Nicht einmal mehr vier Monate bis zur Bundestagswahl – und viel weiter scheint der Horizont mancher Politiker momentan auch nicht zu reichen. Viele derzeit diskutierte Forderungen – von der Mütterrente bis zum Arbeitslosengeld Q – kommen zwar kurzfristig einer bestimmten Klientel zugute, werden langfristig aber teuer für alle. Ein Plädoyer für mehr Weitblick im Wahlkampf.
1. Juni 2017Die wirtschaftliche Ausgangslage könnte kurz vor der Bundestagswahl nicht komfortabler sein: Die Arbeitslosigkeit ist so niedrig wie seit der Wiedervereinigung nicht mehr. Die Inflation wird 2017 voraussichtlich weiterhin unter zwei Prozent bleiben. Dank der Nachfrage aus den aufstrebenden Schwellenländern florieren Deutschlands Exporte. Und das Bruttoinlandsprodukt wächst zwar seit einer Weile nur langsam, aber doch kontinuierlich. Das macht es Politikern leicht, Wahlgeschenke zu versprechen. Ihre Ankündigungen sind nicht einmal unglaubwürdig – schließlich sprudeln die Steuereinnahmen. Trotzdem ist eine Politik mit Blick auf den schnellen Erfolg beim Wähler alles andere als ratsam. Denn am Horizont lauern so einige Herausforderungen auf Deutschland, die es in der näheren und ferneren Zukunft zu meistern gilt:
In deren Interesse ist möglichst alles zu unterlassen, was die Sozialabgaben über Gebühr erhöht. Laut einer Prognose des Sachverständigenrats könnten die Beitragssätze zur Renten-, Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversicherung von heute 39,95 Prozent bis 2030 auf 43 Prozent und bis 2040 sogar 45,5 Prozent steigen – und zwar auf Basis des gesetzlichen Status quo, allein infolge der gesellschaftlichen Alterung. Was dies bedeutet, haben Ökonomen des IW Köln für die INSM ausgerechnet : So hätte eine durchschnittliche sozialversicherungspflichtige Doppelverdiener-Familie mit zwei Kindern im Jahr 2030 knapp 1.900 Euro weniger zur Verfügung als heute und müsste 2040 sogar Einbußen von mehr als 3.500 Euro hinnehmen. Die Ersparnisse an Einkommenssteuer sind dabei jeweils schon gegengerechnet.
Wer nun mit einer expansiven Ausgabenpolitik die Beitragssätze noch stärker nach oben treibt, muss sich die Frage nach der finanziellen Zumutbarkeit gefallen lassen. Um beispielsweise das Rentenniveau bei 46 Prozent zu halten, müsste der Rentenbeitrag nach Berechnungen des Bundesarbeitsministeriums bis 2040 auf 24,5 Prozent steigen. Schon das wären 2,5 Prozentpunkte mehr als vom Sachverständigenrat veranschlagt. Doch selbst wenn man vorsichtig rechnet und für 2040 nur zwei Prozentpunkte auf die Sozialversicherungsbeiträge aufschlägt, hätte dies für die vierköpfige Musterfamilie nach heutigen Maßstäben einen zusätzlichen jährlichen Einkommensverlust von 1.300 Euro zur Folge.
Zwar ist Deutschlands Schuldenquote von 81 Prozent im Jahr 2010 mittlerweile auf 68 Prozent des Bruttoinlandsprodukts gesunken und nähert sich damit Schritt für Schritt der im Euro-Stabilitätspakt festgelegten Höchstgrenze von 60 Prozent. Zu verdanken ist dies jedoch vor allem dem Umstand, dass der Staat keine neuen Schulden gemacht hat, während die Wirtschaftsleistung gestiegen ist. Ein Abbau von Schulden hat jedoch kaum stattgefunden. Dies wäre allerdings dringend nötig, um die Zinsbelastung des Staates auch dann im Rahmen zu halten, wenn die EZB ihre Niedrigzinspolitik aufgibt.
Einen konkreten Vorschlag dazu hat das IW Köln gemacht: Um einen moderaten Anstieg des Durchschnittszinses von einem Prozentpunkt über zehn Jahre auszugleichen und das Verhältnis der Zinsausgaben zum BIP konstant zu halten, müsste der Staat anfangs 22,5 Milliarden Euro Schulden pro Jahr tilgen, im Laufe der Jahre würde es dann etwas weniger. Schon bei einem etwas steileren Zinsanstieg um 1,4 Prozentpunkte wären die nötigen Tilgungsraten allerdings mehr als doppelt so hoch. Allein dies veranschaulicht, wie fahrlässig es wäre, die Zinsrisiken zu ignorieren. Denn: Ohne Schuldenabbau steigen die Zinsausgaben des Staates schon im moderaten Szenario bis 2027 real um 10 Milliarden Euro pro Jahr. Beim steileren Zinsanstieg wären es sogar 20 Milliarden Euro. Und dabei bliebe es nicht: Setzt sich der Zinsanstieg mit 1,4 Prozent über zehn Jahre fort, blühen Deutschland 2035 reale Zinsausgaben von 92 Milliarden Euro.
Allgemeinbildende und berufsbildende Schulen müssen generell baulich, aber vor allem in Sachen Digitaltechnologie auf Vordermann gebracht werden. Lehrer sollten in ihrer Ausbildung besser auf die Vermittlung von digitalem Wissen vorbereitet werden – und dazu bedarf es auch entsprechend ausgestatteter Hochschulen. Letztlich ist der Weg über die Bildung auch die einzige Chance, den Kindern der Geflüchteten Zukunftsperspektiven zu eröffnen. Auf diese Weise ließe sich auch dem drohenden Fachkräftemangel vor allem in den naturwissenschaftlich-technischen Berufen beikommen – und die Arbeitslosenversicherung würde vor weiteren Kosten bewahrt.