Soziale Marktwirtschaft
Über Wolfgang Clement

Ganz unter uns, Wolfgang Clement: Danke

Namensbeitrag von Rezzo Schlauch aus der Festschrift zum 80 Jährigen Geburtstag von Wolfgang Clement.

Lieber Wolfgang Clement,

in der (partei-)politischen Landschaft, die ich ein Vierteljahrhundert durchpflügt habe, traf ich mit Dir auf einen menschlichen und politischen Solitär. Bei der Regierungsbildung der zweiten rot-grünen Koalition (2002–2005) hast Du, trotzdem Du bekanntermaßen kein Grünen-Freund warst und vor den Grünen in NRW nach Berlin geflohen warst, jenseits aller politischen Gepflogenheiten als Erstes einen Grünen als Parlamentarischen Staatssekretär in das Leitungsgremium Deines Wirtschafts- und Arbeitsministerium berufen.

Und so, wie Du mit den Grünen in NRW Deine Schwierigkeiten hattest, brachte ich aus Baden-Württemberg die Erfahrung mit einer SPD mit, die mir Jahre zuvor destruktiv und gegen jede politische Vernunft die OB-Wahl in Stuttgart vermasselt hatte. Eine Konstellation, die anfangs mit Argusaugen – kann das gut gehen? – beäugt wurde, entwickelte sich schnell zu einer bestens funktionierenden Achse, die spannend (ohne Spannungen) und mit viel Freude für mich verbunden war.

Ein Solitär, ein freigeistiger (sozialliberaler) Sozialdemokrat, bei aller politischen Kantigkeit den Menschen zugewandt.

Dies dank Deines unbändigen reformatorischen Tatendrangs, dank Deiner Souveränität und Deines freien Geistes, der mein Bild vom festgefahrenen Sozialdemokraten schnell vergessen ließ, und nicht zuletzt dank Deiner Großzügigkeit, die mir einen großen Aktionsradius eröffnete. Du hast mir hochrangigste Veranstaltungen, die auf Dich als in der Wirtschaft ungemein beliebter und anerkannter Minister zugeschnitten waren, übertragen und Du hast mich ohne Vorgaben in die Wirtschaftsministerkonferenzen geschickt, was Kollegen von mir in anderen Häusern, die zudem noch der gleichen politischen Farbe ihres Ministers angehörten, ungläubig aufnahmen, da sie ihrerseits immer mit genauesten Anweisungen versehen wurden.

Dies alles eingerahmt von dem Dir eigenen umwerfenden, oft auch sarkastischem Humor, der den grauen politischen Alltag aufhellte und zudem höchst motivierend war. Aber gleichzeitig auch in der inhaltlichen Kontroverse immer scharf argumentativ dem Gegenüber nichts schenkend.

Unvergessen eine Diskussion in der ich Dir nicht zuletzt auch aus süddeutscher Perspektive die endlosen Kohlesubventionen für NRW vorhielt und als sozialdemokratischen Traditionalismus geißelte. Du hieltest natürlich entsprechend dagegen, kamst aber wenige Tage später darauf zurück und sagtest mir: Du hättest Dir mal näher meine politische Schwerpunkte in meiner landespolitischen Zeit angesehen und wärst darauf gestoßen, dass ich mich immer für den Erhalt der im Süden vorhandenen kleingliedrigen Landwirtschaft, insbesondere auch der Schwarzwaldbauern, eingesetzt hatte, die ohne Subventionen keine Überlebensperspektive hätten. Und das sei doch genauso wie bei Kohlesubventionen nicht nur eine ökonomische, sondern eine kulturell-soziale Frage.

War natürlich ein argumentativer Blattschuss.

Herausragend und eine in der politischen Kultur mehr und mehr verschwindende Eigenschaft: Du hast die Dinge immer direkt und mit offenem Visier beim Namen genannt, egal ob es gegen Freund oder Feind ging. Und bei den Arbeitsmarktreformen, die ja stark von Deiner Handschrift geprägt waren, hattest Du vonseiten Deiner (Partei-)Freunde heftigsten Gegenwind. Ich kann mich gut erinnern, wie Du als eingefleischter Sozialdemokrat mich in der Hochzeit des parlamentarischen Prozesses hast wissen lassen, dass es Dir angenehmer wäre, über das Reformvorhaben, das ja den Grundstein für eine jahrzehntelange Wirtschaftsblüte geschaffen hat, mit der grünen als mit Deiner eigenen Fraktion zu diskutieren.

Du warst und bist, was auch Dein nachministerielles Wirken ja mehr als verdeutlicht, ein Solitär, ein freigeistiger (sozialliberaler) Sozialdemokrat, ein bei aller politischen Kantigkeit den Menschen zugewandter fröhlicher Menschenfreund voll von hintersinnigem Humor. Es hat große Freude gemacht und mir persönlich großen Gewinn gebracht, mit Dir zusammenarbeiten zu dürfen.

Danke dafür und ad multos annos
Dein Rezzo

 

Rezzo Schlauch

Vorsitzender der Bundestagsfraktion Bündnis 90/Die Grünen (1998–2002)
Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Wirtschaft und Arbeit (2002–2005)