Werkverträge und Zeitarbeit
Hubertus Pellengahr 23. November 2015
Standpunkt

Deutschlands kluge Arbeitsteilung nicht ze

Der Gesetzentwurf für die zusätzliche Regulierung von Werkverträgen und Zeitarbeit bedroht die Leistungsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Frau Nahles will sich damit in die Angelegenheiten der Tarifpartner einmischen und die unternehmerische Freiheit einschränken. Ein Standpunkt von Hubertus Pellengahr, Geschäftsführer der Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft.


Werkverträge und Zeitarbeit sind zwei sehr unterschiedliche Möglichkeiten für Unternehmen, kluge Arbeitsteilung zu betreiben: Mit Werkverträgen kommen Spezialisten zum Zug. Jeder macht das, was er am besten kann. Dadurch werden die Unternehmen produktiver und können ihre Wettbewerbsfähigkeit erhalten, was auch den Stammbelegschaften zugutekommt. Zeitarbeit bietet die Möglichkeit, flexibel auf vorübergehenden Personalbedarf reagieren zu können. Eltern-, Urlaubs- oder Krankenzeiten können so überbrückt und konjunkturelle Auftragsschwankungen ausgeglichen werden. Gleichzeitig ist Zeitarbeit für Arbeitslose und Geringqualifizierte ein bewährtes Mittel, um in den Arbeitsmarkt einzutreten. Fast zwei Drittel der Zeitarbeitnehmer kommt aus der Arbeitslosigkeit oder war vorher beschäftigungslos.

Trotzdem gibt es immer wieder Versuche, Zeitarbeit und Werkverträge als Beschäftigungsformen zweiter Klasse brandmarken. Die mag aus dem Kalkül der Gewerkschaften heraus rational sein, es ändert aber nichts an der Tatsache, dass den Behauptungen die empirische Grundlage weitestgehend fehlt. Dennoch haben diese Kampagnen dazu beigetragen, dass sich die Bundesregierung im Koalitionsvertrag auf Regelungen verständigt hat, die die Verwendung von Werkverträgen und Zeitarbeit einschränken sollen.

Mit dem nun dazu vorgelegten Gesetzentwurf schüttet das Bundesarbeitsministerium das Kind mit dem Bade aus und geht sogar noch über die Vereinbarungen im Koaltionsvertrag hinaus. Der in Deutschland ohnehin schon sehr rigide Arbeitsmarkt wird dadurch noch unflexibler. Statt Rahmenbedingungen zu schaffen, die es den Unternehmen ermöglichen, weiter zu wachsen und Beschäftigung aufzubauen, werden Unternehmen unter Generalverdacht gestellt und zusätzliche Bürokratie geschaffen.

Mit der Einführung einer gesetzlichen Überlassungshöchstdauer von 18 Monaten greift der Staat tief in die Freiheit der Unternehmen ein. Zwar lässt der Gesetzentwurf tarifliche Abweichungen zu, diese gelten aber nur auf Basis von Tarifverträgen der Einsatzbetriebe und nicht für den Tarifvertrag der Zeitarbeitsbranche selbst. Unternehmen ohne tarifliche Basis haben überhaupt keine Möglichkeiten, abweichende Regelungen auf betrieblicher Ebene zu vereinbaren. Ein klarer Verstoß gegen die Tarifautonomie.

Oft sind es soziale Aspekte, wie die Überbrückung von Krankheits- oder Elternzeiten, die Unternehmen zu längeren Einsatzzeiten bewegen. Generell ist die Forderung nach einer Überlassungshöchstdauer fragwürdig: Nach Einführung des „Equal-Treatment“ im Jahre 2003, wurde die Überlassungshöchstdauer von der damaligen rot-grünen Bundesregierung abgeschafft. Mit dem „Equal-Treatment“ war und ist gemeint, dass Zeitarbeiter – sofern tarifvertraglich nichts anderes vereinbart wird – in Deutschland dieselben Arbeitsbedingungen haben müssen wie die Stammbelegschaft des Betriebs, in dem sie eingesetzt werden. Damit wurde die Überlassungshöchstdauer überflüssig, so die damalige Begründung.

Ebenso soll laut Gesetzentwurf ein willkürliches Datum für die Gleichbezahlung eingeführt werden. 2012 und 2013 schlossen die Tarifpartner zu den bestehenden Tarifverträgen in der Zeitarbeit ergänzende Zuschlagtarife ab, um der Forderung nach Gleichbehandlung mit der Stammbelegschaft gerecht zu werden.

Der längere Einsatz von Zeitarbeitern wird sich durch diese Regelung verteuern. Negativ davon betroffen wären vor allem diejenigen, die es auf dem Arbeitsmarkt ohnehin schwer haben, einen Job zu finden; Geringqualifizierte mit Helfertätigkeiten.

Nicht besser ist die geplante Neuregelung der Werkvertragsverhältnisse. Die gesetzliche Fixierung von Kriterien für missbräuchlichen Werkvertragseinsatz im Bürgerlichen Gesetzbuch stellt Unternehmen, die Werkverträge abschließen, unter einen Generalverdacht. Dabei ist die Bundesregierung jeglichen empirischen Beleg für die weitverbreitete missbräuchliche Verwendung von Werkverträgen schuldig geblieben. Zudem ist diese Festlegung überflüssig, denn bereits heute gibt es klare Kriterien in der Rechtsprechung, die sich bewährt haben.

Der Gesetzentwurf untergräbt das Fundament der Sozialen Marktwirtschaft. Unternehmerische Freiheit und Privatautonomie werden eingeschränkt. Statt Rahmenbedingungen für einen effizienteren Wirtschaftsprozess zu schaffen, setzt sie nach dem Rentenpaket und dem Mindestlohn ihren eingeschlagenen Kurs zu mehr Belastungen, und Bürokratie weiter fort.

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