Regierungspolitik im Deutschland-Check

Deutschland-Check Januar 2012

Wie entwickelt sich Wirtschaft und Beschäftigung? Wie hilfreich sind die Gesetze der Bundesregierung? Was sagen Unternehmer, Ökonomen und Arbeitnehmer zur Lage in Deutschland? Antwort gibt der monatliche Deutschland-Check der INSM und der Wirtschaftswoche.

14. Januar 2012

Wirtschaftsentwicklung: Unterschiedliche Signale und Einschätzungen

Einige Konjunkturprognostiker nehmen das Wort „Rezession“ in den Mund, um die aktuelle wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland zu beschreiben. Sie gehen davon aus, dass die deutsche Wirtschaft zwei Quartale in Folge schrumpft, im vierten Quartal 2011 und auch im ersten Quartal des neuen Jahres. Erst danach soll sie wieder langsam Fahrt aufnehmen. Mehr als rund ein halbes Prozent Wachstum des realen Bruttoinlandsprodukts im Jahresdurchschnitt 2012 wären dann kaum drin. Und dann gibt es da noch den Kassandraruf von Frau Christine Lagarde, der Direktorin des Internationalen Währungsfonds, die ein Abrutschen der Weltwirtschaft in eine große Depression ähnlich der aus den 1930er Jahren für möglich hält, wenn die Politik nicht entschlossen gegensteuert.

Wenn auch nicht euphorisch, aber doch deutlich besser beurteilen die Verbände der deutschen Wirtschaft die Aussichten ihrer Unternehmen für das Jahr 2012, wie die traditionelle Verbandsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln aus dem Dezember letzten Jahres ergab. Immerhin 26 der vom Institut befragten 46 Verbände gehen davon aus, dass die reale Produktion oder der preisbereinigte Umsatz im Jahr 2012 gegenüber dem Vorjahr ansteigen wird unter ihnen auch die großen exportstarken Branchen wie die Chemische Industrie, der Maschinen- und Anlagenbau, die Automobilindustrie und die Elektrotechnik. Auch die Bauwirtschaft sieht sich 2012 weiter im Aufwärtstrend. Von etwas niedrigeren Ergebnissen als in 2011 gehen 11 Branchen aus, unter anderem die Eisen- und Stahlindustrie, die Finanzwirtschaft und der Immobiliensektor. Allerdings gibt es keine Branche, die von wesentlich niedrigen Geschäftsergebnissen ausgeht, also einen Einbruch erwartet.

Welchen Weg die Wirtschaft in Deutschland im Jahr 2012 tatsächlich nimmt, hängt maßgeblich von den Entwicklungen auf den Finanzmärkten ab. Eine Kreditklemme könnte die moderaten Wachstumserwartungen schnell trüben oder gar zunichtemachen. Noch signalisieren die Umfragen an dieser Front keine Gefahren, aber Wachsamkeit ist geboten. Klare Signale der Politik, dass die Staatsschuldenkrisen in der Euro-Zone nachhaltig gelöst werden, wären ein willkommener Konjunkturbeschleuniger in der aktuell labilen Lage.

Der Arbeitsmarktindex setzte im Dezember 2011, von beiden Teilindikatoren getrieben, seinen Erfolgskurs fort:

  • Kalender- und saisonbereinigt ist die Zahl der Arbeitslosen im Dezember 2011 sogar kräftig um 22.000 Personen zurückgegangen und lag insgesamt mit 2,88 Millionen deutlich unter der 3-Millionen-Marke. Auch im Durchschnitt des Jahres 2011 unterschritt die Zahl der Arbeitslosen mit 2,95 Millionen diese psychologisch wichtige Marke.
  • Die Zahl der gemeldeten offenen Stellen erhöhte sich im Dezember 2011 saisonbereinigt um 5.000 und übersprang damit erstmals die Marke von 500.000 (503 Tausend). Dies ist ein sehr gutes Zeichen, denn es signalisiert eine anhaltend lebhafte Nachfrage der deutschen Unternehmen nach Arbeitskräften.
  • Insgesamt konnte sich der Arbeitsmarktindex im Dezember 2011 auf einen Wert von 173,3 (September 2005 = 100) verbessern, was einem Anstieg um 0,9 Prozent bedeutet.
  • Der Arbeitsmarktindex hält somit auch im Dezember 2012 Kurs und bleibt sicher im Vollbeschäftigungs-Trichter.

Auch für das Gesamtjahr 2012 stehen die Chancen für den deutschen Arbeitsmarkt nicht schlecht. Dies zumindest zeigt die Verbandsumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln: 31 Branchen erwarten, dass die Beschäftigung in ihrem Wirtschaftszweig im Großen und Ganzen unverändert bleibt, 7 Branchen gehen von rückläufigen Beschäftigungszahlen aus, aber 8 von steigenden, darunter interessanterweise auch Teilbereiche der Finanzwirtschaft (Banken, Sparkassen und Versicherungswirtschaft).

Der Wachstumsindex liefert ein stückweit das Kontrastprogramm zum Arbeitsmarktindex. Keiner der drei Teilindikatoren sorgte im Dezember 2012 für einen Aufwärtstrend:

  • Der DAX-Performance-Index verlor im Dezember 2011 190 Punkte und konnte so die 6.000er Marke nicht ins neue Jahr retten (5.898 Punkte am Schlusstag des alten Jahres). Es kommt nicht häufig vor, dass der DAX im Dezember rückläufig ist – zuletzt passierte dies in den Jahren 2002 und 1998. In aller Regel kann der DAX-Performance-Index im Schlussmonat eines Jahres nochmals Gewinne verzeichnen.
  • Der Ifo-Lage-Index blieb im dritten Monat in Folge auf dem Niveau von 116,7 und zeigt somit keine erkennbare Tendenz in die eine oder andere Richtung (Seitwärtsbewegung). Einer leichten Eintrübung der Geschäftslage im Verarbeitenden Gewerbe stehen Verbesserungen im Groß- und Einzelhandel sowie dem Bauhauptgewerbe gegenüber. Die Geschäftserwartungen für die nächsten sechs Monate haben sich zwei Monate infolge sogar wieder verbessert. Dies könnte auch zu einer weiteren Stabilisierung der Geschäftslage beitragen.
  • Auch die Industrieproduktion konnte dem Wachstumsindex zuletzt keine positiven Impulse geben. Im Gegenteil: Im November ging die Industrieproduktion um 1,3 Prozent zurück. Alle drei Hauptgruppen – Vorleistungsgüter, Investitionsgüter, Konsumgüter – verzeichneten ein Minus. Diese Negativ-Entwicklung dürfte sich im Dezember 2011 mit etwa demselben Tempo fortgesetzt haben.
  • Insgesamt verlor der Wachstumsindex damit im Dezember 2011 2,1 Punkte oder 1,8 Prozent. Zum zweiten Mal in Folge verliert er an Boden, wenn auch nicht gravierend. 

1. Gesetzesentwurf zur Umsetzung der Hochqualifizierten-Richtlinie der Europäischen Union
Bundesregierung, 07. Dezember 2011

Was ist geplant?
Die Bundesregierung hat Anfang Dezember einen Entwurf zur Umsetzung der im Mai 2009 auf EU-Ebene beschlossenen Hochqualifizierten-Richtlinie verabschiedet. Diese sieht eine Harmonisierung und Vereinfachung der Bedingungen für die Zuwanderung von Fachkräften in die EU durch die Einführung der Blauen Karte EU vor. Ausländische Hochschulabsolventen erhalten mit der Blauen Karte EU eine auf bis zu vier Jahre befristete Aufenthalts- und Arbeitserlaubnis in Deutschland, wenn sie hier ein Gehalt von mindestens 44.000 Euro, bzw. 33.000 Euro in Mangelberufen erzielen. Darüber hinaus wird die Einkommensgrenze für die Zuwanderung ausländischer Spezialisten auf 48.000 Euro gesenkt und der Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen und für Ausländer, die in Deutschland eine berufliche Ausbildung absolviert haben, vereinfacht.

Im Einzelnen sieht der Gesetzesentwurf folgende Maßnahmen vor:
1. Blaue Karte EU. Ausländische Hochschulabsolventen können ohne Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit in Deutschland eine Blaue Karte EU erhalten, wenn sie einen Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot mit einem Jahresgehalt von mindestens 44.000 Euro vorweisen können. Die Blaue Karte wird für höchstens vier Jahre ausgestellt. Befristet Beschäftigte erhalten sie für die Dauer ihres Arbeitsvertrags plus drei Monate. Wenn Inhaber der Blauen Karte zwei Jahre lang Beiträge zur Sozialversicherung geleistet und erfolgreich einen Integrationskurs absolviert haben, haben sie nach zwei Jahren einen Anspruch auf eine dauerhafte Aufenthaltserlaubnis. Nach 18 Monaten können sie in der Regel auch eine Erwerbstätigkeit in einem anderen EU-Mitgliedsland aufnehmen.

Für Hochschulabsolventen in Mangelberufen ist eine Sonderregelung vorgesehen. Sie erhalten die Blaue Karte EU bereits ab einem Jahreseinkommen von 33.000 Euro. Allerdings ist in diesem Fall, soweit der Hochschulabschluss nicht in Deutschland erworben wurde, eine Prüfung der Vergleichbarkeit der Arbeitsbedingungen durch die Bundesagentur für Arbeit vorgesehen. Als Mangelberufe werden im Gesetzesentwurf alle MINT-Berufe auf akademischem Niveau, hochspezialisierte IT-Berufe und Humanmediziner gewertet.

2. Absenkung der Einkommensgrenze für die Zuwanderung ausländischer Spezialisten. Die Einkommensgrenze für die (unbefristete) Zuwanderung von Spezialisten und leitenden Angestellten mit besonderer Berufserfahrung wird von 66.000 Euro auf 48.000 Euro abgesenkt. Dabei wird eine Schutzklausel für den deutschen Steuerzahler eingeführt. Die Aufenthaltserlaubnis erlischt in Zukunft, wenn es innerhalb der ersten drei Jahre zum Bezug von Hartz-IV oder Sozialhilfe kommt. Diese Bedingung eines dauerhaften Aufenthaltsrechts auf finanzielle Unabhängigkeit ist ein Novum im deutschen Zuwanderungsrecht.

3. Besserer Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt für ausländische Absolventen deutscher Hochschulen und Ausländer, die in Deutschland eine berufliche Ausbildung absolviert haben. Ausländische Absolventen deutscher Hochschulen können in Zukunft in dem Zeitraum von bis zu einem Jahr, der ihnen bereits heute zur Suche eines (qualifikationsadäquaten) Arbeitsplatzes eingeräumt wird, unbeschränkt arbeiten. Zudem erhalten sie nach zwei Jahren sozialversicherungspflichtiger Beschäftigung ein Daueraufenthaltsrecht. Ausländische Absolventen einer beruflichen Ausbildung in Deutschland können in Zukunft eine (zunächst) befristete Aufenthaltserlaubnis erhalten um in dem erlernten Beruf zu arbeiten.

Bewertung durch das IW Köln : 4 von 5 Sternen

Begründung: 

  • Erleichterter Zugang für ausländische Akademiker zum deutschen Arbeitsmarkt: Bisher ist der Zugang für ausländische Fachkräfte aus Drittstaaten zum deutschen Arbeitsmarkt sehr restriktiv geregelt. Sie können nur nach Deutschland zuwandern, wenn sie hier entweder ein Jahresgehalt von über 66.000 Euro beziehen oder in einer aufwendigen Vorrangprüfung durch die Bundesagentur festgestellt wurde, dass der Arbeitsplatz nicht durch einen Inländer oder EU-Bürger besetzt werden kann. Nur ein kleiner Teil der Akademiker in Deutschland erzielt Einkommen von über 66.000 Euro und insbesondere kleinere und mittlere Unternehmen haben nicht die Möglichkeit ausländischen Fachkräften derart hohe Einkommen zu bieten. Mit der Einführung der Blauen Karte EU und der Absenkung der Einkommensgrenze für die Zuwanderung ausländischer Spezialisten auf 48.000 Euro werden nunmehr Einkommen vorausgesetzt, die von Akademikern mit Berufserfahrung in der Regel erreicht werden können. In den Mangelberufen, also bei MINT-Akademikern, IT-Spezialisten und Humanmedizinern, stellt die reduzierte Einkommensgrenze von 33.000 Euro keine relevante Hürde für den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt dar. Einkommen von unter 33.000 Euro sind auch für Berufseinsteiger in diesen Bereichen die Ausnahme. Die Gesetzesänderungen führen dazu, dass ausländische Akademiker mit Berufserfahrung und Personen mit Abschlüssen in Mangelberufen in Zukunft grundsätzlich die Möglichkeit haben, nach Deutschland zuzuwandern. Allerdings müssen sie ein Arbeitsplatzangebot vorweisen. Der Bewerbungsprozess für eine Stelle in Deutschland muss also weiterhin vom Ausland aus stattfinden, was die Arbeitssuche für ausländische Hochschulabsolventen in Deutschland und die Kandidatensuchen für deutsche Unternehmen im Ausland erschwert. Um diese Schwierigkeit zu umgehen, bieten die meisten angelsächsischen Länder, ausländischen Fachkräften bei entsprechenden Qualifikationen die Möglichkeit, ohne konkretes Arbeitsangebot einzureisen, um eine Arbeitsstelle zu suchen.
  • Die Befristung der Blauen Karte EU sollte an sich kein Hinderungsgrund für ausländische Akademiker darstellen, die nach Deutschland zuwandern wollen, da nach zwei Jahren in Deutschland ja ein Anspruch auf ein Daueraufenthaltsrecht besteht. Allerdings ist es wichtig, dass dieser Anspruch den Interessenten auch kommuniziert wird.
  • Kaum Zugang für Personen mit beruflicher Qualifikation:
    In Deutschland existieren nicht nur Fachkräfteengpässe bei Akademikern sondern auch bei Personen mit beruflichen Qualifikationen, insbesondere im technischen Bereich und in den Gesundheitsberufen. Nach dem Gesetzesentwurf können Ausländer, die ihre Berufsausbildung in Deutschland erhalten haben, in Zukunft eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Für Nicht-EU-Ausländer, die ihre Ausbildung im Ausland erhalten haben, ist jedoch auch in Mangelberufen kein Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt vorgesehen. Und anders als bei den Hochschulen haben Ausländer auch weiterhin in der Regel keinen Zugang zum dualen Ausbildungssystem.
  • Fehlende Willkommenskultur:
    Das deutsche Zuwanderungsrecht ist mit seinen verschiedenen Zuständigkeiten für potenzielle Zuwanderer relativ kompliziert. Um ausländischen Fachkräften den Zugang zum deutschen Arbeitsmarkt zu erleichtern, sollten eine einzige Anlaufstelle für ausländische Fachkräfte, die in Deutschland arbeiten wollen, bestimmt und die notwendigen Informationen gebündelt werden. In Bezug auf das Verfahren der Zulassung ausländischer Fachkräfte sieht der Gesetzesentwurf keine Verbesserungen vor.

Zudem muss man bei der Bewertung der Gesetzesentwurfs im Auge behalten, dass es sich bei der Einführung der Blauen Karte EU nicht um die freie Entscheidung der deutschen Politik handelt, sondern um die Umsetzung einer EU-Richtlinie handelt, die aufgrund der europäischen Verträge für den deutschen Staat bindend ist und eigentlich schon Mitte 2011 hätte umgesetzt sein müssen.

  • Fazit: Insgesamt wird mit der Reform des Zuwanderungsrechts ein großer Schritt in die richtige Richtung getan. Der Zugang für ausländische Fachkräfte mit Hochschulabschluss zum deutschen Arbeitsmarkt wird deutlich erleichtert und in den akademischen Mangelberufen erhalten auch Berufseinsteiger die Möglichkeit nach Deutschland zuzuwandern. Wünschenswert wäre es, die Zuwanderungsmöglichkeiten ausländischer Fachkräfte mit beruflichen Qualifikationen und den Zugang von Ausländern zum dualen Ausbildungssystem zu verbessern, da auch in manchen dieser Berufe Fachkräfteengpässe herrschen. Ferner bleiben die Verfahren für Zuwanderer sehr kompliziert; eine Willkommenskultur, die ausländische Fachkräfte auf dem Weg nach Deutschland begleitet, sollte geschaffen werden.

2. Entwurf eine Zweiten Gesetzes zur Umsetzung eines Maßnahmenpakets zur Stabilisierung des Finanzmarktes (Zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz – 2. FMStG)
Bundesregierung: 14.12.2011

Was ist geplant?
Am 14. Dez. 2011 hat das Bundeskabinett den Referentenentwurf für ein zweites Finanzmarktstabilisierungsgesetz gebilligt. Wie der Name schon sagt, ergänzt dieses Gesetz das erste Finanzmarktstabilisierungsgesetz (Oktober 2008) und das Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz (April 2009). Durch das Gesetz soll dem Problem des systemischen Risikos besser Rechnung getragen werden. Zu einer gesetzgeberischen Maßnahme sieht sich die Bundesregierung insbesondere wegen der Analyse der EZB und des Europäischen Ausschusses für Systemrisiken (ESRB) bezüglich der Systeminstabilität veranlasst. Im Referentenentwurf wird konzediert, dass es eine Aufgabe des Staates sei, das Vertrauen der Marktteilnehmer und der Bürger in die Stabilität des Bank- und Finanzensystem zu bewahren. Der Gesetzgeber verweist zudem auf internationale Vereinbarungen, gemäß derer entsprechende das Systemrisiko mindernde Maßnahmen zu ergreifen seien. Dabei sollen schon mögliche Gefahren präventiv adressiert werden.

  • Der Gesetzesentwurf sieht vor, dass neue Anträge auf staatliche Unterstützungen (aus Soffin) gestellt werden können. Ferner wird die Einschränkung auf Auslagerung von ausschließlich strukturierten Wertpapieren gestrichen. Der Garantierahmen wird auf (wieder) 400 Milliarden Euro und die Kreditermächtigungen werden auf 80 Milliarden Euro erhöht.
  • Ferner sieht das Gesetz vor, dass die Finanzaufsicht höhere Eigenkapitalanforderungen schon dann auferlegen kann, wenn eine besondere Risikolage vorliegt oder eine Gefährdung der Finanzmarktstabilität droht. Geknüpft wird die Möglichkeit an das Vorliegen einer entsprechenden Empfehlung insbesondere des ESRB. Gemäß diesem Gesetz kann die Finanzaufsicht selbst dann höhere Eigenkapitalanforderungen vorgeben, wenn (noch) keine konkrete Bestandgefährdung eines Institutes vorliegt. Dabei kann die Finanzaufsicht insbesondere fordern, dass eine Bank staatliche Stützungsmaßnahmen prüft.

Bewertung durch das IW Köln: 3 von 5 Sternen

Begründung:
Dass die Finanzaufsicht Banken strengere Eigenkapitalauflagen vorgeben kann, selbst wenn aus einzelwirtschaftlicher Sicht keine konkrete Bestandsgefährdung vorliegt, muss ambivalent bewertet werden. Einerseits versucht der Gesetzgeber, dem Problem des systemischen Risikos Rechnung zu tragen. Banken werden auf Basis dezentraler Entscheidungen ihren Beitrag zum öffentlichen Gut der Systemstabilität individuell mutmaßlich zu gering wählen. Wenn das gesamtwirtschaftliche Ziel der Systemstabilität auf Basis dezentraler Entscheidungen nicht zu erreichen ist, dann soll der Staat durch Zwang die Zielerreichung ermöglichen. Das Gesetz ist also eine Art Notstandsgesetz für Systemstabilität. Dass der Staat das Gesetz missbraucht beziehungsweise verzerrend umsetzt und letztlich per Zwang unverhältnismäßig in Eigentumsrechte eingreift, kann andererseits nicht ausgeschlossen werden. Die Nutzung der erweiterten Eingriffsmöglichkeiten wird an internationale Beschlüsse beziehungsweise Empfehlungen geknüpft, so dass es Bremsen für einen exzessiven Missbrauch oder eine exzessive Fehlnutzung gibt. Die aktuelle Diskussion über eine zwangsweise Re-Kapitalisierung der Banken zeigt aber, dass es durchaus strittig sein kann, ob ein entsprechender Eingriff in die Eigentumsrechte legitim ist. Wenn die Instrumente verantwortlich eingesetzt werden, dann überwiegen die Vorteile, da eine Öffentliche-Gut-Problematik adressiert wird. Allerdings wären strengere Verhältnismäßigkeitserwägungen und Kontrollen bezüglich des Eingriffs in die Eigentumsrechte wünschenswert. 

Innovationen gelten gemeinhin als Schlüssel für mehr Wachstum. Innovationsförderung wird daher meist mit Wachstumsförderung gleichgesetzt. Aber gibt es diesen Zusammenhang? Bringen Innovationen mehr Arbeitsplätze? Und was kann wie getan werden, um Innovationen zu fördern? Zu diesen Fragen wurden für das vorliegende IW-Expertenvotum 68 Ökonomie-Professoren befragt, die in Deutschland tätig sind.

  • Die wesentlichen Ergebnisse lauten wie folgt:
  • 64 der 68 Ökonomen sind der Ansicht, dass Innovationen der wichtigste Treiber des Wirtschaftswachstums sind.
  • Auch für den Arbeitsmarkt ist von positiven Effekten auszugehen: 59 Experten vertreten die Meinung, dass Innovationen eher Arbeitsplätze bringen als dass sie Arbeitsplätze kosten.
  • Zu den wichtigsten Fragen der Innovationspolitik zählt, ob sich staatliche Förderung gezielt auf bestimmte Bereiche und Projekte beziehen oder allgemein gewährt werden sollte. 55 Ökonomen sind der Ansicht, dass eine allgemeine Innovationsförderung eher geeignet ist, während sich 13 für eine gezielte Förderung aussprechen.
  • Weitgehend einig sind sich die Ökonomen auch bei der Frage, ob die Politik mehr finanzielle Mittel für Forschung und Entwicklung bereitstellen sollte: 51 Experten sprechen sich für eine Erhöhung der staatlichen Ausgaben in diesem Bereich aus, während 15 dagegen sind.
  • Nach Ansicht von 63 Ökonomen sollte die Politik dem Fachkräftemangel entgegenwirken, beispielsweise im Rahmen der Bildungs- und Zuwanderungspolitik, um dadurch Innovationen zu erleichtern.
  • Nach Ansicht der Experten besteht ein Bedarf, Regulierungshemmnisse auf Produktmärkten abzubauen: 61 der 68 Ökonomen sind für eine innovationsfreundliche Deregulierung in diesem Bereich.
  • Mit 57 Experten spricht sich die Mehrheit auch für den Abbau von Regulierungshemmnissen auf dem Arbeitsmarkt aus.
  • Bei der Frage, ob auch auf dem Kapitalmarkt Regulierungshemmnisse abgebaut werden sollten – um beispielsweise den Zugang zu Wagniskapital zu erleichtern – sind sich die Ökonomen uneinig: 37 sprechen sich für eine Deregulierung aus, 27 dagegen.
  • Die Mehrheit der Experten ist für einen stärkeren internationalen Schutz von Patenten: 47 sprechen sich dafür aus, während 17 dagegen sind.