Beschäftigung sichern

10 Fakten zum Arbeitsmarkt

Die Corona-Krise hat Deutschland vor viele unvorhergesehene Herausforderungen gestellt. Die zahlreichen negativen Auswirkungen auf die Wirtschaft zeigen, dass es auf dem Arbeitsmarkt trotz einer guten Ausgangsposition auch Verbesserungspotenzial gibt, damit der Arbeitsmarkt nach Corona wieder durchstarten kann.

31. Juli 2020

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Fakt 1: Der deutsche Arbeitsmarkt – 15 Jahre Aufschwung.

Fakt 2: Mindestlohn nicht übertreiben.

Fakt 3: Mit Kurzarbeit Beschäftigung sichern.

Fakt 4: Befristungen als Einstieg in Arbeit.

Fakt 5: Die Wirtschaft braucht Fachkräftezuwanderung.

Fakt 6: Rente mit 63 verschärft den Fachkräftemangel.

Fakt 7: Die Brückenteilzeit geht am Bedarf vorbei.

Fakt 8: Wir reden über Geld.

Fakt 9: Die Tarifpartnerschaft stärken.

Fakt 10: Arbeit muss sich lohnen.

Seit vielen Jahren sind die Bundesbürger vom Arbeitsmarkt nur gute Nachrichten gewöhnt. Doch die gute wirtschaftliche Lage ist vorbei. Die Corona-Pandemie und das damit verbundene weltweite Herunterfahren des öffentlichen Lebens dürften zur schwersten Rezession in der Nachkriegsgeschichte Deutschlands führen. Bürger und Unternehmen sind verunsichert – gerade deshalb ist es wichtig, dass die Bundesregierung mit einem beispiellosen Hilfspaket Stabilität bietet. Viele Herausforderungen, vor denen Deutschland steht, gibt es unabhängig vom konjunkturellen Auf und Ab und sie werden das Wirtschaftswachstum auch nach der Corona-Krise beeinflussen.

Diese Faktensammlung zeigt, dass der deutsche Arbeitsmarkt im Großen und Ganzen gut aufgestellt ist. Sie zeigt aber auch, in welchen Bereichen es Verbesserungspotenzial gibt, damit der Arbeitsmarkt wieder durchstarten kann, wenn das öffentliche Leben hochgefahren wird. Hüten muss sich Deutschland vor allem vor dem, was die Wettbewerbsfähigkeit belastet, die Kosten für Unternehmen unnötig erhöht oder den Einstieg in den Arbeitsmarkt erschwert: Eine Erhöhung des Mindestlohns, eine Einschränkung befristeter Beschäftigung oder weitere Zugeständnisse bei der Rente zum Beispiel könnten die Beschäftigungsentwicklung zusätzlich gefährden.

Der deutsche Arbeitsmarkt – 15 Jahre Aufschwung.

Der deutsche Arbeitsmarkt hat in den vergangenen 15 Jahren einen fast beispiellosen Aufschwung erlebt: Seit 2005, als fast 5 Millionen Arbeitslose gezählt wurden, ist die Zahl der Erwerbstätigen um 6 Millionen auf den Rekordwert von 45,3 Millionen gestiegen. Die Zahl der Arbeitslosen hat sich bis zum Jahr 2019 mehr als halbiert.

Doch infolge des Corona-Lockdowns ist die Zahl der Arbeitslosen von März bis Juli 2020 um 575.000 auf 2.910.000 gestiegen. Die Arbeitslosenquote erhöhte sich damit um 1,2 Prozentpunkte auf 6,3 Prozent im Juli 2020.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2020, in Tabelle 2.5

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Mindestlohn nicht übertreiben.

Als der Mindestlohn in Deutschland 2015 eingeführt wurde, gab es große Sorgen, dies könne zu einem deutlichen Stellenabbau führen. Weil die wirtschaftliche Lage überraschend lange sehr gut war und der Mindestlohn maßvoll gesetzt wurde, hielten sich die negativen Beschäftigungseffekte des Mindestlohns bisher in engen Grenzen. Der Befund gilt allerdings nur für sozialversicherungspflichtig Beschäftigte. Bei den Minijobs ist der Effekt des Mindestlohns dagegen deutlich: Ihre Anzahl ist seit 2014 um eine halbe Million zurückgegangen.

Nun fordern einige, den Mindestlohn politisch von derzeit 9,35 auf 12 Euro zu erhöhen. Solch ein Sprung ist gerade im Abschwung hochriskant. Nur weil die Einführung des Mindestlohns gelang, ist das keine Garantie dafür, dass weitere Erhöhungen nicht schaden. Die von Gewerkschaften und Arbeitgebern besetzte Mindestlohnkommission sollte sich gegen politische Einmischungen wehren.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, 2019, in Tabelle 9

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Mit Kurzarbeit Beschäftigung sichern.

Infolge des Corona-Lockdowns ist von März bis Juli 2020 bei den Arbeitsagenturen für bis zu 12,4 Millionen Menschen Kurzarbeit angezeigt worden. Zwar heißt das nicht, dass all diese Menschen auch tatsächlich in Kurzarbeit gehen – gleichwohl ist die Zahl der Anzeigen um ein Vielfaches höher als während der Finanzkrise 2008/2009. Kurzarbeit ist für Unternehmen ein wichtiges Instrument, um konjunkturelle Abschwünge zu überbrücken und Kündigungen zu vermeiden.

In der Regel versuchen die Unternehmen erst einmal, Überstunden abzubauen und die Arbeitszeitkonten ihrer Beschäftigten zu reduzieren. Auch Schließungstage und eine reduzierte Arbeitszeit sind gängige hausinterne Mittel, den Abschwung abzufedern. Dank Kurzarbeit konnten die Firmen in Deutschland vor zehn Jahren übrigens trotz der Wirtschaftskrise größtenteils ihre Belegschaften halten.

Quelle: Bundesagentur für Arbeit, Juli 2020

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Befristungen als Einstieg in Arbeit.

Auch eine befristete Beschäftigung ist ein guter Arbeitsplatz. Tatsächlich sind befristete Jobs häufig ein Einstieg in den Arbeitsmarkt: So waren von denen, die 2012 bis 2016 befristet beschäftigt waren, nach drei Jahren bereits 50 Prozent in ein unbefristetes Arbeitsverhältnis übernommen worden. Außerdem ist die befristete Beschäftigung sogar etwas häufiger in Unternehmen mit steigender oder konstanter Belegschaft zu finden als in Firmen mit schrumpfender Belegschaft. Die Befristung wird gern genutzt, um Beschäftigung aufzubauen – mit kalkulierbarem Risiko für Arbeitnehmer und Arbeitgeber.

Befristungen sind streng geregelt. Dass die Bundesregierung sie laut Koalitionsvertrag weiter erschweren will, ist deshalb nicht nachzuvollziehen. Noch dazu, weil die Befristungsquote im öffentlichen Dienst und im dritten Sektor (u. a. mildtätige Organisationen) deutlich höher ist als in der Privatwirtschaft.

Quelle: Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2018, in Tabelle 1.1

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Die Wirtschaft braucht Fachkräftezuwanderung.

Nach der Corona-Krise wird die Wirtschaft wieder wie zuvor Fachkräfte suchen. Bei den Gesundheits- und Elektroberufen ist der Engpass am größten, d. h. im Jahr 2019 war es dort am schwersten, Fachkräfte zu finden: Auf je 100 gemeldete offene Stellen gab es in der Altenpflege und der Kältetechnik jeweils weniger als 20 gemeldete Arbeitslose. In den MINT-Berufen (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik) herrscht überdurchschnittlich häufig Personalnot. Allein im März 2020 waren über 390.000 Stellen in diesem Bereich unbesetzt.

Um die Lücken zu füllen, braucht Deutschland langfristig eine verstärkte Zuwanderung von Fachkräften mit Berufsausbildung. Bereits heute wäre die MINT- Fachkräftelücke ohne ausländische Mitarbeiter um gut 230.000 größer. Deren Zugang erleichtert nun auch das Fachkräftezuwanderungsgesetz. Die Zahl der akademischen MINT-Fachkräfte aus dem Ausland hat sich von 2012 bis 2019 auf rund 140.000 verdoppelt.

Quelle: Kompetenzzentrum Fachkräftesicherung, 2019

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Rente mit 63 verschärft den Fachkräftemangel.

Auch wenn die Zuwanderung den prognostizierten Bevölkerungsrückgang vorerst gebremst hat und außerdem die Geburtenzahlen leicht gestiegen sind: Die Zahl der Erwerbsfähigen in Deutschland wird in den kommenden Jahrzehnten stark zurückgehen. Von 2020 bis 2040 wird sich die Zahl der 20- bis 66-Jährigen laut Statistischem Bundesamt um 13,5 Prozent verringern – gleichzeitig wird die Anzahl der mindestens 67-Jährigen um 32,1 Prozent steigen. Die Rentenversicherung muss also immer mehr Renten mit immer weniger Beitrags- zahlern finanzieren.

Durch die 2014 eingeführte „Rente mit 63“ reduziert sich die Erwerbstätigenzahl zusätzlich: Seit Einführung der Regelung sind bis Ende 2018 fast 1,2 Millionen Arbeitnehmer vorzeitig in den Ruhestand gegangen – der Fachkräftemangel verschärft sich dadurch zusätzlich.

Quelle: Statistisches Bundesamt, 2020

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Die Brückenteilzeit geht am Bedarf vorbei.

Seit 2019 haben Arbeitnehmer das Recht auf eine vorübergehende Teilzeit von ein bis fünf Jahren mit anschließender Rückkehr zur alten Arbeitszeit. Für die Betriebe ist damit verbunden, neue Mitarbeiter zu finden und einzuarbeiten – und deren Verträge später womöglich nicht verlängern zu können, weil der Mitarbeiter aus seiner vorübergehenden Teilzeit zurückkommt.

Das Gesetz geht am Bedarf vorbei. Denn schaut man sich die Arbeitszeitwünsche der Arbeitnehmer und deren tatsächliche Arbeitszeit an, ist die Mehrheit der Beschäftigten mit ihrer Arbeitszeit zufrieden. Zum Beispiel strebten im Jahr 2016 nur 8 Prozent aller Teilzeitbeschäftigten eine höhere Arbeitszeit an. Und lediglich 3,3 Prozent der Teilzeitbeschäftigten des Jahres 2013, also 0,9 Prozent aller Arbeitnehmer, arbeiteten im Jahr 2016 entgegen ihrem ausdrücklichen Wunsch weiterhin Teilzeit.

Quellen: Sozio-oekonomisches Panel; IW 2018

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Wir reden über Geld.

Wer wünscht sich nicht ein höheres Gehalt? Trotz dieses verständlichen Wunsches sind die allermeisten Erwerbstätigen mit ihrem Gehalt zufrieden: Im Schnitt knapp zwei von drei Befragten. Wobei Frauen tendenziell mit ihrem Einkommen weniger zufrieden sind als Männer. Aber woran hängt die Zufriedenheit mit dem Gehalt? Ob es an der Berufswahl, den Gehaltsverhandlungen oder der gewählten Arbeitszeit liegt – auf jeden Fall hängt das Gehalt an vielen Faktoren. Unter Kolleginnen und Kollegen ist das Thema Lohn und Gehalt von Interesse. Laut Bundesfamilienministerium tauschen sich 70 Prozent der Beschäftigten in Unternehmen mit mehr als 200 Mitarbeitern darüber aus. Vom Anspruch, sich in größeren Betrieben mithilfe des Entgelttransparenzgesetzes über das Gehalt von vergleichbaren Kollegen des jeweils anderen Geschlechts informieren zu lassen, macht kaum jemand Gebrauch. 2018 waren es 4 Prozent der Beschäftigten. Laut BIBB/BAuA-Umfrage waren im gleichen Jahr über 90 Prozent der Beschäftigten mit ihrer Arbeit zufrieden.

Quelle: Civey-Umfrage vom 3. bis 5. März 2020

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Die Tarifpartnerschaft stärken.

Arbeitgeberverbände auf der einen Seite, Gewerkschaften auf der anderen – die Tarifpartnerschaft hat dazu geführt, dass es in Deutschland gute Arbeitsbedingungen gibt, die verantwortungsbewusst geregelt werden, wie sich in der aktuellen Krise zeigt, und es im internationalen Vergleich relativ wenige Arbeitskonflikte gibt. Doch obwohl rund 70 Prozent der Beschäftigten starke Gewerkschaften befürworten, geht die Zahl der Gewerkschaftsmitglieder seit Jahren zurück. Waren im Jahr 1998 noch fast 26 Prozent der Arbeitnehmer in einer Gewerkschaft organisiert, ist die Quote bis 2018 auf knapp 17 Prozent gesunken.

Auch die Unternehmen sind seltener tarifvertraglich gebunden als früher: Oft liegt das daran, dass die Firmen unzufrieden mit dem komplexen Regelwerk oder dem tariflichen Arbeitszeitvolumen sind. Als Folge sinkt seit Jahren der Anteil der Beschäftigten in Arbeitsverhältnissen mit Tarifbindung. Ziel muss es sein, die Tarifautonomie zu stärken.

Quelle: Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD), 2019

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Arbeit muss sich lohnen.

Vor fast jeder Wahl wird den Wählern versprochen, sie steuerlich zu entlasten – insbesondere Arbeitnehmer mit kleinen und mittleren Einkommen stehen dann im Fokus der Parteien. Nach der Wahl geschieht dann aber meist nur sehr wenig.

Anfang 2020 zum Beispiel hat es zwar ein paar kleinere Entlastungen gegeben, doch die bringen einem Durchschnittsverdiener so gut wie nichts: Wenn er heute eine Lohnerhöhung von 100 Euro erhält, muss er mehr als die Hälfte davon, genau 52,22 Euro, an den Staat und die Sozialkassen abführen. Seit 2010 ist die Grenzbelastung eines Durchschnittsverdieners um lediglich 9 Cent pro 100 Euro gesunken. Der Anteil für Renten-, Kranken- und Arbeitslosenversicherung ist binnen zehn Jahren dank der guten Arbeitsmarktentwicklung zwar etwas gesunken. Doch die höhere Lohnsteuer hat das Plus fast aufgezehrt. Das ist keine große Motivation, mehr zu arbeiten.

Quellen: Statistisches Bundesamt, 2019, in Tabelle 3.1 (Bruttojahresverdienst einschließlich Sonderzahlungen dividiert durch 12 Monate), IW 2020

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Ausgewählte Quellen

 

Bericht der Bundesregierung zur Wirksamkeit des Gesetzes zur Förderung der Entgelttransparenz zwischen Frauen und Männern
Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2019

Gewerkschaften: Ja bitte, aber ohne mich!
Institut der deutschen Wirtschaft, 2018

Reform der befristeten Beschäftigung im Koalitionsvertrag
Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung, 2018