Wie entwickelt sich Wirtschaft und Beschäftigung? Wie hilfreich sind die Gesetze der Bundesregierung? Was sagen Unternehmer, Ökonomen und Arbeitnehmer zur Lage in Deutschland? Antwort gibt der monatliche Deutschland-Check der INSM und der Wirtschaftswachswoche.
17. Dezember 2011
Wirtschaftsentwicklung: Gedämpfter Optimismus
Im November hat der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung wieder sein Jahresgutachten vorgelegt. In seiner Konjunkturprognose erwartet er nach einem kräftigen Wirtschaftswachstum in diesem Jahr von 3 Prozent im nächsten Jahr eine deutliche Abkühlung. Im Jahresdurchschnitt 2012 soll das reale Bruttoinlandsprodukt nur noch um magere 0,9 Prozent steigen. Wachstumsimpulse kommen anders als in den Vorjahren nur noch aus dem Inland, insbesondere vom privaten Konsum und den Investitionen, während der Außenbeitrag (Exporte abzüglich Importe) die Wachstumsrate sogar um 0,3 Prozentpunkte drückt. Als größtes Risiko für die Konjunktur sieht der Sachverständigenrat die Unsicherheiten im Zusammenhang mit der immer noch ungelösten Staatsschuldenkrise in der Euro-Zone. Wegen der großen Unwägbarkeiten hat der Rat deshalb drei Szenarien durchgerechnet und dabei auch ein rezessive Entwicklung in 2012 nicht ausgeschlossen: Sollte die Euro-Schuldenkrise eskalieren und andere Regionen infizieren, könnte dies zu einer Stagnation des Welthandels führen; das reale Bruttoinlandsprodukt würde dann im Jahr 2012 sogar um 0,5 Prozent sinken.
Die Unternehmen sehen skeptischer, aber nicht pessimistisch in die Zukunft. Dies hat die Herbstumfrage des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln unter 2.600 Unternehmen aus West- und Ostdeutschland ergeben. Die Unternehmen, die bei Exporten, Produktion, Investitionen und Beschäftigung einen Anstieg in 2012 erwarten, sind gegenüber den Unternehmen, die von einem Rückgang ausgehen, in der Überzahl. Besonders erfreulich ist, dass 24,6 Prozent der Unternehmen ihren Personalbestand weiter aufstocken, aber nur 15 Prozent ihn reduzieren wollen. Überwiegend wollen die Unternehmen ihre Beschäftigung auf dem erreichten Niveau halten. Es spricht somit einiges dafür, dass der Arbeitsmarkt auch im Jahr 2012 mit positiven Nachrichten aufwarten kann. In der Rangliste der Risikofaktoren für die weitere konjunkturelle Entwicklung sehen die Unternehmen eine Verschlechterung der wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen an vorderster Stelle, gefolgt vor einer Konsumzurückhaltung. Finanzierungskosten und Probleme bei der Kreditvergabe stufen die Unternehmen genauso wenig als gravierende Risiken ein wie eine nachlassende Nachfrage aus den aufstrebenden Ländern.
Die Chancen stehen somit nicht schlecht, dass der Aufwärtsentwicklung die Luft nicht ausgeht. Allerdings muss die Politik ihre Hausaufgaben schnell und überzeugend machen, damit die Unsicherheiten nicht überhand nehmen.
Die November-Ergebnisse im Einzelnen
Beim Arbeitsmarktindex ist die Welt nach der leichten Irritation im Oktober wieder in Ordnung. Beide Teilindikatoren weisen im November mit einem Plus gegenüber dem Vormonat auf:
Der Wachstumsindex bleibt auch im November das Sorgenkind. Keiner der drei Teilindikatoren konnte dem Wachstumsindex Schubkraft verleihen:
Eckpunkte zur Umsetzung des Koalitionsvertrages für die Pflegereform
Was ist geplant?
Die Bundesregierung hat Ende November ihre Eckpunkte für eine Pflegereform verabschiedet. Fünf Punkte umfasst das Programm: bedarfsgerechte Leistungen für Demenzkranke, die Stärkung der ambulanten gegenüber der stationären Versorgung, mehr Unterstützung für pflegende Angehörige, eine nachhaltige Finanzierungsgrundlage für die soziale Pflegeversicherung sowie eine höhere Attraktivität der Pflegeberufe. Mit diesem Maßnahmenpaket reagiert der Gesundheitsminister auf den Handlungsbedarf, der sich allein aus dem demographischen Wandel und der damit steigenden Zahl an Pflegebedürftigen ergibt.
Im Einzelnen sieht das Reformpaket folgende Maßnahmen vor:
1. Bessere Leistungen für Pflegebedürftige. Der Pflegebeirat erhält den Auftrag zur Überprüfung des Pflegebegriffs – insbesondere mit dem Ziel, die Versorgung der Demenzerkrankten zukünftig mit zu erfassen. Bereits im Vorfeld auf die Umsetzung eines neuen Pflegebegriffs sollen Demenzkranke verbesserte Leistungen erhalten.
Darüber hinaus gibt es einen ganzen Katalog von Instrumenten, die für alle Pflegebedürftigen gelten: Allgemein soll das Leistungsspektrum flexibler ausgestaltet werden, indem die Bedürftigen beim Pflegedienst zwischen Leistungspaketen und Zeiteinheiten frei wählen können. Unter anderem wird der Vorrang der ambulanten Versorgung weiter gestärkt, indem neue Wohnformen mit zweckgebundenen Pauschalen für Personen ausgestattet werden, die die Pflege organisieren und sicherstellen. Daneben soll die Rehabilitation zur Vermeidung von dauerhaften Pflegebedarfen gestärkt werden. Gleichzeitig soll die medizinische Versorgung in den Heimen verbessert werden. Weitere, bislang nicht konkretisierte Willenserklärungen zur Begutachtung pflegerischer Leistungen, zur Beratung und zum Bürokratieabbau runden das Spektrum ab.
2. Entlastung pflegender Angehöriger. Für pflegende Angehörige soll die Möglichkeit einer „Auszeit“ erleichtert werden. Damit trägt die Bundesregierung insbesondere den Belastungen in Familien mit Demenzkranken Rechnung. Dazu zählen auch eine verbesserte rentenrechtliche Berücksichtigung von Pflegezeiten bei der Versorgung mehrerer Angehöriger und die Förderung von Selbsthilfegruppen. Daneben geht es um einen erleichterten Zugang zu Maßnahmen der Rehabilitation.
3. Bessere Pflege- und Arbeitsbedingungen. Nicht zuletzt mit Blick auf den drohenden Mangel an Pflegepersonal soll die Berufsausbildung in der Kranken-, Alten- und Kinderkrankenpflege vereinheitlicht werden und eine Ausbildungs- und Qualifizierungsoffensive in der Altenpflege gestartet werden.
4. Nachhaltige Finanzierung. Mit der Anhebung des allgemeinen Beitragssatzes um 0,1 Punkte auf 2,05 Prozent zum 1.1.2013 soll die Soziale Pflegeversicherung zusätzlich mit 1,1 Milliarden Euro ausgestattet werden, um insbesondere die zusätzliche Versorgung der Demenzkranken bewältigen zu können. Daneben soll eine steuerliche Förderung einer freiwilligen und ergänzenden Privatvorsorge bei Pflegebedürftigkeit eingeführt werden.
Bewertung durch das IW Köln : 2 von 5 Sternen
Begründung:
Versorgung von Demenzkranken über höhere Beitragssätze: Mit der Einbeziehung von Demenzkranken in die Versorgung der Sozialen Pflegeversicherung schließt die Bundesregierung eine seit Jahren beklagte Versorgungslücke. Bislang ist der Pflegebegriff stark an körperliche Einschränkungen angelehnt, so dass vor allem demente Personen oftmals durch das Raster der drei gesetzlichen Pflegestufen fallen. Die Folgen sind nicht nur erhebliche finanzielle Belastungen für Familien mit Demenzkranken, sondern auch entsprechende physische und psychische Belastungen für pflegende Angehörigen, die sich professionelle Unterstützung oftmals nicht leisten können. Aus sozialpolitischer Sicht ist es deshalb zu begrüßen, dass die Bundesregierung hier offensichtlich in Vorleistung treten will, noch ehe Vorschläge zur Umsetzung eines neuen, umfassenden Pflegebegriffs gesetzesreif ausgearbeitet sind.
Anders dagegen die Argumentation aus ökonomischer Perspektive: Grundsätzlich bedeutet die Versorgung von Demenzkranken ein zusätzliches Leistungsversprechen, das auf dem bisherigen Versorgungskatalog der gesetzlichen (Teilkasko-)Pflegeversicherung aufsattelt. Dies ist ordnungspolitisch bedenklich, denn neben den ursprünglichen Einführungsgewinnen für die pflegenahen Jahrgänge aus dem Jahr 1995 schafft diese neue Leistungsausweitung zusätzliche Einführungsgewinne. Insgesamt erhöht die Maßnahme also die ohnehin angelegte intergenerative Lastverschiebung, vorausgesetzt dass es keine kompensierenden Leistungsrücknahmen an anderer Stelle gibt. In der Folge muss der Beitragssatz zum 1.1.2013 zunächst um 0,1 Beitragssatzpunkte erhöht werden. „Zunächst“, weil manche Experten bereits jetzt damit rechnen, dass die Versorgung der Dementen deutlich mehr Ausgaben verursachen wird als die erhofften 1,1 Milliarden Euro an Mehreinnahmen. „Zunächst“ aber auch deshalb, weil der demographische Wandel ohnehin zu einem deutlichen Beitragssatzanstieg im Umlageverfahren führt, der aber aufgrund des zusätzlichen Leistungsversprechens noch an Dynamik zulegen wird.
Auch wenn die Versorgung Dementer wünschenswert ist, schließt eine Ausweitung des Leistungsspektrums nicht aus, dass dafür andere Leistungen gekürzt oder Karenzzeiten eingeführt werden. Darüber ließen sich neue Versorgungsziele realisieren, ohne die problematische Beitragsfinanzierung im Umlageverfahren weiter auszudehnen. Angesichts des trade-offs zwischen Versorgungsbedarf und Finanzierung lassen die Eckpunkte Alternativen vermissen. Schließt man aber die Möglichkeit von Leistungskürzungen an anderer Stelle von Vornherein aus, dann erübrigt sich jeder weitere Verweis auf den Teilkasko-Charakter der gesetzlichen Pflegeversicherung. Insbesondere im Kontext der Neudefinition des Pflegebegriffs müsste man dann jeden Pflegebedarf unabhängig von seiner Finanzierbarkeit für sakrosankt erklären.
An diesem Dilemma werden auch die übrigen Maßnahmen kaum etwas ändern können. Die Maßnahmen zur Stärkung der ambulanten Pflege werden ebenso wie die Instrumente zur Entlastung pflegender Angehöriger über den Etat der gesetzlichen Pflegeversicherung finanziert, ohne dass der Nachweis einer Effizienzsteigerung bemüht wird. So verstärken sie tendenziell das grundlegende Problem statt es zu lösen. Die Maßnahmen zur Verbesserung der Pflege- und Arbeitsbedingungen zielen dagegen auf ein anderes Problem, den drohenden Mangel an Pflegekräften. Inwieweit eine Vereinheitlichung der Ausbildung und eine aktive Bewerbung der Alterspflege diesem Mangel nachhaltig entgegen wirken, bleibt in den Eckpunkten ebenfalls ungeklärt.
Insbesondere ist aber die steuerliche Förderung höchst fragwürdig. Zum einen sind Mitnahmeeffekte zu befürchten, weil damit auch jene Personen in den Genuss der Förderung kommen, die auch ohne Zuwendung zusätzlich vorgesorgt hätten. Zum anderen zieht ein solches System unerwünschte Verteilungswirkungen nach sich. Denn während das Fördervolumen aus dem Steueraufkommen aller Bürger gespeist wird – also auch derer, die sich keine Zusatzversicherung leisten können oder wollen –, profitieren vor allem einkommensstärkere Schichten, von denen zu vermuten ist, dass sie eher in der Lage sind, eine umfassende private Vorsorge zu betreiben. Treffsicherer wäre es, die ergänzende private Vorsorge für alle Bürger obligatorisch einzuführen und eine Förderung nur gezielt bedürftigkeitsgeprüft zu gewähren.
Der deutsche Arbeitsmarkt hat sich im Jahr 2011 sehr erfreulich entwickelt. Die Anzahl der Arbeitslosen liegt bei deutlich unter drei Millionen und die Anzahl der Erwerbstätigen war seit der Wiedervereinigung noch nie so hoch wie momentan. Wie schätzen die Arbeitnehmer die Situation ein? Wo liegen ihrer Ansicht nach Risiken und wie hat sich die Arbeitsplatzsicherheit entwickelt? Was unternehmen Beschäftigte, um für den Arbeitsmarkt attraktiv zu bleiben? Zu diesen Fragen wurden Ende November 2011 insgesamt 1.000 Arbeitnehmer befragt.
Die zentralen Ergebnisse lauten wie folgt: