INSM-Positionen
Deutschland digital machen

INSM-Position Digitalisierung

Deutschland hat bei der Digitalisierung erhebliche Defizite im Vergleich zu vielen EU-Partnern.

6. September 2022

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Deutschland weist beim digitalen Infrastrukturausbau, bei der digitalen öffentlichen Verwaltung und in der digitalen Bildung erhebliche Defizite im Vergleich zu vielen EU-Partnern auf. Die zentralen Hindernisse für die Digitalisierung in Deutschland sind die Komplexität des föderalen Staates und die damit verbundenen zeitaufwändigen Abstimmungs-, Genehmigungs- und Umsetzungsprozesse. Lösungsansätze dieses Komplexitätsproblems sind die Beschleunigung der Prozesse durch verkürzte Genehmigungsverfahren, Kompetenzbündelung sowie Standards und Verbindlichkeiten von Bund, Ländern und Gemeinden.

Die Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft fordert:
  • den flächendeckenden Breitbandausbau im Gigabitbereich umzusetzen,
  • gemeinsames E-Government von Bund, Ländern und Gemeinden mit einer Digitalisierungsagentur zu schaffen,
  • eine elektronische Identifizierung zügig und flächendeckend einzuführen,
  • Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen ein „Recht auf digitalen Service“ einzuräumen und
  • die Digitalisierung an Schulen voranzutreiben.

Flächendeckenden Breitbandausbau im Gigabitbereich umsetzen 

Laut ifo Institut hat nur ein Drittel der deutschen Haushalte die Möglichkeit, einen Gigabit-Anschluss für ihre Internetverbindung zu nutzen. Damit liegt Deutschland in Europa im unteren Drittel und ist mehr als zehn Prozentpunkte von Frankreich und dem EU-Durchschnitt entfernt. Die Studienautoren kommen zu dem Schluss, dass Deutschland teilweise kein Angebots-, sondern ein Nachfrageproblem hat: Wo schnelles Gigabit-Internet verfügbar ist, wird die volle Leistung oft nicht ausgeschöpft und es werden nur niedrigere Bandbreiten nachgefragt. Bei der Breitbandabdeckung mit mittleren Bandbreiten steht Deutschland international hingegen gut da. Auch der 5G-Ausbau kommt relativ gut voran.

Vergleichsweise teure Gigabit-Anschlüsse in Deutschland sowie fehlende oder unzureichende digitale, öffentliche Dienstleistungen hemmen die Nachfrage. Damit Haushalte und Unternehmen verfügbare Giga-Netze auch nutzen, brauchen sie einen deutlichen Mehrwert im Vergleich zu ihren bisherigen Internet-Anschlüssen, der auch die Kosten übersteigt. Daher ist das Ziel der neuen Bundesregierung richtig, den Gigabit-Ausbau über Glasfaser und 5G weiter voranzutreiben. Parallel muss der Rückstand beim E-Government zügig aufgeholt werden, um die Giga-Netz-Nachfrage zu erhöhen.

Gemeinsames E-Government von Bund, Ländern und Gemeinden

„Bei der Digitalisierung liegt die deutsche Verwaltung etwa zehn Jahre gegenüber Ländern wie Dänemark und Österreich zurück, kann also das hier bestehende große Potenzial für Kostenreduzierung und Effizienzsteigerung nur unzureichend mobilisieren“, fasste Johannes Ludewig, damals Vorsitzender des Normenkontrollrates (NKR), zusammen.

Die neue Bundesregierung muss mit mehr Elan an die Umsetzung von E-Government herangehen als die bisherige. Die Regierenden in Bund, Ländern und Gemeinden müssen sich gemeinsam zur Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung bekennen und diese politisch auch unterstützen. In der praktischen Umsetzung braucht es Standards und Verbindlichkeit zwischen den föderalen Ebenen, um dem Kompetenzwirrwarr zu entkommen und die Komplexität deutlich zu reduzieren. Ein wichtiger Meilenstein ist die Einrichtung einer Digitalisierungsagentur (über Ausbau der Föderalen IT-Kooperation, kurz FITKO), die die fachlichen Kompetenzen und Kapazitäten bündelt. Der im vergangenen Jahr beschlossene Koalitionsvertrag zeigt, dass die Beteiligten den Weiterentwicklungsbedarf der FITKO verstanden haben. Es kommt jetzt auf eine erfolgreiche und zügige Umsetzung an.

Elektronische Identifizierung per eID zügig und flächendeckend einführen

Technischer Dreh- und Angelpunkt für erfolgreiches E-Government ist die elektronische Identifizierung (eID). Das zeigt auch der Blick zu unserem Nachbarland Österreich, wo dank so genannter Handy-ID das persönliche Erscheinen im Amt kaum noch nötig ist. Die bereits begonnenen Bemühungen für eine einheitliche deutsche eID müssen zügig abgeschlossen werden. Die Bundesregierung sollte sich darauf konzentrieren, laufende Pilotprojekte und Tests für eine eID in eine flächendeckende Nutzung zu überführen. Dabei sollten Verfahren, die keine Interoperabilität erwarten lassen, zurückgestellt werden.

„Recht auf digitalen Service“ einräumen

Indem Bürgerinnen, Bürgern und Unternehmen für definierte Behördenakte gesetzlich ein Anspruch auf digitalen Service eingeräumt wird – ähnlich wie es in der Single-Digital-Gateway-Verordnung der EU der Fall ist –, kann eine Umsetzung in den Gemeinden aufgrund der kommunalen Selbstbestimmung zumindest angeregt werden. Konkret heißt das, dass E-Government-Anwendungen zunächst auf Bundesebene implementiert werden und über ein „Recht auf digitalen Service“ alle Länder und Gemeinden aufgefordert sind, entweder die Bundesanwendung zu übernehmen oder kompatible digitale Dienste zu bieten. So könnte flächendeckend ein einheitlicher digitaler Service angeboten werden – ohne zeitraubende und kostenträchtige Parallelstrukturen auf föderaler Ebene.

Digitalisierung an Schulen vorantreiben

Um hohe computer- und informationsbezogene Kompetenzen bei den Bildungsteilnehmern zu erzielen, ist es erforderlich, dass die Bildungseinrichtungen mit den entsprechenden Technologien ausgestattet sind. Hierzu gehört auch die Bereitstellung von digitalen Arbeitsplätzen für Lehrkräfte und die Ausstattung aller Klassen mit der erforderlichen Hard- und Software für einen digital gestützten Unterricht. Hier besteht in Deutschland trotz der Fortschritte während der Corona-Pandemie weiter Nachholbedarf, wie der INSM-Bildungsmonitor 2022 belegt. 

Als zweiter zentraler Schritt sollten die Kompetenzen der Lehrerinnen und Lehrer beim Umgang mit digitalen Medien im Unterricht ausgebaut werden.  Dazu braucht es verpflichtende Weiterbildungen für Lehrkräfte in digitaler Didaktik. Lehrkräfte aller Altersstufen müssen schnellstmöglich nachgeschult werden. Für den Lehrkräfte-Nachwuchs sollte dies selbstverständlicher Bestandteil der Ausbildung sein. Die Aus- und Weiterbildungsverordnungen für Lehrkräfte sollten entsprechend reformiert werden.

Drittens müssen methodische Konzepte erarbeitet werden, wie Informations- und Kommunikationstechnologien gewinnbringend und zielführend eingesetzt werden. Dadurch schafft ihr Einsatz auch einen Mehrwert und ersetzt nicht pauschal möglicherweise überlegene traditionelle Unterrichtsmethoden. Ferner gilt es, gute digitale Lernmaterialien zu entwickeln.


Quellen