Kampagne: Nachhaltige Rente
Respekt-Rente stoppen

Versteckter Einstieg in die Einheitsrente

Die Renten-Pläne von Sozialminister Hubertus Heil würden bei Umsetzung die Wirkung eines Trojaners haben. Die “Respekt-Rente" könnte wie ein als nützlich getarntes Computer-Programm das System der gesetzlichen Rentenversicherung langfristig ins Wanken bringen. Denn bisher beruht die gesetzliche Rente auf dem Leistungsversprechen: Wer mehr einzahlt, bekommt mehr raus. Heils "Respekt-Rente" verabschiedet sich von diesem Prinzip. Gleiche Beitragszahlungen würden zu unterschiedlichen Rentenhöhen führen. Und dabei würde es vermutlich nicht bleiben. In einer alternden Gesellschaft hätten zukünftige Regierungen den Anreiz, die Grundrente auszubauen. Deshalb: “Respekt-Rente" jetzt stoppen - für gerechte Rentenpläne kämpfen!

13. März 2019

Die „Respekt-Renten”-Pläne von Hubertus Heil sind ungerecht und wirken kaum gegen Armut. Stattdessen destabilisieren sie das bestehende System der gesetzlichen Rentenversicherung durch weitere Kosten. Schlimmer noch: Werden die SPD-Pläne umgesetzt, könnte dies der Einstieg in eine Einheitsrente mit niedrigen Leistungen für alle sein. 

Doch zunächst: Was wollen Hubertus Heil und die SPD?

Heil verspricht ...

"…eine Rente, die Lebensleistung würdigt und die zehn Prozent über der Grundsicherung im Alter liegt und zwar für diejenigen, die 35 Jahre in die Rentenkasse eingezahlt haben."

Das bedeutet konkret: Es würden all jene Renten aufgestockt, die mehr als 35 Beitragsjahre, aber weniger als durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr aufweisen. Warum diese Details wichtig sind, dazu kommen wir gleich. 

Zunächst: Was ist eigentlich ein Entgeltpunkt? Ein Entgeltpunkt von 1,0 erhält, wer ein Jahr lang bei durchschnittlichem Einkommen in die gesetzliche Rentenversicherung eingezahlt hat. Das heißt folglich: Wer weniger als durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr auf seinem Rentenkonto hat, der hat über sein Arbeitsleben hinweg unterdurchschnittlich verdient. Das kann viele Gründe haben. Etwa wegen geringer Stundenlöhne, aber auch wegen geringer Stundenanzahl, weil in Teilzeit gearbeitet wurde. Vielleicht auch, weil jemand in seiner Hauptbeschäftigung selbständig war. 

Hubertus Heil und seine SPD planen folglich eine Umverteilung für Menschen, die aus ganz unterschiedlichen Gründen in den Genuss höherer Leistungen kämen. Was passiert, wenn man in ein funktionierendes Versicherungssystem solche Umverteilungswünsche packt? Es wird erstens ungerechter und es hilft zweitens nicht denen, die Hilfe am Nötigsten haben, und es gefährdet drittens die Finanzierung des gesamten Systems

Denn die Rentenversicherung ist als Umlageverfahren gebaut, das heißt, aus den laufenden Beitragszahlungen werden die Renten finanziert. Dies führt in Zeiten demografischen Wandels zu einer großen Herausforderung: Es gibt weniger Beitragszahler, welche die Renten für mehr Rentner zahlen müssen. Entstehen darüber hinaus weitere Kosten - etwa durch die „Respekt-Renten” - wird die Tragfähigkeit der wichtigsten Altersvorsorge in Deutschland in Frage gestellt. Zumal mit doppelter Haltelinie, der Rente mit 63 und der Mütterrente Milliardenlasten in dreistelliger Höhe in den vergangenen Jahren dem Rentensystem aufgebürdet worden sind. Will die Politik die im Grundgesetz verankerte Schuldenbremse und die doppelte Haltelinie einhalten, bleiben nur steigende Steuersätze sowie niedrigere Leistungen als Ausweg. 

Warum ist die INSM der Überzeugung, dass Heils Pläne ungerecht sind, und Armut kaum bekämpft wird? 

Die Ungleichbehandlung der „Respekt-Renten” würde zu neuen Ungerechtigkeiten führen. Auf Basis des Rentenversicherungsberichts 2018 würden geschätzt 2,8 Millionen Renten durch die „Respekt-Renten” aufgestockt. Das entspricht 21,8 Prozent aller Renten in Deutschland. Das heißt, diese Renten würden nicht mehr nach der bisherigen Rentenformel berechnet. Deren Rentenbezieher bekämen mehr Geld als ihnen nach ihren Beiträgen zustünden. Andere nicht: 3,2 Millionen Renten sind ebenfalls unterdurchschnittlich, das heißt, haben weniger als durchschnittlich 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr, bekommen aber nach Vorstellungen Heils’ keine Aufstockung, weil sie nicht auf mindestens 35 Beitragsjahre kommen. Weitere 0,7 Millionen Renten wären auf „Respekt-Renten”-Höhe (bis zu 960 Euro), bekämen aber ebenfalls keine Aufstockung, weil deren durchschnittlichen Entgeltpunkte pro Jahr höher als 0,8 sind, und sie auch weniger als 35 Beitragsjahre aufweisen. Es zeigt sich also: Gleiche Einzahlungshöhen würden durch Heils Pläne unterschiedlich behandelt. Sieht so ein gerechtes Rentensystem aus? Wir sind der Überzeugung: Nein. 

Die Mehrheit der Deutschen denkt auch so. Laut einer repräsentativen Umfrage sind mehr als 80 Prozent der Ansicht, dass wer in seinem Leben mehr Rentenbeiträge gezahlt hat, auch höhere Renten erhalten sollte.
 

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Hinzu kommt: Die Respekt-Rente würde nicht nur innerhalb der gesetzlichen Rentenversicherung zu Ungerechtigkeiten führen. Sie entstünden auch im Zusammenhang mit der Armutsbekämpfung im Alter.  Weil sie nicht zielgerichtet wirkt. Mit der Respekt-Rente soll jenen, die wenig haben, mehr gegeben werden. Aber träfe es die Richtigen? Schließlich ist die gesetzliche Rentenversicherung blind gegenüber den Vermögensverhältnissen der Menschen. Denn ob staatliche Unterstützung zum Leben im Alter notwendig ist, macht sich nicht alleine an der Höhe der gesetzlichen Rente fest. Die finanzielle Situation wird durch viele weitere Faktoren bestimmt: dem Einkommen des Lebenspartners, dem Eigenheim, weiterem Vermögen, Einkommen aus privater Vorsorge (mehr dazu in der INSM-Position „Absicherung im Alter”).

Wer nur auf die gesetzliche Rente schaut, der weiß also wenig über die finanzielle Lage im Alter. So würden etwa nach Heils eigenen Angaben 130.000 Menschen von der Respekt-Rente profitieren, die aktuell Anspruch auf Grundsicherung im Alter haben. Dagegen bekommen aber heute über 552.650 Menschen im Rentenalter diese Grundsicherung. Der Mehrheit der Hilfsbedürftigen wäre damit also nicht geholfen. 

Das liegt daran, dass der Grund für Armut im Alter häufig eine lange Arbeitslosigkeit bereits vor Erreichen des Renteneintrittsalters war und damit Rentenversicherungszeiten sowie -beiträge fehlen, um auf eine auskömmliche Rente zu kommen. 

Die „Respekt”-Rente würde als nur einer Minderheit der Grundsicherungsbezieher im Alter helfen. Mindestens genauso erschreckend ist der Umkehrschluss: Von den 2,8 Millionen Profiteuren der „Respekt”-Rente wäre der Großteil auf eine Unterstützung gar nicht angewiesen.  

Minister Heil will also Milliarden an Steuergeldern mit einer „Respekt”-Rente an Menschen auszahlen, die mitunter gar nicht bedürftig sind. Ökonomen erwarten darüber hinaus milliardenschwere Mitnahmeeffekte. Stattdessen braucht es zielgenaue Maßnahmen gegen Altersarmut. Die Politik darf die Grundsicherung im Alter nicht weiter stigmatisieren, sondern muss dafür sorgen, dass Bedürftige diese Leistung auch erhalten.  

Wo führt das alles hin? Die „Respekt”-Rente könnte der Einstieg in eine niedrige Einheitsrente sein. Denn typischerweise wird eine umverteilungspolitisch motivierte Sozialleistung im Laufe der Zeit ausgebaut. Weil mit dem Versprechen des Ausbaus weitere Wähler gewonnen werden. Beim Mindestlohn ist das etwa so: Mittlerweile hat sich ein Überbietungswettbewerb etabliert, je höher die Mindestlohnforderung, desto mehr Wählerzustimmung erhoffen sich manche Parteien. So könnte es auch mit der “Respekt”-Rente kommen: Sie wird sukzessive erweitert. Und um diese überhaupt finanzieren zu können, müssten die Leistungen für alle auf bescheidenem Niveau bleiben.    

Und wer zahlt dafür? Zunächst vermutlich die Steuerzahler, also wir alle. Alleine im Jahre 2018 lag der Steuerzuschuss zur gesetzlichen Rentenversicherung bei gut 70 Milliarden Euro. Mit einer „Respekt”-Rente müssten die Steuerzahler weitere Milliarden zuschießen. Und um weitere Finanzquellen zu erschließen, könnten in Zukunft auch jene Beitragszahler zur Finanzierung herangezogen werden, die überdurchschnittlich hohe Beiträge erbringen. 

Rente mit 63, Mütterrente, doppelte Haltelinie - und jetzt auch noch „Respekt”-Rente? Die große Koalition ebnet den Weg zu einem steuerfinanzierten Sozialsystem, welches der Einheitsrente Vorschub leistet. Denn wenn die Finanzierung nicht mehr überwiegend von den Beitragszahlern erbracht wird, geht die Begründung verloren, warum die Auszahlungen sich an den Leistungen der Beitragszahler orientieren sollten. 

Deshalb: Respekt-Rente stoppen, um die Einheitsrente zu verhindern. 

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