Nachholfaktor
INSM-Position: Nachholfaktor

Die Renten sollten nicht stärker steigen als die Löhne

Konzipiert ist der Nachholfaktor als Bestandteil der Rentenanpassungsformel und bewirkt, dass bei der jährlich erfolgenden Rentenanpassung notwendig gewesene, aber unterbliebene Rentenkürzungen (aufgrund der Rentengarantie) nachlaufend kompensiert werden.

22. November 2021

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Dies ist nur fair: Denn wenn Rentnerinnen und Rentner in guten Zeiten von steigenden Löhnen und steigendem Wohlstand profitieren, sollten sie auch in Krisenzeiten solidarisch auf Rentenerhöhungen verzichten. Der Nachholfaktor wurde mit Beschluss von 2018 im Zuge des damaligen Rentenreformpakets bis Juli 2025 ausgesetzt.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert: Den Nachholfaktor noch vor der nächsten Rentenanpassung 2022 wiedereinzusetzen.

Rentengarantie und Nachholfaktor sind zwei Seiten einer Medaille

Mit der seit Juli 2019 geltenden (verschärften) doppelten Haltelinie wurde der Nachholfaktor bis zum Juli 2025 ausgesetzt. Doch eigentlich gehören Rentengarantie und Nachholfaktor für eine gerechte und stabile Rente zwingend zusammen. Ursprünglich wurden Rentengarantie und Nachholfaktor während der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 eingeführt, um die Rentenanpassungen zu verstetigen. Seitdem kommt es dank Rentengarantie zu keinen nominalen Rentenkürzungen, was gleichzeitig einen konjunkturstabilisierenden Effekt hat. Dennoch sollten auch Rentnerinnen und Rentner an den finanziellen Folgen einer kurzfristig negativen Lohn- und Beschäftigungsentwicklung beteiligt werden, wie es der Nachholfaktor vorsieht, indem unterbliebene Rentenkürzungen mit späteren Rentensteigerungen verrechnet werden.

Laut Bundesministerium für Arbeit und Soziales ergäbe sich nach der geltenden Rentenformel aufgrund der Lohnentwicklung, des demografischen Wandels sowie Kurzarbeiter- und Arbeitslosengeld eine rechnerische Rentenanpassung von Minus 3,25 Prozent für das Jahr 2021. Wegen der Rentengarantie bleibt aber der ab 1. Juli 2021 geltende aktuelle Rentenwert weiterhin bei 34,19 Euro in den alten Bundesländern. 2022 rechnet die Gesetzliche Rentenversicherung damit, dass Renten so stark steigen, wie seit 40 Jahren nicht mehr. In den alten Bundesländern ist ein Plus von 5,2 Prozent möglich, in den neuen könnten die Renten sogar um Plus 5,9 Prozent steigen. Würde hingegen als Ausgleich für die Rentengarantie der Nachholfaktor gelten, würde die rein rechnerische Rentenerhöhung für 2022 halbiert, um die Stabilisierung der Renten aus dem Jahr 2021 zu kompensieren. Mit wiedereingesetztem Nachholfaktor würden die Renten 2022 also trotzdem voraussichtlich um über 2,5 Prozent erhöht.

Rentenniveau bleibt trotz Wiedereinsetzen des Nachholfaktors bei 48 Prozent

Die Folge des ausgesetzten Nachholfaktors ist, dass die gesetzlichen Renten nicht nur stärker steigen als ursprünglich gedacht, sogar das Sicherungsniveau klettert auf aktuell 49,4 Prozent. Denn die Rentengarantie ohne das Zusammenspiel mit dem Nachholfaktor führt zu einer Entkopplung von Renten und Löhnen.

Hinzu kommt, dass künftige Rentenanpassungen auf diesem erhöhten Rentenniveau aufsatteln, was wiederum heißt, dass die Beitragszahler dauerhaft, also über Jahrzehnte, höhere Beiträge zahlen müssten. Selbst wenn der Nachholfaktor noch vor der Rentenanpassung 2022 wiedereingesetzt würde, bliebe bis zum Ende der 20. Legislatur, also bis 2025, das Sicherungsniveau innerhalb seiner geltenden Haltelinie von 48 Prozent.

Kosten des ausgesetzten Nachholfaktors tragen Beitrags- und Steuerzahler

Die mit dem ausgesetzten Nachholfaktor verbundene Rentenerhöhung ist ungerecht. Zum einen profitieren Rentenempfänger einseitig und dauerhaft von Rentenerhöhungen ohne Solidarität mit den Beitragszahlenden zu zeigen. Zum anderen steigt mit dem Beitragssatz zur gesetzlichen Rentenversicherung automatisch auch der steuerfinanzierte Bundeszuschuss in die Rentenversicherung.

Nach Pimpertz und Schüler (2021) steigt der Beitragssatz dauerhaft auf ein höheres Niveau. Nach 2030 beträgt er durchgängig 0,3 bis 0,4 Prozentpunkte mehr, wenn der Nachholfaktor bis 2025 ausgesetzt bleibt. Neben dem Beitragssatz der Rentenversicherung steigt laut Börsch-Supan und Rausch (2020) auch automatisch und erheblich der Bundeszuschuss.

Weitere rentenpolitische Forderungen der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft stehen in den Ideen für den Neustart zur Rente sowie in der INSM-Position Rente.

 

Quellen