Zukunftswahl
Ausblick

Was Deutschland anpacken muss

Ausblick

Was Deutschland anpacken muss

Blick in die Zukunft: Ohne grundlegende Reformen werden wir unseren Wohlstand nicht halten können. Den Beitrag verfasste Dr. Daniel Stelter.

Wie wird Deutschland im Jahr 2040 aussehen? Eines kann man mit Sicherheit sagen: Wir werden ein altes Land sein. Die Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter wird laut Statistischem Bundesamt von heute 51,8 Millionen bis 2050 auf 43,2 bis 47,4 Millionen, je nach Zuwanderungsszenario, schrumpfen. Schon bis 2030 verlieren wir 2,6 bis 3,5 Millionen potenziell Erwerbstätige.

In den guten zehn Jahren vor der Corona-Krise wurden Renten-, Gesundheits- und Sozialsysteme nicht zukunftsfest gemacht. Die Regierungen setzten seit 2005 auf immer großzügigere Leistungsversprechen, ohne zu bedenken, dass sich damit die Finanzierungslücken für Systeme der Alterssicherung vergrößern. Die „schwarze Null“ entpuppt sich bei genauerem Hinsehen als ein Märchen der Politik.

Wie aber sichern und schaffen wir Wohlstand, der wesentlich aus der Zahl der Erwerbstätigen und deren Produktivität resultiert? Je mehr Menschen arbeiten und je produktiver sie sind, desto mehr kann sich eine Gesellschaft leisten. Deswegen müssen wir den Rückgang der Erwerbsbevölkerung stoppen und die Erwerbsquote in der Bevölkerung anheben. Dafür muss mittelfristig das Renteneintrittsalter erhöht und die Jahresarbeitszeit verlängert werden. Das ist machbar, denn die Lebenserwartung steigt und die Arbeitszeiten in Deutschland liegen unter dem Niveau anderer Staaten.

Die Produktivitätszuwächse sind seit Jahren in allen Industrieländern rückläufig. In Deutschland stagniert die Produktivität. Der zu verteilende Kuchen wird nicht größer, aber die Ansprüche auf Kuchen wachsen. Es ist unabdingbar, die Produktivität zu steigern. Dies beginnt mit höheren privaten und öffentlichen Investitionen, geht über ein leistungsfähigeres Bildungswesen bis hin zu einer Forschungs- und Entwicklungsinitiative. Japan ist in dieser Hinsicht beispielgebend. Obwohl die Erwerbsbevölkerung dort seit Jahren sinkt, wurde das Bruttoinlandsprodukt durch einen weit überdurchschnittlichen Anstieg der Produktivität stabilisiert. Das gelang durch weitgehende Automatisierung und den Einsatz von Robotern, was für alternde Gesellschaften eine große Chance ist.

Damit Unternehmen mehr investieren können, müssen sie von coronabedingten Schulden entlastet werden, indem der Staat auf die Forderungen verzichtet und sie über einen sehr langen Zeitraum abschreibt.

Natürlich sollten wir den Wohlstand intelligent nutzen, um Herausforderungen wie globaler Armut, Klimawandel und Sanierung der EU zu begegnen.

Um Armut und Wirtschaftsmigration zu lindern, brauchen wir eine wirksame Entwicklungspolitik. Vor-Ort-Hilfe in den Hauptzuwanderungsländern könnte etwa in der Eröffnung von Ausbildungszentren liegen, die neben Berufsausbildung auch Sprach- und Integrationskurse anbieten. Diese wären die Voraussetzung für eine legale Zuwanderung nach Deutschland.

Die Klimapolitik benötigt einen veritablen Neustart. Grundsätze von Effizienz und Effektivität müssen auch beim Klimaschutz gelten, denn die Ressourcen, die wir dafür aufbringen können, sind nicht unendlich. Deshalb sollten wir einen festen Prozentsatz des Bruttoinlandsprodukts definieren, den wir jährlich für Klimaschutz einsetzen. Ausgehend davon sind die Maßnahmen zu identifizieren, bei denen wir pro eingesetztem Euro den höchsten Effekt erzielen.

Neben schwachem Wachstum leiden EU und Eurozone unter zunehmender wirtschaftlicher und politischer Divergenz sowie zu hohen Schulden von Staaten und Privatsektoren. Die bisherige Antwort der Politik, durch weitere Integration und höhere Umverteilung die Union am Leben zu halten, führt in die Sackgasse. Wir wissen aus dem nationalen Länderfinanzausgleich, dass solche Mechanismen Unterschiede eher verfestigen als verringern.

Die Diskussion um die Gerechtigkeit der Einkommens- und Vermögensverteilung hat nicht erst seit Corona an Intensität gewonnen. Nach der (erheblichen) Umverteilung durch den Staat sind die Einkommen in Deutschland auch im internationalen Vergleich jedoch recht gleich verteilt. Vor Corona nahm die Ungleichheit sogar ab, weil die Einkommen in den unteren Gruppen schneller wuchsen.

Bei den Vermögen sieht das anders aus: Hier ist die Verteilung deutlich ungleicher als in den anderen Ländern der Eurozone, aber die Reichen in Deutschland sind nicht reicher als jene in Italien und Frankreich. Ganz anders die Situation für die überwiegende Mehrheit der deutschen Privathaushalte. Sie verfügen über geringere Vermögen, da die Deutschen weitaus weniger Immobilien und Aktien besitzen als die europäischen Nachbarn. Hier ist der Eigentumserwerb zu fördern.

„Wird die bisherige Politik fortgesetzt, drohen wirtschaftlicher Niedergang und soziale Konflikte.“

Letztlich brauchen wir einen Umbau des Steuer- und Abgabensystems. Das heutige System belastet den Faktor Arbeit überproportional. Die Entwicklung der Erwerbsbevölkerung zwingt uns, Arbeit so attraktiv wie möglich zu machen sowie die Finanzierung der Sozialkassen fair und zukunftsfähig zu gestalten. Notwendig ist eine teilweise Integration in das Steuersystem mit dem Ziel, die Grenzbelastung sowie das Abgabenniveau insgesamt zu senken. Betrachtet man die Verschuldung Deutschlands in Relation zu der anderer Staaten der Eurozone und die absehbare Monetarisierung von Schulden durch die EZB, ist eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger angezeigt.

Die bevorstehende Bundestagswahl hat entscheidende Bedeutung: Gelingt es, die genannten Ziele und Vorschläge in die Diskussion zu bringen und damit einen Gegenpunkt zum vorherrschenden Trend zu setzen oder nicht?

Wird die bisherige Politik fortgesetzt, dürfte der Traum von einem wohlhabenden und gerechten Land im Jahr 2040 ein Traum bleiben. Das Resultat: wirtschaftlicher Niedergang, soziale Konflikte und Verfehlen der Ziele im Klimaschutz.


Den Beitrag verfasste Dr. Daniel Stelter. Er ist Makroökonom, Berater und Autor. Sein Buch „Ein Traum von einem Land: Deutschland 2040“ ist im Campus-Verlag erschienen.

Copyright Foto: Robert Recker
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