Regierungspolitik im Deutschland-Check

Deutschland-Check September 2010

Im Deutschland-Check September 2010 von INSM und WiWo bewerten die Wissenschaftler des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) Köln die geplante Bildungs-Chipkarte und das Gesetz zur Reduzierung von Subventionen aus der ökologischen Steuerreform.

13. September 2010

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Nach der stürmischen Entwicklung im Juli hat die Wirtschaftsentwicklung im August eine Verschnaufpause eingelegt. Der Arbeitsmarktindex konnte zwar weiter zulegen, allerdings gab der Wachstumsindex etwas nach. Ein Abbrechen der positiven Grundtendenz oder gar ein Abrutschen in eine erneute Rezession (Double Dip) ist aber keinesfalls zu befürchten. Die überraschend positive Entwicklung der gesamtwirtschaftlichen Leistung – saisonbereinigt legte das reale Bruttoinlandsprodukt um stolze 2,2 Prozent zu – hat auf breiter Front zu Aufwärtskorrekturen bei den BIP-Prognosen für dieses Jahr geführt.

Auch wenn das hohe Entwicklungstempo des ersten Halbjahres im dritten und vierten Quartal 2010 sicher nicht gehalten werden kann, lässt sich doch jetzt schon feststellen, dass sich die deutsche Wirtschaft schneller aus der globalen Krise herausarbeiten konnte, als von den meisten Konjunkturanalysten nach dem tiefen Sturz im Winterhalbjahr 2008/2009 erwartet wurde.

Zur positiven Entwicklung des Arbeitsmarktindex trugen auch im August wieder beide Teilindikatoren bei. Der Arbeitsmarktindex legte im August um 1,0 Prozentpunkte oder 0,8 Prozent zu, nach einem Plus von 2 Prozent im Vormonat. Im August waren saison- und kalenderbereinigt noch 3,19 Millionen Personen arbeitslos. Das waren 17.000 Personen oder 0,5 Prozent weniger als noch im Juli. Die Zahl der saisonbereinigten offenen Stellen erhöhte sich im August um 4.000. Der Wachstumsindex lag im August leicht im Minus. Im Vergleich zum Juli gab er um 1,3 Prozent nach. Allerdings waren es nicht die realwirtschaftlichen Indikatoren, die zu diesem leichten Rückgang geführt haben, sondern die Finanzmärkte. Das Ifo-Institut sieht die deutsche Wirtschaft in einem „stabilen Sommerhoch“. 

Die Bildungs-Chipkarte

Das Bundesverfassungsgericht hat mit seinem Urteil vom 9.2.2010 eine Neugestaltung der Regelsätze in der Grundsicherung für Arbeitssuchende gefordert. Die Regelleistungen für Kinder und Jugendliche werden in Zukunft nicht mehr aus den Leistungen für Erwachsene abgeleitet, sondern eigenständig berechnet. Bedürftige Kinder und Jugendliche haben zudem ab dem 1. Januar 2011 einen Rechtsanspruch auf individuelle Bildungsförderung. Diese Bedarfe sollen mit einem Bildungspaket zielgenau berücksichtigt werden. Eine Bildungskarte soll dafür sorgen, dass die Leistungen unkompliziert und unbürokratisch bei den Kindern und Jugendlichen ankommen.

Die Bildungskarte wird vom IW Köln positiv bewertet. Die Leistungen des Staates zur Absicherung der Teilhabebedarfe der Kinder könnten generell als Geldleistungen oder als Sachleistungen ausgestaltet werden. Bei der Bildungskarte handelt es sich um eine Sachleistung, die als Subjektförderung ausgestaltet wird. Nachfrageorientierte Pauschalen versorgen die Begünstigten mit zusätzlicher „Kaufkraft“. Die Souveränität der Begünstigten als Konsumenten wird gestärkt, denn der Staat überlässt ihnen die Freiheit, im Rahmen des Verwendungszwecks zwischen den verschiedenen zulässigen Angeboten auszuwählen.

Mit der Bildungscard soll perspektivisch ein Bildungspaket aus vier Komponenten angeboten werden – die Lernförderung, ein Schulbasispaket, ein Zuschuss zum Mittagessen und der Zugang zu Kultur und Sport. Für alle vier Bereiche kann empirisch gezeigt werden, dass eine Teilhabe positive Effekte auf die Entwicklung der Kinder bewirkt. Ebenso zeigt sich empirisch, dass Kinder aus Familien mit geringeren Einkommen aktuell eine geringere Teilhabe aufweisen. Die Bildungskarte kann dafür sorgen, dass der Auftrag des Verfassungsgerichts zielführend umgesetzt wird.

Gesetz zur Reduzierung von Subventionen aus der ökologischen Steuerreform

Mit Amtsantritt der rot-grünen Bundesregierung 1998 wurden die Energiesteuern deutlich erhöht beziehungsweise für Strom neu eingeführt. Diese so genannte Ökosteuer sah Ausnahmen für besonders energieintensive Industriebrachen vor, um Ihre Wettbewerbsfähigkeit gegenüber ausländischen Anbietern nicht übermäßig zu beeinträchtigen. Im Gegenzug hat sich die Industrie zur Absenkung der Treibhausgasemissionen verpflichtet. An dieser Selbstverpflichtung und an der Notwendigkeit der Beschränkung von Zusatzbelastungen mit Energiesteuern hat sich nichts Substantielles geändert. Dennoch plant die Bundesregierung, die Steuerbelastungen für energieintensive Unternehmen zu erhöhen, um damit Mehreinnahmen für den Bundeshaushalt in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu erzielen.

Die Änderungen an der Ökosteuer schneiden in der Bewertung durch das IW Köln schlecht ab. Die geplanten Neuregelungen zur Energiesteuer führen zu erheblichen Zusatzbelastungen bei Unternehmen. Die im Gesetzentwurf genannten Beispiele führen vielfach zu einer Verdoppelung der steuerlichen Belastung – teilweise muss die fünffache Steuerlast getragen werden. Damit erreicht die Stromsteuer ein Niveau von bis zu 18 Prozent des Nettostrompreises. Die Mehrbelastungen sollen einseitig national eingeführt werden. Dies schwächt die Position der deutschen Unternehmen im internationalen Wettbewerb. Dies gilt insbesondere für energieintensive Unternehmen, die in der Regel einen großen Außenhandelsanteil haben.

Die Erhöhung der Steuerbelastung ist nicht klimapolitisch begründet und stellt eine Gefährdung von Teilen der industriellen Produktion in Deutschland dar. Das macht auch die langfristige Erfüllung des Einnahmeziels von 1,5 Milliarden Euro fraglich.