Digitalisierung
Erkenntnis allein genügt nicht

11 Fakten zur Digitalisierung

Erkenntnis allein genügt nicht

11 Fakten zur Digitalisierung

Blumige Sonntagsreden sind das eine, das Handeln der Politik mitunter etwas völlig anderes. Für die Digitalisierung in Deutschland gilt diese Feststellung so sehr wie für kaum einen anderen Bereich: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.

29. November 2021

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Fakt 1: Deutschland verliert bei der Digitalisierung an Boden.

Fakt 2: Deutschland braucht schnelles Internet. An jeder Milchkanne.

Fakt 3: Digitale Verwaltung ist bislang ein frommer Wunsch.

Fakt 4: Deutschland braucht eine Digitalagentur.

Fakt 5: E-Identität ist dringend nötig.

Fakt 6: An einem Recht auf digitale Dienste kommen wir nicht vorbei.

Fakt 7: Unklarer Nutzen ist in Unternehmen Hürde für Digitalisierung.

Fakt 8: Rahmenbedingungen für Digital-Start-ups oft unattraktiv.

Fakt 9: Fachkräftemangel bremst Digitalisierung.

Fakt 10: Corona hat Digitalisierung der Schulen beschleunigt.

Fakt 11: Digitalisierung kann dem Klimaschutz dienen.

Blumige Sonntagsreden sind das eine, das Handeln der Politik mitunter etwas völlig anderes. Für die Digitalisierung in Deutschland gilt diese Feststellung so sehr wie für kaum einen anderen Bereich: Anspruch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander.

Corona hat Deutschland zwar zu einem unfreiwilligen Crash-Kurs in Digitalisierung verholfen. Vieles ging plötzlich voran, doch das reicht nicht. Der digitale Rückstand unseres Landes ist trotz einzelner Fortschritte nicht mehr wegzudiskutieren – viele internationale Rankings belegen dies.

Am Wissen um die Bedeutung von Digitalisierung für Wirtschaft und Gesellschaft mangelt es nicht.

Doch trotz zahlreicher Digital-Initiativen kommt Deutschland bei der Digitalisierung kaum vom Fleck. Wir haben kein Erkenntnisproblem, sondern ein Umsetzungsproblem – mit Folgen, die den hiesigen Wirtschaftsstandort zunehmend bedrohen.

Diese Faktensammlung nennt elf Punkte, von denen eine erfolgreiche, digital geprägte Zukunft abhängt, liefert die zugehörigen Kennzahlen und zeigt konkrete Ansätze, wie unser Land die digitale Transformation doch noch erfolgreich meistern kann.

Deutschland verliert bei der Digitalisierung an Boden.

Viele Produkte und Dienstleistungen aus Deutschland sind weltweit gefragt, und „Made in Germany“ ist weiterhin begehrt. Doch bei der Digitalisierung ist für Deutschland der Weg an die Weltspitze weit. Schlimmer noch: Bei vielen internationalen Rankings stand die Bundesrepublik zuletzt sogar schlechter da als noch vor ein paar Jahren.

Wie es um den Fortschritt bei der Digitalisierung steht, zeigt exemplarisch der renommierte Digital Riser Report 2021. Er nutzt Daten des Weltwirtschaftsforums, der Weltbank und der Internationalen Fernmeldeunion, um die Digital-Entwicklung von 137 Staaten zwischen den Jahren 2018 und 2020 anhand von zehn Indikatoren zu bewerten. Deutschland schafft es allein innerhalb der G20-Staaten hier nur auf den drittletzten Platz. Insgesamt hat Deutschland über alle zehn Indikatoren hinweg im Vergleich zu allen untersuchten Ländern sogar 176 Punkte verloren.

Quelle: Digital Riser Report, 2021

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Deutschland braucht schnelles Internet. An jeder Milchkanne.

Als eine Bundesministerin vor einiger Zeit erklärte, der besonders schnelle Mobilfunkstandard 5G müsse „nicht an jeder Milchkanne“ verfügbar sein, war der Protest groß. Zu Recht. Denn Deutschland braucht flächendeckend schnelles Netz – ob via Kabel oder Funk. Doch bislang ist die Versorgung nur in den Großstädten nahezu flächendeckend. Deutschlandweit können indes nur knapp 60 Prozent aller Haushalte mit mehr als 1.000 Mbit pro Sekunde (Mbit/s) surfen.

Der Staat hat verschiedene Stellschrauben, um das zu ändern: Es gibt viele Fördertöpfe, aber die Bewilligungsverfahren dauern zu lange. Ende 2025 läuft ein Teil der Lizenzen für den Mobilfunk aus, die Neuvergabe kann die Versorgungssicherheit in den Vordergrund rücken. Zudem sollte die Politik ermitteln, wo es sich für private Anbieter nicht lohnt, die Versorgung zu verbessern.

Quelle: Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2021

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Digitale Verwaltung ist bislang ein frommer Wunsch.

575 Leistungen der öffentlichen Verwaltung sollen bis Ende 2022 allen Menschen in Deutschland digital zur Verfügung stehen. Dazu verpflichtet das Onlinezugangsgesetz Bund, Länder und Gemeinden. Und die EU hat per Verordnung 73 besonders wichtige Angebote definiert, die die Mitgliedstaaten digital anbieten müssen.

Doch vom Erreichen dieser Wegmarken beim E-Government ist Deutschland meilenweit entfernt: Nur 84 der geplanten 575 Angebote standen bis Ende September 2021 in jeder Gemeinde zur Verfügung, ergab eine parlamentarische Anfrage beim zuständigen Bundesinnenministerium. Und von der EU-Liste war im Sommer 2021 kein einziges Angebot umgesetzt. Das kleinere Österreich, das wie Deutschland föderal organisiert ist, ist da ein ganzes Stück weiter.

Quelle: Europäische Kommission, 2021

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Deutschland braucht eine Digitalagentur.

Sieh, das Gute liegt so nah: In Österreich fungiert das Bundesrechenzentrum als Digitalisierungsagentur, die einerseits Schnittstelle zwischen Ressorts, Behörden und Gebietskörperschaften ist und andererseits viele E-Government-Innovationen (mit)entwickelt. Erfolgreich: Österreich steht in Digital-Rankings deutlich besser da als Deutschland.

Auch hierzulande ist eine Digitalagentur zentral, um die Digitalisierung voranzubringen. Sie sollte sich zweier Themen annehmen: Erstens müssen deutschlandweit funktionsfähige Schnittstellen geschaffen und Datenstandards etabliert werden, um unnötige Kosten zu verhindern. Zweitens sollten die Datenschutzvorgaben so angepasst werden, dass sie innovationsfreundlicher sind.

Quelle: IW-Zukunftspanel, 2020

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E-Identität ist dringend nötig.

Jede Form des E-Government funktioniert nur, wenn sich Bürger online eindeutig und rechtssicher identifizieren können. Estland – ohnehin ein digitaler Vorreiter – hat bereits vor über zehn Jahren eine digitale Signatur eingeführt. In Deutschland fehlt sie bis heute.

Der elektronische Personalausweis, den die vergangene Große Koalition aufwerten wollte, bleibt mit seinen Möglichkeiten weit hinter Lösungen anderer Länder zurück – beispielsweise hinter der österreichischen Bürgerkarte.

Der Normenkontrollrat fordert eine eID für Deutschland. Dabei dürfen keinesfalls mehrere inkompatible Varianten parallel entwickelt werden. Diese Gefahr ist real. Private Konsortien arbeiten bereits an Lösungen, weil sie nicht auf den Staat warten können oder wollen.

Quelle: Bundesdruckerei, 2020

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An einem Recht auf digitale Dienste kommen wir nicht vorbei.

Ein Unternehmen zu gründen ist fast überall auf der Welt leichter als in Deutschland. Im entsprechenden Ranking der Weltbank landete Deutschland bei diesem Punkt im Jahr 2020 weit abgeschlagen auf Platz 125 von 190.

Wer hierzulande eine GmbH gründen möchte, muss neun Verfahren durchlaufen, dreimal muss er dafür persönlich vor Ort erscheinen. In Estland, im Weltbank-Ranking immerhin auf Platz 14, sind nur zwei bis drei Schritte nötig, und alle können online erledigt werden. Entsprechend sollte der deutsche Staat für definierte Behördenakte ein Recht auf digitalen Service einführen – dann müssten die Kommunen flächendeckend in ganz Deutschland für gute digitale Angebote sorgen. Das spart auch Bürokratie und langwierige Behördengänge mit viel Papierkram.

Quelle: Weltbank, 2020

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Unklarer Nutzen ist in Unternehmen Hürde für Digitalisierung.

Mehr als 53 Prozent der Unternehmen in Deutschland zögern noch immer, auf datengetriebene Geschäftsmodelle zu setzen, weil für sie deren Nutzen unklar ist. So lautet das Ergebnis einer aktuellen Befragung.

Doch während die Chancen der Digitalisierung teilweise noch im Unklaren liegen, wird die digitale Transformation sicher nicht am Bewusstsein darüber scheitern, welch zentrale Rolle das Thema spielen wird: Etwa zwei Drittel der Firmen gehen davon aus, dass die Digitalisierung in den kommenden fünf Jahren sehr oder eher relevant für sie sein wird.

Nur 6 Prozent der Unternehmen – oft eher kleinere Betriebe – sagen, dass die Digitalisierung für sie überhaupt keine Rolle spielen wird.

Quellen: IW-Zukunftspanel, 2020

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Rahmenbedingungen für Digital-Start-ups oft unattraktiv.

In Deutschland fehlt es an einer großen – oft digitalen – Gründerszene: Sogenannte Unicorns (= Einhörner), also Start-up-Unternehmen mit einem Marktwert von mehr als 1 Milliarde US-Dollar, gibt es hierzulande weniger als 20, die USA kommen auf mehr als 400. Und kein einziges der 20 größten Internetunternehmen sitzt in Europa.

Branche, Firmengröße, Standort – all diese Faktoren beeinflussen den Digitalisierungsgrad eines Unternehmens, haben deutsche Forscher herausgefunden. Doch es braucht viel mehr, damit Menschen innovative Produkte und Dienstleistungen entwickeln. Von entsprechend attraktiven Rahmenbedingungen ist Deutschland weit entfernt: Sehr strikte Regulierungen und ein tendenziell unternehmensfeindlicher Datenschutz machen Gründern das Leben hierzulande schwer. Hier muss Deutschland nachbessern.

Quelle: Stiftung Marktwirtschaft, 2021

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Fachkräftemangel bremst Digitalisierung.

Der Fachkräftemangel in Deutschland droht auch die Digitalisierung auszubremsen. Trotz Corona kamen im April 2021 in Deutschland beispielsweise auf 100 Arbeitslose 158 offene Stellen in MINT-Berufen, also im Bereich Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik. Der Fachkräftemangel wirkt sich leider auch auf die Digitalisierung aus: In Schulen, Betrieben und Behörden fehlt es an entsprechenden Experten. Wegen des demografischen Wandels wird sich der Fachkräftemangel in nahezu allen Branchen verschärfen.

So nennen Unternehmen schon jetzt fehlende Fachkräfte als zweithäufigsten Grund dafür, weshalb sie keine datengetriebenen Geschäftsmodelle entwickeln. Entsprechend muss die Politik den Fachkräftemangel bekämpfen, indem sie Ältere, Frauen und qualifizierte Zuwanderer für den Arbeitsmarkt aktiviert und massiv in Aus- und Weiterbildung sowie in Bildung insgesamt investiert.

Quelle: IW-Zukunftspanel, 2020

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Corona hat Digitalisierung der Schulen beschleunigt.

Die Pandemie hat Deutschlands Schulen gezwungen, digitaler zu werden. Eine Befragung des ifo Instituts zeigt: Im ersten Lockdown im Frühjahr 2020 hatten nur 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler mindestens einmal wöchentlich gemeinsamen digitalen Unterricht; Anfang 2021 galt das bereits für 74 Prozent. Täglichen Digitalunterricht hatten Anfang 2021 immerhin 26 Prozent gegenüber 6 Prozent ein Jahr zuvor.

Dieses Momentum sollten die Schulen nutzen und beispielsweise digitale Lerninhalte in den Präsenzunterricht integrieren. Das stärkt digitale Kompetenzen und ermöglicht es der Lehrkraft, den Lernstoff zu differenzieren. Schulen müssen dabei aber unterstützt werden, etwa mit IT-Experten, die sich um die digitale Infrastruktur kümmern. Zudem sollten Lehrer entsprechend aus- und weitergebildet werden und passende Lerninhalte sowie Laptops und WLAN zur Verfügung stehen.

Quellen: Deutscher Bundestag, Institut der deutschen Wirtschaft, 2021

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Digitalisierung kann dem Klimaschutz dienen.

Zwar ist die digitale Welt ohne CO2-Emissionen nicht zu haben: Rechenzentren und Kommunikationsnetze müssen betrieben, Computer, Roboter und Co. produziert werden. Dennoch ist der sogenannte Nettoeffekt der Digitalisierung gut fürs Klima, hat die Unternehmensberatung Accenture für den Branchenverband Bitkom berechnet.

Der Effekt berücksichtigt einerseits die Emissionen, die digitale Angebote verursachen, und andererseits jenes CO2, das durch die Digitalisierung eingespart wird – beispielsweise indem Dienstreisen dank Videokonferenzen überflüssig werden.

Im Zeitraum 2019 bis 2030 muss Deutschland für das Erreichen der Klimaziele 262 Millionen Tonnen CO2 reduzieren. Der Einsatz digitaler Technologien könnte bis zu 49 Prozent dieser Einsparungen liefern – vorausgesetzt, Deutschland beschleunigt die Digitalisierung.

Quelle: Bitkom, 2021

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Ausgewählte Quellen


Aktuelle Breitbandverfügbarkeit in Deutschland
atene KOM im Auftrag des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur, 2021

Die Herausforderungen jetzt annehmen! – Demografischer Wandel, Klimaschutz, Digitalisierung
Stiftung Marktwirtschaft / Kronberger Kreis, 2021

Digital Riser Report 2021
European Center for Digital Competitiveness, 2021

Digitale Identität im Portemonnaie: Wie die Deutschen zur Online-Ausweisfunktion stehen
Bundesdruckerei, 2020

E-Government und Gründungsumfeld – Was kann Deutschland von Österreich lernen?
ECO Austria und Institut der deutschen Wirtschaft, 2021

Gleichzeitig: Wie vier Disruptionen die deutsche Wirtschaft verändern
Institut der deutschen Wirtschaft, 2021

Klimaeffekte der Digitalisierung
Accenture für Bitkom, 2021