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Nach dem BVG-Urteil: Alles über Studiengebühren

Studenten gehen in diesem Sommer verstärkt auf die Straße und machen mobil gegen die Einführung von Studiengebühren. Seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVG) in Karlsruhe vom 26. Januar 2005 dürfen die Bundesländer in Eigenregie Gebühren für Erst-Studiengänge erheben. Die "Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft" (INSM) hat die Hintergründe zu diesem Thema für Sie zusammengestellt.

8. September 2004

Humboldt-Universität zu Berlin Humboldt-Universität zu Berlin

Die seit dem Urteil des Bundesverfassungsgerichts mögliche Einführung von Studiengebühren bringt nicht nur Studenten auf die Barrikaden, sie hat auch unter Parteien, Pädagogen, Bildungsexperten und Reformern eine hitzige Debatte ausgelöst: Sind Studiengebühren sozial? Wird damit nicht die Gleichheit der Bildungschancen torpediert, weil Studiengebühren möglicherweise dazu führen, dass das Studium zu einem Privileg für Kinder von Besserverdienern wird? Und jetzt, wo Studiengebühren auch für das Erststudium zulässig sind: Wie müssen sie eingesetzt werden? Dürfen im Gegenzug die öffentlichen Zuschüsse für Hochschulen gekürzt werden?

Bei dieser Diskussion wird häufig vergessen, dass Studiengebühren in Deutschland auch schon vor dem Urteil des BVG längst Realität waren. Das 6. Hochschulrahmengesetz (HRG) aus dem Jahre 2002 hat auf der Grundlage des so genannten Meininger Beschlusses (Mai 2000) lediglich die Gebührenfreiheit für das Erststudium festgeschrieben. Dagegen müssen Langzeitstudenten (mindestens vier Semester über der jeweiligen Regelstudienzeit) schon seit längerem Studiengebühren entrichten.

Studiengebühren werden ferner fällig für ein Zweit-, Weiterbildungs- oder Seniorenstudium sowie für ausländische Studenten. Mit dieser Regelung im 6. HRG wollte die rot-grüne Bundesregierung gewährleisten, dass auch Kindern aus einkommensschwächeren Schichten der Weg zu einem Studium nicht versperrt bleibt.

Die Kläger, die sechs Bundesländer Baden-Württemberg, Bayern, Hamburg, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt, hatten die Normenkontrollklage vor dem Bundesverfassungsgericht angestrengt, weil der Bund aus ihrer Sicht mit der bestehenden Regelung, die eine Gebührenfreiheit des Erststudiums festschreibt, seine Rahmenkompetenz im Hochschulwesen und damit die Zuständigkeit der Länder verletzt.

Inzwischen haben bereits folgende Bundesländer die Einführung von Allgemeinen Studiengebühren beschlossen:

  1. Baden-Württemberg: 500 Euro ab dem Sommersemester 2007
  2. Bayern: 500 Euro ab dem Sommersemester 2007
  3. Hamburg: 500 Euro ab dem Sommersemester 2007
  4. Niedersachsen: 500 Euro ab dem Wintersemester 2006/2007
  5. Nordrhein-Westfalen: 500 Euro ab dem Wintersemester 2006/2007
  6. Saarland: 500 Euro ab dem Wintersemester 2007/2008

Vorreiter in Sachen Studiengebühren war übrigens Baden-Württemberg: dort müssen Studenten schon seit 1998 Studiengebühren in Höhe von 511 Euro pro Semester zahlen, wenn sie die Regelstudienzeit um vier Semester überschreiten.

Der Wissenschaftsminister von Baden-Württemberg, Peter Frankenberg (CDU), hält die Studiengebühren nicht für unsozial, im Gegenteil: Bei Kosten von rund 8.500 Euro pro Student und Semester könnten Gebühren zu einer erheblichen Verbesserung der Studienbedingungen an den Universitäten beitragen zum Wohle vor allem der Studenten, die mit einer besseren Ausbildung international wettbewerbsfähiger würden und damit besser bezahlte Jobs finden könnten. Rund 30 Prozent der Studenten, so Frankenberg weiter, könnten als so genannte "Härtefälle" ohnehin von der Gebührenregelung befreit werden. Für alle anderen würden die Rückzahlungsbedingungen großzügig und langfristig gehandhabt.

Auch der Sachverständigenrat der Bundesregierung ("Fünf Weise") plädiert seit geraumer Zeit für Studiengebühren und im Gegenzug gegen Kindergartengebühren. Der Vorsitzende des Gremiums, Bert Rürup, begründet diese Forderung mit "großen Defiziten im Elementarbereich": Kindergärten, so Rürup weiter, würden in Deutschland zu fast 40 Prozent aus Gebühren der Eltern finanziert. Das ist nach Angaben des Sachverständigen im internationalen Vergleich eine sehr hohe Quote, obwohl gerade dort besonders viele so genannte soziale Erträge anfallen, d.h. Sozialisierung der Kinder, Erwerb sozialer Kompetenzen und die Vorbereitung der Kinder auf die Schule, insbesondere für die Kinder ausländischer Mitbürger durch den Erwerb von Sprachkenntnissen.

Wer hingegen studiert, so Rürup weiter, erziele in erster Linie private Erträge in Form eines überdurchschnittlich hohen Einkommens. Deshalb ist es nach Ansicht des Sachverständigenrates der Bundesregierung nur konsequent, dass Studenten für ihre Hochschulausbildung bezahlen. Mit der Einführung von Gebühren für das Erststudium werden nach Ansicht von Rürup auch die Voraussetzungen dafür geschaffen, die chronische Unterfinanzierung vieler Hochschulen aus der Welt zu räumen.

Sozial ungerecht findet Rürup die Einführung von Hochschulgebühren vor allem auch dann nicht, wenn zusätzlich zu den Gebühren zügig ein Stipendien- und Kreditsystems für Studenten eingeführt wird. Für allemal unsozialer hält Rürup das bisherige Hochschulbildungs- und -finanzierungssystem, bei dem knapp 70 von 100 Beamtenkindern, aber weniger als 20 von 100 Arbeiterkindern studieren.

In diesem Zusammenhang kritisieren Rürup und der Sachverständigenrat auch das deutsche Schulsystem, weil es ihrer Ansicht nach nicht alle Begabungen berücksichtigt. Als Modell nennt Rürup hier Frankreich: Wenn auch hierzulande alle Kinder die Vorschule durchlaufen müssten, dann gäbe es bei unserer Nachbarn - vor allem beim Nachwuchs von Einwanderern - deutlich weniger sprachliche Defizite.