt. Deshalb steht der Staat bei Pandemie-Ende vor drei Herausforderungen. Er kann die Konsolidierung seiner Staatsfinanzen

  1. nicht in erster Linie über eine Erhöhung seiner Einnahmen finanzieren, sondern muss sich auf eine Begrenzung der Ausgaben fokussieren;
  2. fördern, indem er mit kluger Arbeitsmarktpolitik eine schnelle Rückkehr des Arbeitsmarkts zu Vor-Corona-Stärke begünstigt;
  3. durch eine nachhaltige Wachstumspolitik beschleunigen, weil das die Einnahme-Seite des Staates positiv beeinflusst. 

Begleitet werden sollte eine solche Politik von einer glaubwürdigen Strategie der Schuldenrückführung, etwa in Form eines Abbaupfads der in der Pandemie gemachten Schulden. Denn es wäre unfair, die Krisenkosten jene zahlen zu lassen, die in der Krise noch gar nicht gelebt haben. Und eine Verschiebung des Schuldenabbaus auf ferne Jahre würde zudem die Reaktionsfähigkeit in kommenden Krisen schmälern.

Fazit: Die Schuldenbremse der Vergangenheit hat einen wesentlichen Beitrag zur finanziell angemessenen Reaktion in der aktuellen Pandemie geleistet. Wir sollten zeitnah nach Pandemie-Ende zu ihr zurückkehren! Das geht, wenn wir auf der Ausgabenseite ansetzen. So gab es in den vergangenen Jahren reichlich rentenpolitische Maßnahmen, die Beitrags- und Steuerzahler belastet haben. Ein erster Schritt wäre daher, den Nachholfaktor in der Rentenversicherung wieder einzusetzen.